Überschwemmungsgebiete der Leine-Ihme wurden neu ermittelt

Hochwasser Markierungen Wasserkunst Herrenhausen Stein
Hochwassermarkierungen an der Wasserkunst

Der Stadtbezirk Linden-Limmer ist im östlichen und nördlichen Bereich von der Ihme sowie der Leine begrenzt. Dass an Flüssen auch Überschwemmungen entstehen können, wurde am 11. Februar 1946 sehr deutlich. Damals reichte das Wasser auf noch weitgehend gefrorenem Boden bis weit in die Calenberger Neustadt hinein, Tauwasser kam dazu.

Heute ist es eher wahrscheinlich, dass wegen des zu trockenen Wetters ein größerer Starkregen eine Ansammlung des Wassers und damit keine Versickerung stattfindet. Gefahren eines sogenannten HQ100 – dem höchsten Hochwasserstand, wie er statistisch einmal in 100 Jahren eintritt – hätten heute stärkere Auswirkungen, als die Stadt Hannover angenommen hatte.

Das aktuelle Resultat mit neuen Daten, das mit moderneren Maßnahmen vom LGLN (Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen) ermittelt wurde, ist vor einiger Zeit vom NLWKN (Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) veröffentlicht worden. Hier eine zoombare Karte der Überschwemmungsgebiete (ÜSG). Mit einem Klick auf die eingefärbten Überschwemmungsgebiete kann man weitere Informationen zu dem jeweiligen Überschwemmungsgebiet erhalten.

Das kennen wir schon

Leine / Ihme Hochwasser 2020Kleinere Übertretungen der Ufer gab es beispielsweise auch 2017 und 2020, Punkt-Linden berichtete. Unter anderem aus diesem Grunde wurde z. B. das höchst umstrittene sogenannte Retentionsgebiet gegenüber dem Ihmezentrums geschaffen. Dort sollen sich mögliche Überschwemmungen ausbreiten können, ohne größere Schäden – auch wegen der vorhandenen Schadstoffe – anzurichten.

Wegen der Höhenunterschiede kann eher die Calenberger-Neustadt, wie damals, stark betroffen sein. In Linden-Limmer würden die Füße überwiegend nur in Randbereichen der Flüsse nass werden.

Ergebnisse aus den aktuellen Untersuchungen

Punkt-Linden hat aus der Veröffentlichung des NLWKN die für den Stadtbezirk Linden-Limmer relevanten Kartenbereiche ausgeschnitten und von Süden nach Norden sortiert. Zur ersten Orientierung sind die Leine und Ihme mit blauen Linien gut zu erkennen. Diese Karten, der „vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiete Niedersachsen“  wurden vom NWLNK herausgegeben.

Ergebnisse der NLWKN-Neuberechnungen Karte 6
NLWKN-Neuberechnungen Karte 6

Auf Karte 6 (Bereich Linden-Süd) ist deutlich zu sehen, dass unter anderem das Klinikum Siloah sowie die Hochschule an der Ritter-Brüning-Straße in Linden-Süd von der Überschwemmung betroffen wären. Der Sportpark nördlich des Schnellen Grabens mit Stadion und Gilde-Parkbühne lägen dann auf einer Insel.

Von der Ihme über die Calenberger-Neustadt zum Leibnizufer und weit in die Altstadt hinein würde das Wasser steigen. Auch die Glocksee und das Friederikenstift wären dabei betroffen.

Ergebnisse der NLWKN-Neuberechnungen Karte 7
Ergebnisse der NLWKN-Neuberechnungen Karte 7

Die Karte 7 gibt einen Einblick der möglichen Überschwemmungen in Linden-Nord. Zu sehen ist, dass fast alle Bereiche östlich der Ihme leidtragend wären. In der Mitte der Karte ist der Zusammenfluss der Leine mit der Ihme am Strandleben sehr gut zu sehen, die Stadtbahnen wären damit nicht mehr trocken.

Hier wäre der Bremer Damm eine Insel, das Faust bräuchte Boote. Von der Leinaustraße bis zur westlich liegenden B6/Schwanenburgbrücke bliebe fast alles so weit unversehrt. Nur die Wilhelm-Bluhm-Straße 50 bis 56 und der nördliche Bereich der Röttgerstraße würden Sandsäcke benötigen.

Im Herrenhäuser- sowie Georgengarten müssten die Enten und Schwäne durchgängig schwimmen.

Ergebnisse der NLWKN-Neuberechnungen Karte 8
Ergebnisse der NLWKN-Neuberechnungen Karte 8

Karte 8 zeigt im Wesentlichen Limmer. Hier kann man einige gefährdete Gebiete nördlich und südlich der Wunstorfer Straße erkennen. Rund um die Sackmannstraße inklusive der St. Nikolai Kirche, also Alt-Limmer, gäbe es dann eine Insel. Die Hausnummern 35, 41-49, 57, 63-65 und westlich davon hätten Probleme, außerdem auch noch einige Straßen und Gebäude südlich der Wunstorfer Straße.

Die komplette Wasserstadt hätte keine Probleme, das Volksbad Limmer wäre mit mehr Wasser (und Schlamm) als üblich gefüllt. Aber das ist man hier schon gewohnt.

Interessant ist, dass der Westschnellweg nicht mehr nutzbar wäre. Sogar die Schwanenburgbrücke und die Wasserkunst wären unter Wasser.

Gedanken eines 17-Jährigen 1946

Um einen Eindruck zu vermitteln, wie es den Menschen damals direkt nach dem Ende des 2. Weltkrieg im Zusammenhang mit dem Hochwasser erging, hier ein Auszug aus der Quartierreihe „Zeitzeugen berichten“ Heft 2 von Horst Bohne (*1929):

„In der zweiten Januarhälfte 1946 friert es wochenlang, Temperaturen bis minus sechzehn Grad lassen den Boden in der Tiefe erstarren. In den Hochlagen des Harzes war viel Schnee gefallen. In der ersten Februarwoche regnet es dann ununterbrochen, doch der tiefgefrorene Boden kann die Wassermassen nicht aufnehmen. Dazu ergießen sich in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar über dem Stadtgebiet von Hannover wahre Wolkenbrüche. Schmelzwasser aus dem Harz und die jetzigen Regenmassen lassen die Leine über die Ufer treten. Das Stadtgebiet wie auch weite Bereiche des Leinetals werden überflutet. Zehntausende Kanister mit Öl und Benzin werden aus dem Tanklager der Briten auf dem Schützenplatz mitgerissen. Ich kann in Limmer bei der Wasserkunst einen Benzinkanister aus den Fluten bergen und das Benzin bei einem Tabakwarenhändler gegen eine Kiste Zigarren tauschen. Vater bekommt eine Zigarre spendiert, die anderen dienen wieder zu weiterem Tausch gegen Lebensmittel.Die Stadt ist durch das Hochwasser zweigeteilt. Die einzige Verbindung zwischen Linden und Ricklingen auf der Westseite und dem Stadtzentrum und den östlichen Stadtteilen auf der Ostseite über die im Süden gelegene Eisenbahnbrücke der Bahnstrecke Hannover-Hameln. Für mehrere Tage marschiert unser Vater von der Fröbelstraße in Linden über diese Brücke zu seiner Dienststelle in der Kestnerstraße.

Gleich zu Beginn der Hochwasserkatastrophe bleibt eine Straßenbahn auf der überfluteten Spinnereibrücke zwischen Glocksee und Küchengarten stehen. Die Menschen beschließen, die Nacht über dem Wagen auszuharren. Erst steht das Wasser an den Trittbrettern, dann überspült es die Plattform, und schließlich, als der Morgen dämmert, reicht die Flut bis an die Bänke. Fahrer, Schaffner und Fahrgäste werden schließlich am Sonntagmorgen mit einem Sturmboot von der Hilfspolizei aus ihrem nassen Gefängnis befreit. Am Gebäude der Westinghouse Gesellschaft am Goetheplatz wird später eine Markierung anzeigen, bis zu welcher unvorstellbaren Höhe das Wasser hier gestanden hat. Fehlender Strom und fehlendes Gas lassen noch lange Zeit viele Wohnungen dunkel und kalt. Das Kraftwerk Ahlem ist ausgefallen, das Gaswerk an der Glocksee steht unter Wasser und kann erst ein halbes Jahr später wieder in Betrieb genommen werden. Es ist ja noch Winter.“

Digitales Stadtteilarchiv Linden-Limmer, Quartier e. V., Horst Bohne

Zusammenfassung

Diese neuen Daten verdeutlichen, dass die Landeshauptstadt Hannover weitere Maßnahmen vorantreiben muss, was auch in einem Bericht beim Bürgertreff in Ricklingen im Mai dieses Jahres bestätigt wurde. Vorher, mit der Datenlage von 2000, gab es dafür keine Veranlassung. Deshalb darf man diese Veröffentlichung des NWLKN aber auf keinen Fall als Panikmache ansehen, es handelt sich um Informationen.

Karten-Quelle: NLWKN Niedersachsen

Bildnachweis: Martin Illmann, Simon Juretzky, NLWKN