EIN STADTTEILSPAZIERGANG AUF DEN SPUREN DER LINDENER GESCHICHTE GESTERN UND HEUTE
(Eine Broschüre des FZH Linden von 1993)
Ein antifaschistischer Stadtrundgang durch Linden:
Treffpunkt ist die Mühle auf dem Lindener Berg.
Kleingärten, Friedhof – Lindener Stadion – Jugendheim am Lindener Berg, Wasserwerk, Sternwarte (früher Cafe-Haus) – IGS Linden – altes Dorf Linden (Kirche) – Kneipe Rackebrandt (Vereine) – Konkordiastraße (Katholischer Bahnhof) – Küchengarten: Ihmezentrum, Heizkraftwerk, tak, Neugestaltung des Küchengartens – Jacobsstraße: Kurt-Schumacher-Haus – Saalbau Sander – Limmerstraße AWO Ihmeufer – Werner & Ehlers (FAUST e.V.) – Werner-Blumenberg-Haus – Weltliche Schule Fröbelstraße SV Victoria Linden – Garnisonsfriedhof – Freizeitheim Linden; Geschichtskabinett und Arbeiterwohnküche.
Liebe Freundinnen und Freunde des lebendigen Linden!
Stadtrundfahrten sind beliebt und bieten vor allem für Fremde Einblicke in Sehenswürdigkeiten und historische Stätten. Vermittelt wird, was die Geschichtsbücher für würdig halten. Aber es gibt auch eine andere Geschichte: die Geschichte der kleinen Leute, die Geschichte von unten. Sie steht alternativ zur vorherrschenden Geschichtsschreibung. Sie erfasst das, was andere verdrängen oder vergessen machen wollen: Geschichte der Arbeiterbewegung, Geschichte der demokratischen Bewegung, Geschichte des Antifaschismus. 1979 entwickelte das Freizeitheim Linden eine antifaschistische Stadtrundfahrt, daraus entstand ein antifaschistischer Stadtrundgang durch Linden. Es war damit die erste kommunale Einrichtung in der Bundesrepublik Deutschland, die sich auf dieses Feld wagte. Bis 1986 haben daran 6000 Jugendliche und Erwachsene teilgenommen, ganze Schulklassen, Jugendgruppen, Betriebsgruppen, DGB-Gewerkschaften, Delegationen aus dem In- und Ausland und die Ratsfraktion der SPD. Diese Tradition wurde im Herbst 1986 vom Freizeit- und Bildungszentrum Weiße Rose am Mühlenberg übernommen. Damit konnte sich das Freizeitheim Linden verstärkt der Forderung widmen, die seit Langem erhoben wurde: in Linden Stätten zu erkunden, die üblicherweise sonst nicht am Wege liegen. Ziel ist immer, Linden besser kennenzulernen. Da soll der Blick auf eine Vergangenheit frei gemacht werden, die auch von den Menschen im Stadtteil geschrieben wurde. Natürlich kann mit unserem Stadtteilspaziergang und diesem kleinen Stadtteilführer nicht alles erfasst werden, was in Linden von Bedeutung ist Nehmen Sie unser Angebot als kleine Geschmacksprobe, als Aufforderung, selber weiterzuerkunden, was Sie in Linden und seiner Geschichte interessiert. Vielleicht ist unser Literaturhinweis am Ende des Heftes eine weitere Hilfe. Jedenfalls wünschen wir Ihnen Spaß und Gewinn beim Erkunden unseres Stadtteils, über den der Lindener Butjer Fritz Röttger in seinem Lied vom Lindenblatt dichtete: „Wir lieben unser Linden, die Stadt der Industrie; sie ist uns traute Heimat, Lindener Blut vergisst das nie. Wir tragen auf der Brust ein Lindenblatt, denn Linden ist die allerschönste Stadt.“
Ruth Schwake, Leiterin des Freizeitheims Linden
Original Impressum der Broschüre:
Herausgeber: Landeshauptstadt Hannover (Der Oberstadtdirektor), Freizeitheim Linden, Windheimstraße 4, 3000 Hannover 91, Telefon 168-48 95, Redaktion: Hans-Jörg Hennecke (Verantwortlich). Heinz Gremmler, Egon Kuhn, Fotos: Freizeitheim Linden (Archiv). Günter Bergner. Hans-Jörg Hennecke. Karl-Heinz Vach, Satz und Gestaltung: Ayhan Savasir, Druck und Weiterverarbeitung: Offset-Druck und Verlag Clemens Köhler, Harsum.
„Lindener gelten dem restlichen Hannover als derb zupackend, keiner Schlägerei abgeneigt, Unruhestifter – alkoholerfahrene Kneipengänger – hart, aber herzlich und allem Schöngeistigen‘ abgeneigt“.
Bernd Rabe
„Übrigens: Wo Linden heute liegt, steht ganz präzise an der Volkssternwarte auf dem Lindener Berg: Geografische Länge 09° 42´ 24″,83; geografische Breite 52° 21´49″,83; Hannover liegt anderswo.“
Jens Oberheide
Gerichtsstätte unter der Linde
Es soll um das Jahr 1100 gewesen sein, als Graf Wittekind von Schwalenberg einen Lindenbaum an der Ihme zur Gerichtsstätte erkor. So einfach lässt sich der Namensursprung unseres Stadtteils erklären, obwohl es dann doch etwas schwieriger war, bis das Dorf Linden vor den Toren Hannovers entstand. Jedenfalls hatten die Hannoveraner die strategische Bedeutung des Lindener Berges frühzeitig erkannt und an seiner höchsten Stelle einen Wehrturm errichtet (1392). Im 30-Jährigen-Krieg (1618-48) erreichte Tilly mit seinen Truppen diese Stelle, um von hier Hannover zu erobern (was ihm nicht gelang, die Schweden und Verbündeten waren schon da). Nach diesem Krieg wurde der Wehrturm zu einer Mühle umgebaut, die hat ihre mahlende Produktion zwar längst eingestellt, ist aber dennoch ein beliebter Treffpunkt geblieben. Der Biergarten ringsherum lockt im Sommer Tausende an.
Naturheilverein Prießnitz
Nur einen Steinwurf entfernt, in der Kleingarten-Kolonie „Lindener Alpen“, residiert seit über 100 Jahren der Naturheilverein Prießnitz. Gegründet vor allem von Lindener Arbeiterfamilien, um der Enge ihrer tristen Wohnungen zu entfliehen. Die spannende Geschichte des Vereins wurde als Teil der Lindener Geschichte von einer Projektgruppe des Freizeitheims Linden aufgearbeitet und als Dokumentation herausgegeben. Auch heute noch lädt Prießnitz zur Einkehr und Erholung.
Lindener Bergfriedhof
Das Lindener Wappen
Kleingärten
Jugendheim am Lindener Berg
1913 kaufte der Bettenfabrikant Werner das Gebäude und schenkte es der Stadt Linden für die „national gesinnte“ Jugend. Es war der erste Jugendtreffpunkt in Linden (auch Hannover hatte noch keinen). Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Jugendheim vor allem zum Treffpunkt der Sozialistischen Arbeiterjugend. Der spätere IG-Meta1l-Vorsitzende Otto Brenner leitete hier das Kabarett „Rote Ratten“. Ab 1931 nutzte die Stadt das Haus für arbeitslose Jugendliche. 1933 übernahm die NSDAP das Haus und stellte es der Hitlerjugend zur Verfügung. 1946 waren Gruppen der „Falken“ im Haus. Gewerkschaftsjugend und Sportjugend kamen hinzu. Zeitweilig wurden Teile des Gebäudes zum Kindergarten.Inzwischen hat sich das Bild geändert. Geprägt wird das Haus nun vor allem durch den Jazz-Club und das Mittwoch-Theater, zwei Einrichtungen, die das Haus über Hannover hinaus bekannt gemacht haben. Außerdem wird das Haus von den Naturfreunden und den Fußballern von Linden 07 genutzt.
Die Volkssternwarte
Volkssternwarte am Lindener Berg
Das alte Dorf Linden
Geht man die Straße hinunter in Richtung IGS und Martinskirche, fallen einige interessante ältere Häuser auf. Die ältesten stammen noch aus dem alten Dorf Linden, das hier seinen Ursprung hatte. Es war rein landwirtschaftlich ausgerichtet.
Martinskirche: Sie war Dorfzentrum (erste geschichtliche Erwähnung 1285). Der historische Bau wurde mehrfach zerstört: im 30-Jährigen-Krieg und im 2. Weltkrieg. Gegenüber an der Hauswand ist ein besonders schönes Lindener Wappen zu sehen: die Linde mit dem Löwen auf blauweißem Grund.
Arm und Reich im alten Linden
lassen sich unschwer an Gebäuden ausmachen. Wir gehen an der füheren Gaststätte Rackebrandt vorbei und kommen in die Beethovenstraße. Hier (und auch am Lichtenbergplatz) sieht man den Häusern an, dass sie (um die Jahrhundertwende) für die Minderheit der bessergestellten Lindener errichtet wurden. Die Wohnungen sind hoch und groß (über 100 qm). Der Kontrast steht in unmittelbarer Nähe (z.B. Konkordiastraße). Um die Mitte des 19. Jahrhunderts reichten enge Backsteinbauten mit Hinterhäusern für die Lindener Arbeiterschaft. Ein besonderes Beispiel dafür ist die ehemalige Siedlung „Klein-Rumänien“, Arbeiterhäuschen auf dem Hanomag Gelände. So verschmolzen Arbeitsplatz und Lebensumfeld zu einer bedrückenden Einheit.
Katholischer Bahnhof
Im Hinterhof Konkordiastraße 15 hatten katholische Zuwanderer aus dem EichsfeId die Konkordia-Säle, das katholische Vereinshaus, errichtet. Der Volksmund nannte den Bau „Katholischer Bahnhof‘. 1946 beherbergte er eine wichtige Konferenz zur Gründung der Einheitsgewerkschaft DGB. Und diese neue Gewerkschaftsform war anfangs nicht unumstritten. Zudem mussten alle organisatorischen Schritte von der britischen Militärregierung genehmigt werden.
Im ehemaligen katholischen Vereinshaus befinden sich heute Privatwohnungen.
Theater am Küchengarten
Der Lindener Butjer
Vom tak gehen wir entlang der Lindener Brauerei die Stephanusstraße bis zur Gartenallee und biegen links in die Minister-Stüve-Straße ein. Hier ist der leibhaftige Lindener Butjer, ein Kunstwerk, aus Anlass des 100. Jubiläums der Lindener Volksbank von Ulrike Enders geschaffen.Der Begriff „Butjer“ hat in Hannover eine lange Tradition. Früher wurden all jene damit bezeichnet, die „von buten ankamen“, also von außen in die Stadt gelangen. Und das waren dann die Butjer, abwertend gemeint. Die Lindener machten aus dem Schmähbegriff aber eine Art Ehrentitel. Man wollte durchaus anders sein, sich von den Stadt-Hannoveranern abgrenzen und war deshalb stolz ein „Lindener Butjer“.
Jacobsstraße 10 / Büro Dr. Schumacher
Da das Gewerkschaftshaus und das Volksheim in der Stadtmitte durch Bomben zerstört waren, richteten Sozialdemokraten 1945 in der Jacobsstraße 10 ihr Büro ein. Hier residierte Dr. Kurt Schumacher, der spätere Partei vorsitzende der SPD. Das Büro blieb bis zur Parteigründung im Mai 1946 in der Jacobsstraße. Erst danach fand der Umzug in die Odeonstraße statt. Ebenfalls im Haus Jacobsstraße 10 befand sich in der Wohnung des Tänzers Maxim Bosse das Parteibüro der KPD.
Dr. Kurt Schumacher, in Westpreußen geboren, Reichstagsabgeordneter aus Württemberg („Der Nationalsozialismus ist der Appell an den inneren Schweinehund“) kam nach der Entlassung aus dem KZ nach Linden, weil seine Schwester hier wohnte. Er arbeitete bis zum Kriegsende bei der Firma Sichel.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Erwin SchoettIe erinnert sich an seine erste Begegnung mit Kurt Schumacher in Hannover. Anfang Oktober 1945 war er gemeinsam mit Erich Ollenhauer und Fritz Heine aus dem englischen Exil nach Deutschland zurückgekehrt (während Werner Blumenberg keine Heimkehrmöglichkeit aus Holland erhielt).
„Unsere erste Berührung war der Besuch in der Jacobsstraße in Hannover im Büro Schumacher, wie damals die Organisationszentrale der sozialdemokratischen Partei sich nennen musste, weil die Besatzungsmacht einen anderen Namen nicht erlaubte. Dort sahen wir Kurt Schumacher zum ersten Mal nach 12 Jahren wieder. Für mich, der ich als Stuttgarter Parteisekretär bis in die Illegalität hinein mit Schumacher eng zusammengearbeitet hatte, war diese Begegnung ein erschütterndes Erlebnis, aber auch zugleich eine große Hoffnung, dass hier eine politische Elementarkraft am Werke war, die noch ungeordneten Reihen der Partei zusammenzufassen und ihr eine geistige Führung zu geben. Anderntags, am 5. Oktober 1945, fuhren wir nach Kloster Wennigsen. Dort versammelten sich in einem nicht gerade schönen, aber doch unzerstörten Wirtshaussaal die sozialdemokratischen Delegierten. Es war zunächst ein einziges großes Wiedersehen fest von Überlebenden aus der großen Katastrophe des 3. Reiches. Die ersten Fäden zu den alten Wirkungsstätten in der Partei wurden geknüpft, Erinnerungen ausgetauscht; Fragen nach anderen alten Freunden, nach den Angehörigen, nach dem Verbleib dieses oder jenen braven Mitstreiters aus der Zeit vor 1933 gestellt und beantwortet. Und so schloss sich über alle Verbote und Gebote der Besatzung hinweg um die Teilnehmer dieser ersten Konferenz das Band einer gemeinsamen Gesinnung, die unzerstörbare Grundlage der neuen Parteiorganisation.“
Volksheim an der Gartenallee (Saalbau Sander)
1902 wurde an der Gartenallee Ecke Jacobsstraße das Volksheim errichtet, als Vereinsheim des Arbeiterbildungsvereins von 1895 zu Linden. Das Volksheim war Treffpunkt der Arbeiterbewegung und der Lindener Kulturvereine. Nach 1918 wurde das Haus vom Arbeiterbildungsverein an die Stadt Hannover verkauft (1922). Das Volksheim war danach unter dem Namen Saalbau Sander bekannt. Nach 1933 wurde hier eine Art Berufsschule eingerichtet. Das Gebäude fiel im 2. Weltkrieg den Bomben zum Opfer und wurde nach 1945 nicht wieder errichtet.Um 1956 begann vor allem der Kulturkreis Linden (Fred Grube), ein neues Volksheim zu fordern. Daraus entstand schließlich die Planung, das Freizeitheim Linden zu bauen.
Leinertbrücke 1920 wurde Linden mit Hannover vereinigt (eingemeindet). Nach dem damaligen hannoverschen Oberbürgermeister Robert Leinert (SPD) wurde die Brücke benannt. Im Ausgleich wurde auch der damalige Lindener Bürgermeister Lodemann mit einer Brücke „bedacht“. Sie befindet sich in der Masch, in der Nähe des Stadions.
Das Heizkraftwerk
Von vielen Lindenern scherzhaft die drei warmen Brüder genannt.
Ihme-Zentrum
Lindener Platt
Auf dem Gelände des Ihmezentrums stand die 1858 erweiterte Mechanische Weberei (Lindener Samt). Diese und die 1855 errichtete Spinnerei zogen als größte Arbeitgeber Lindens besonders Arbeitskräfte aus Sachsen an. Die Vermischung mit dem Calenberger Idiom ergab das spezifische Lindener Platt.
Küchengarten / Limmerstraße
Jahrelang war der Küchengarten ein bedeutender Platz in Linden. Durch gravierende bauliche Veränderungen im Zuge der Sanierung Lindens ist er als Platz nicht mehr erkennbar. Wenn alle Sanierungspläne der Verwaltung hätten durchgesetzt werden können, wäre auch die Limmerstraße nicht wiederzuerkennen. Nach einem Plan (Göderitzplan) sollte sie gar vierspurig ausgebaut werden.
Ohne Zweifel: Die Sanierung des Stadtteils Linden war dringend erforderlich. Eine Bestandsaufnahme in den 60er-Jahren zeigte: Abgesehen von einigen Straßen und Plätzen in Linden-Mitte, lagen die Durchschnittsgrößen der Lindener Wohnungen weit unter dem Niveau der Stadt Hannover. Fast die Hälfte der Wohnungen hatte keine Toilette, weit über die Hälfte hatte kein Bad. In 90 % der Wohnungen fehlte die Heizung, 60 % aller Lindener Wohnungen waren vor 1918 gebaut. Im Bereich der Infrastruktur machte sich schmerzlich bemerkbar, dass viele öffentliche Einrichtungen, insbesondere für Kinder, Jugendliche und Alte, fehlten. Hinzu kam der wirtschaftliche Niedergang des Stadtteils. Viele Betriebe hatten geschlossen oder waren verlagert worden. Das drastischste Beispiel dafür ist sicherlich der Niedergang des Traditionsbetriebs Hanomag, der in besten Zeiten mehr als 10 000 Menschen beschäftigte. Trotz dieser Misere ist festzuhalten, dass Lindens Sozialgefüge intakt war. Es gab nach wie vor starke Nachbarschaftsbeziehungen. Die Identifikation mit Stadtteil und Straße war außerordentlich groß. Sinnvoll und menschengerecht sanieren und dennoch das Sozialgefüge erhalten, das wäre Aufgabe für eine notwendige bauliche Veränderung des Stadtteils gewesen. Währenddessen setzte allerdings die Verwaltung auf Flächensanierung. Abriss ganzer Straßen {wie am Beispiel der Fanny- und Mathildenstraße geschehen), zugunsten von Riesenbauwerken (z.B. Ihmezentrum) rief Widerstand hervor. Er ging im besonderen Maße ab 1972 und 1973 von Bürgerinitiativen in Linden-Süd und Linden-Nord aus.
Der Kampf dieser Bürgerinitiativen und der betroffenen Lindenerinnen und Lindener hat dazu geführt. dass mancher Plan der Verwaltung glücklicherweise in der Schublade blieb. Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass die Sanierung für den Stadtteil Linden, für seine Straßen und Häuser vieles gebracht hat. Er brachte aber auch erhöhte Mietpreise, ein Aufbrechen der Sozialstruktur und eine nachhaltige Vertreibung vieler Bürgerinnen und Bürger, die ins Umland umsiedeln mussten.
Die ehemalige Bettfedernfabrik Werner & Ehlers
Werner-Blumenberg-Haus, Pfarrlandstraße
Diese Wohnanlage ist nach dem Sozialdemokraten und Redakteur der Zeitung „Volkswille“ Wemer Blumenberg (1900-1965) benannt. Bis zu seiner Flucht nach Holland am 17. 8. 1936 leitete er die „Sozialistische Front“, die bedeutendste Widerstandsgruppe gegen den Faschismus in Hannover.
Diese Legendentafel findet sich an dem Haupteingang der Seniorenwohnanlage, die 1974 nach Werner Blumenberg benannt wurde. Damit wird das Vermächtnis eines Mannes geehrt. der mit mehr als 1000 Gesinnungsgenossen ab 1933 mutig den Widerstand gegen den Faschismus aufnahm. Die Sozialistische Front war im gesamten Deutschen Reich die größte sozialdemokratische Widerstandsorganisation. Ihr Widerstand gegen Faschismus war Protest gegen Hinhalte- und Abwartepolitk der SPD-Führung. Unter Beachtung konspirativer Regeln (die Sozialistische Front arbeitete nach dem System von 5er-Gruppen) wurden vor allem Flugblätter hergestellt und verbreitet. Ab 1934 bis Mitte 1936 erschienen rund 40 Ausgaben der „Sozialistischen Blätter“, die jeweils eine Auflage von bis zu 1000 Exemplaren erreichten. Die stärksten Einheiten der Sozialistischen Front existierten in Linden. Sie wurden von Bernhard Furch (Linden-Süd), Erich Kunze (Linden-Mitte) und Willi Wendt (Linden-Nord) geleitet. 3 Jahre lang konnte diese erfolgreich Widerstandsarbeit gegen den Faschismus leisten. Dann gelang es der Gestapo, einen Spitzel in die Organisation einzuschleusen. Er enttarnte die Führer der Sozialistischen Front. Werner Blumenberg konnte sich in letzter Minute nach Holland in Sicherheit bringen. Es folgte eine Verhaftungswelle, bei der etwa 300 Personen festgenommen wurden. Sie wurden in großen Prozessen wegen“ Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt. Viele mussten jahrelange Haft in Gefängnissen, Zuchthäusern und Konzentrationslagern erdulden. Manche überlebten die Torturen nicht. In Linden erinnern neben dem Werner-Blumenberg-Haus zwei Straßen an Kämpfer der Sozialistischen Front: Wilhelm-Bluhm-Straße und Franz Nause Straße.
Eine detaillierte Geschichte des Kampfes der Sozialistischen Front findet sich in einer Dokumentation des Freizeitheims Linden: Werner Blumenberg.
Weberhäuser an der Velvetstraße
Lange bevor das Werner-Blumenberg-Haus errichtet wurde, wohnten zwischen Velvet- und Pfarrlandstraße Weber-Familien in kleinen Häuschen. Sie wurden schließlich als nicht erhaltungswürdig eingestuft und restlos abgerissen. Unser Foto zeigt, wie es früher hier ausgesehen hat.
St. Benno Kirche Offensteinstraße
Weltliche Schule Fröbelstraße
(ehemalige Albert-Schweitzer-Schule / jetzt Wohnprojekt)
Weltliche Schulen waren nach dem 1. Weltkrieg die Antwort von freigeistigen Anhängern der Arbeiterbewegung auf die Pauk- und Prügelschulen des Obrigkeitsstaates. Sie fassten ursprünglich jene Schülerinnen und Schüler zusammen, die vom Religionsunterricht abgemeldet waren. 1922 kam es in Linden in der Fröbelstraße zur ersten weltlichen Schule, die inoffiziell den Namen „Pestalozzischule“ trug.
Der ehemalige Lehrer der weltlichen Schule Petristraße, Willi Henkel, erläuterte: „Was man unter der weltlichen Schule verstand, war nicht nur eine weltliche Schule, sondern eine absolute pädagogische neue Tat unter dem Motto: Schule in das Leben stellen, das Leben in die Schule tragen. Dahinter stand eine pädagogische Revolution. Bis die weltliche Schule kam, hatten wir ja in Preußen und überhaupt im ganzen Deutschen Reich eine mehr oder minder dominante kaiserliche Schule. Die gesamte Zielsetzung der Schule war in ihrem Aufbau und in alldem, was sie lehrte, nicht demokratisch, sondern autokratisch, und die Forderung nach Weltlichkeit der Schule war lediglich ein Bruchstück aus dem gesamten Gebiet der Erneuerung im Sinne einer demokratischen Erziehungsrichtung. Sie war gereift durch eine geschichtliche Entwicklung der pädagogischen Überlegungen. Bereits Anfang dieses Jahrhunderts gab es weite Kreise, die empfanden, dass die damals ausgeübte Erziehung in der Schule den Notwendigkeiten unserer Zeit nicht mehr gerecht wurde.“ (Aus der Dokumentation“ Weltliche Schule Fröbelstraße“ des Freizeitheims Linden).
Die weltlichen Schulen hatten nur eine kurze Lebensdauer. Sie wurden 1933 von den Nazis verboten. Im Ergebnis des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ wurden die Lehrer verhaftet, entlassen oder versetzt, die Schüler auf andere Schulen verteilt. Noch heute treffen sich ehemalige weltliche Schülerinnen und Schüler jährlich im Freizeitheim Linden zum „Schultreffen“.
Lindener im Verein
Eine Geschichte über den TSV Victoria Linden: Unsere Familie heißt Victoria
Sie sind das, was man bei uns gestandene Lindener Butjer nennt. Zudem haben sie noch ein gemeinsames Markenzeichen: den Sportverein Victoria Linden. Diesem Verein, der mit dem ledernen Rugby-Ei internationale Bedeutung erlangte, gehört ihre Liebe. Und sie, das sind vier von den 3000 Mitgliedern, die es immer wieder zum Sportplatz an der Fösse zieht: Marga Kemmling, Walter Frieling, Edmund Neumann und das älteste Vereinsreitglied Hermann Meyer. Hermann Meyer ist seit 1917 bei Victoria eingeschrieben.Eine Frau beim Rugby – wie kommt denn so etwas? Marga Kemmling ist über die Frage nicht erstaunt. „Indem man in der Kochstraße wohnt und einen großen Bruder hat. Und dieser große Bruder spielt Rugby, muss aber seine kleine Schwester betreuen. So wurde ich in die Kinderkarre gesetzt und später an die Hand genommen. Und dann wächst man in einem Verein auf. Da steht man schließlich an der Barriere, und in der Handballmannschaft fehlt eine Spielerin. Also heißt es: Mädchen, zieh dich um, du musst spielen.“Viktoria Linden Aha – da gibt es mehr als Rugby? Handball, Korbball, Leichtathletik und Gymnastik haben längst einen festen Platz im Verein, aber Rugby bleibt die Nummer 1. Auch bei Marga Kemmlings Söhnen – alle vier hat es zum Rugby bei Victoria gezogen. Und ihre beiden Mädchen wurden Korbballerinnen. „Meinen Mann habe ich übrigens auch bei Victoria kennengelernt“. Also eine komplette Victoriafamilie. über die Familie sind auch andere zu Victoria gekommen.
Walter Frieling erinnert an seine Kindheit in der Zeit des 1. Weltkriegs und danach: „Meine Eltern hatten einen Kleingarten an der Fösse, neben dem Sportplatz. Sonntags gingen wir dahin, dann wurde Kaffee gekocht. Was anderes konnte man sich ja nicht leisten. Und die aus den Kleingärten ringsum waren alle bei Victoria. So sind wir Kinder auch dazugekommen. „Dass der Platz in den Anfangsjahren keine sanitären Anlagen und keine Ausstattung hatte („selbst die Goalstangen mussten zum Spiel herangetragen werden“), störte kaum. So wurden Bier und Brause aus den Kleingärten herbeigeschafft. Und alles, was getan und geschaffen wurde, war selbstverständlich ehrenamtliche Arbeit der Mitglieder. Für den Verein, ihre große Liebe, gaben viele alles.
Edmund Neumann: „Wir hatten Sommerfeste, Stiftungsfeste, Maskeraden, Weihnachtsvergnügen – der Verein war also mehr als nur der Sport.“ Gefeiert wurde in der Schwanenburg und auch im Limmerbrunnen. Vergnügungen, die im Leben der zumeist schlecht bezahlten Lindener einen hohen Stellenwert hatten.
„Wir konnten uns gar nichts erlauben. Diese Veranstaltungen waren das Schönste überhaupt im Jahr“, erinnert sich Walter Frieling. Das schaffte enge Verbundenheit.
Marga Kemmling: „Wir haben unsere Wochenenden auf dem Sportplatz verbracht. In der Nachkriegzeit brachten wir jeder ein Brikett mit, damit wir uns im Klubheim aufhalten konnten. Wir hatten unsere Gemeinschaft da; wir hatten unsere Freunde da, wir haben getanzt und gesungen. Wir hielten zusammen, wir gehörten auch zusammen. Das war nicht nur ein Verein, das war eine erweiterte Familie.“ Und diese Familie hatte Zentren im Stadtteil: zuerst die Straßen um den Kötnerholzweg und dann die Kochstraße.
„Wir waren eine Clique. Von uns 15 Spielern aus der Mannschaft kamen sonntags immer zwölf zusammen, um tanzen zu gehen“, berichtet Walter Frieling.
Und Edmund Neumann erzählt von den größten Reisen, die sie damals unternahmen: „Wir fuhren nach Varel zum Spiel. Und das ging so: Unser Bierverleger rüstete seinen Wagen um. Da kamen Holzpritschen drauf und eine Plane, und dann ging es ab nach Varel. Da hat keiner nach Komfort gefragt.“
„Für Varel“, erklärt Hermann Meyer aus seinen Erfahrungen, „war es eine Sensation, wenn Victoria kam. Die hatten da auch eine bekannte Mannschaft“.Was schon frühzeitig zum Problem wurde: Große Vereine kauften talentierte Spieler auf.
Edmund Neumann: „Die Vereine haben die Jungs hochtrainiert, und dann gingen sie weg. Dadurch sind manche Vereine eingegangen.“Was Sportler damals in den „kleinen“ Vereinen ertragen mussten, weiß Hermann Meyer noch sehr genau: „Wenn ein Spiel war, mussten sich die Sportler am Kötnerholzweg in einer Kneipe umziehen. Da standen Waschschalen, auf dem Platz war nichts.
„Rugby ist immer noch Nr.1″
Obwohl wir auch andere Abteilungen haben, die gut besucht sind“, bemerkt Marga Kemmling, „Korbball zum Beispiel, wird sehr lange schon bei uns gespielt. Und da haben wir einen guten Nachwuchs, auch eine sehr gut besuchte Kleinkinderabteilung. Viele Kinder kommen auch zum Kleinkinderturnen in die Fröbelstraße. Außerdem haben wir wieder eine Leichtathletikabteilung, hauptsächlich Marathonläufer. Ich selbst leite die Hausfrauengymnastik. Da machen 30 Frauen mit.“ Stärksten Zulauf hat das jüngste Victoria-Kind: die Wirbelsäulengymnastik. (Aus der „Lindener Freizeitheim Zeitung“)
Deserteure im 2. Weltkrieg
„Todesursache: Vollstreckung des Todesurteils“Unscheinbare Gräber sind es, die Klaus Falk von der DFG/VK auf dem Fössefriedhof fand. Und doch ein wichtiges Stück Zeitgeschichte, Dokument der Brutalität des Faschismus. Deutsche Soldaten hingerichtet, weil man ihnen Fahnenflucht oder Wehrkraftzersetzung vorwarf. Was es mit den Gräbern auf dem Fössefriedhof auf sich hat, berichtet Klaus Falk: „Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Bz. Hannover, hat uns mitgeteilt, dass auf dem ehemaligen Garnisonfriedhof (Fössefriedhof) auch Soldaten bestattet sind, die wegen Desertion bzw. Wehrkraftzersetzung“ verurteilt und hingerichtet worden sind.
Auf einem besonders abgegrenzten Gräberfeld haben wir die Gräber der Soldaten
- Hubert Breitschaft, geb. 11.11.1903 in Cham (Wetterfeld/Roding/Oberpfalz) hingerichtet am 12.12.1944 in Hannover/Vahrenheide
- Karl Weinmann, geb. 19.5.1895, aus Speyer, hingerichtet am 29.12.1944 in Hannover/Vahrenheide
- Hans Ciesielski, geb. 10.5.1920, hingerichtet am 30.12.1944 in Hannover/Vahrenheide
gefunden.
Breitschaft und Weinmann wurden wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt und waren bis zur Vollstreckung des Urteils im Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Hannover (Waterlooplatz 9) inhaftiert. Zu Ciesielski sind uns keine Informationen bekannt, außer dass er gemäß Gerichtsurteil erschossen wurde.
In dem entsprechenden Gräberfeld sind die o.g. drei Soldaten fast hintereinander bestattet worden. Dies erklärt sich u.a. sicherlich auch aufgrund der kurz hintereinander erfolgten Hinrichtung. Da das Gräberfeld von den Grabstätten der anderen Soldaten deutlich abgegrenzt ist (3 Reihen mit insgesamt 36 Gräbern), drängt sich die Frage auf, ob die anderen dort bestatteten Soldaten durch deutsche oder „Feindeshand“ zu Tode gekommen sind. Zumindest die beiden dort bestatteten Franzosen (Belgier?) sind vermutlich durch deutsche Hand zu Tode gekommen (als Kriegsgefangene?). Alle Grabsteine in diesem Gräberfeld tragen im Gegensatz zu den anderen Soldatengräbern keinen Dienstgrad. Vor Hinrichtungen wurden diese aberkannt.
Angesichts der doch großen Zahl von zum Tode verurteilten Soldaten und der tatsächlich vollstreckten Todesurteile, muss davon ausgegangen werden, dass alle Soldaten in dem betreffenden Feld hingerichtet worden sind.
Bei der Größe der Garnison Hannover, die auch der Standort eines Wehrmachtsuntersuchungsgefängnisses war, muss man von einer ähnlichen Größenordnung wie in Kassel nach den Untersuchungen von Prof. Kammler ausgehen.
Das Freizeitheim Linden
begrüßt Sie herzlich zum Abschluss des Stadtteilspaziergangs. Einige Worte zum Freizeitheim selbst:
Dieses Haus wurde am 28. Januar 1961 als Erstes seiner Art vom damaligen hannoverschen Oberstadtdirektor Wiechert „in Obhut der Verwaltung“ genommen. Es verdankt seine Existenz vielfältigen Initiativen. Insbesondere ist hier der „Kulturkreis Linden“ zu nennen. Er griff die Raumnot vieler Lindener Vereine und das Bedürfnis nach einem örtlichen Treffpunkt auf. Ein Stadtteilkulturzentrum sollte entstehen, das sich historisch durchaus an das Volksheim/Saalbau Sander (Gartenallee) orientierte. Bei der hannoverschen Verwaltung fand die Initiative schließlich Zustimmung, weil man sich sehr wohl der Tatsache bewusst war, dass Linden bis zu diesem Zeitpunkt immer noch der Hinterhof Hannovers war, d.h. der Stadtteil Linden war in vielfältiger Hinsicht in den Nachkriegsjahren schlechter ausgestattet worden als die übrige Stadt. In die Planung des Freizeitheims wurde der Kulturkreis Linden einbezogen. Allerdings wurde so gut wie nichts von dessen Vorschlägen realisiert. Die Verwaltung plante allein. Ergebnis: viel Kritik, schon von Beginn an. So gab es Kritik am Standort hier an der Peripherie in Linden-Nord. Es gab Kritik an dem Zuschnitt der Räumlichkeiten, an der Größe des Saals, an den Arbeitsmöglichkeiten für Vereine und Verbände. Bauliche Qualifikationsmängel sind gerade jetzt nach über 30 Jahren nicht mehr zu übersehen. Dennoch: Das Freizeitheim Linden hat anerkanntermaßen eine erfolgreiche Arbeit geleistet. 1986 erhielt es durch die Kulturpolitische Gesellschaft e.V. die Auszeichnung für soziale Kulturarbeit, die erstmalig für stadtteilorientierte und zielgruppenbewusste Arbeit zur Entwicklung demokratischer Kultur und Projekte des Stadtteils verliehen wurde. Von Anfang an verstand sich das Freizeitheim Linden als soziokulturelles Zentrum. Die Voraussetzungen für diese Arbeit waren sehr günstig, zumal gestandene Vereine der ehemaligen Arbeiterbewegung und Arbeiterkultur in Linden die Grundlage für diese Arbeit leisten konnten. Die ersten Seniorenklubs wurden bereits 1961 im Freizeitheim entwickelt. Das Problembewusstsein für Stadtteilgeschichte, die Problematik der Sanierung, entstand durch Abriss der Fanny und Mathildenstraße und der ehemaligen Weberhäuser Velvetstraße. Neben der Geschichtsaufarbeitung entwickelte eine Arbeitsgruppe 1968 das erste Butjerfest. Vereine und Gruppen entwickelten im Rahmen des Butjerfestes eine neue Festkultur im Stadtteil. Die Ansätze einer Stadtteilkulturarbeit gab es bereits in der Weimarer Republik. Schon damals war die Arbeiterkulturbewegung mit ihren vielen Vorfeldorganisationen Multiplikator im Stadtteil. In den letzten Jahren entstand eine Vielzahl von Projekten im Rahmen der Lindener Geschichtswerkstatt im Freizeitheim Linden. Mehrere umfangreiche Dokumentationen, die Sie im Freizeitheim für 5 DM erwerben können, legen Zeugnis dafür ab. Dennoch merken wir an, dass das Freizeitheim Linden nur einen Teilbereich der Kulturarbeit im Stadtteil abdecken kann. Eine Vielzahl von Initiativgruppen und Zentren leistet ebenfalls einen aktiven Beitrag zur Stadtteilkulturarbeit. Hier sei im besonderen Maße die Tätigkeit von FAUST e.V., BAKu e. V. und der Medienwerkstatt Linden erwähnt.
Arbeiterwohnküche im Freizeitheim Linden
Wie die Menschen früher gelebt habenZu den bekanntesten Dauerausstellungen des Freizeitheims gehört zweifellos die Arbeiterwohnküche im Untergeschoss. Hier wird die Frage zum Anfassen beantwortet, wie die Menschen in unserem Stadtteil in den Zwanzigerjahren gelebt haben. Was Kinder unserer Zeit dabei empfinden, lässt sich im umfangreichen Gästebuch nachlesen: „Ich fand die alte Küche sehr interessant. Das Geschirr war aus Porzellan, ich fand das schön.“ „Die Küche ist interessant und schön, das Waschen war sehr schwer.“ „Besonders interessant fand ich das Waschbrett und das Rasier-Set, die Lockenwickler.“ Und dazu viele herzliche Worte des Dankes an Anni Röttger, die „Mutter“ der Arbeiterwohnküche.
Die Idee kam bei einer Fahrt nach Hamburg 1983. In der damaligen Kampnagelfabrik wurde die Ausstellung „Arbeiterkultur in Hamburg um 1930“ gezeigt. „Eine richtige Arbeiterwohnküche, wie sie wirklich ausgesehen hat – das brauchen wir im Freizeitheim“, meinte Anni zu ihrem Mann Fritz Röttger, unserem unvergessenen Lindener Butjer. Und „Wenn wir nach Hause kommen, fange ich an und baue eine Arbeiterwohnküche auf.“ Und die sollte so sein, wie es Anni in ihrer Kindheit in der Mathildenstraße selbst erlebt hat. Dann begann eine lange und mühsame Kleinarbeit; Umfragen, wer noch Gegenstände aus jener Zeit besaß. „Alles original aus den Jahren zwischen 1920 und 1930. Manchmal war ich tagelang für ein einziges Stück unterwegs.“ Es freut Anni Röttger im Nachhinein. Ihr schönster Lohn: der Besuch von Gruppen, vor allem Schulklassen. „Die sind ganz verzaubert. Die Kinder meinten dann, ich sei ihre Oma.“