Anlässlich des von Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay vorgestellten Velo-Routen-Konzepts hat Punkt-Linden am 27. Juli 2020 eine Umfrage zum Zustand der Radwege in Linden-Limmer gestartet.
Wir baten euch, uns Stellen zu nennen, über die ihr euch besonders ärgert und an denen aus Eurer Sicht etwas geändert oder repariert werden sollte. Für bessere Lesbarkeit haben wir den Artikel nach Stadtteilen und in mehrere Teile gegliedert. In den ersten drei Teilen haben wir die Ergebnisse für Linden-Nord, –Mitte und –Süd vorgestellt. Im vierten und letzten Teil möchten wir euch nun das Ergebnis für Limmer präsentieren.
Hinweise
- Da uns eure Mitteilungen in sehr unterschiedlicher Form erreichten und um Mehrfachnennungen zusammen zu führen, haben wir diese zusammengefasst.
- Wir (Punkt-Linden) haben auch ein paar Stellen beigesteuert, die uns selbst aufgefallen sind.
- Wir haben bewusst nicht hinterfragt, ob die genannten Stellen den verkehrs- oder baurechtlichen Normen entsprechen. Das könnten wir als Laien gar nicht beurteilen.
- Nicht mit aufgenommen haben wir Konzepte für größere Neu-/Umbauprojekte. Diese würden den Rahmen dieses Beitrags sprengen.
- Der Vollständigkeit halber: Einige Stellen liegen nicht direkt im Stadtbezirk, sind aber für Linden-Limmers Fahrradverkehr von besonderer Bedeutung.
Am Lindener Hafen: Ins Nirvana und dann links
An der Kreuzung Am Lindener Hafen/Eichenbrink wurde eine separate Fahrrad-Abbiegespur mit Wartebereich zum Abbiegen vom Lindener Hafen in den Eichenbrink angelegt. Fährt man auf dem zusammen mit dem Gehweg verlaufenden Radweg und möchte links abbiegen, wird man nicht zu dieser Abbiegespur geführt. Zur Benutzung der Linksabbiegerspur muss man die Einmündung der Liepmannstraße nutzen, um den Radweg zu verlassen und die Fahrbahn kreuzen. Ortsfremde werden zwangsläufig die Linksabbiegerspur übersehen, dem Radweg weiter folgen und an der Fußgängerampel ankommen, um dann ggf. zwei statt einer Ampelphase zu warten.
Eichenbrink: Einschneidend
Auf dem Eichenbrink führt ab der Kanalbrücke in Richtung Linden-Nord nur ein schmaler, per Fahrbahnmarkierung abgeteilter Streifen als gemeinsamer Geh- und Radweg durch die schlecht einsehbare Kurve. Die abgenutzten Markierungen zeigen, dass Autos diesen Streifen oft schneiden. Benutzende laufen Gefahr, von hinten angefahren zu werden.
Vorschlag: Dieser „Todesstreifen“ müsste erheblich verbreitert werden. Eigentlich gehört hier ein richtiger Weg hin. Platz wäre genug vorhanden. Absperrbaken oder Leitplanken könnten das Schneiden verhindern.
Siehe auch: Eichenbrink in Limmer: Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht
Harenberger Straße: Noch schnell zum Kiosk?
Der stadteinwärts führende Radweg in der Harenberger Straße endet abrupt vor einem Kiosk kurz an der Einmündung in die Wunstorfer Straße. Hier steht ein Fußwegschild mit Zusatz „Radfahrende frei“. Durch die Enge kommen sich hier Radfahrende und Gehende ins Gehege.
Vorschlag: Der Radweg muss auf die Fahrbahn eingefädelt werden oder zumindest deutlich vor der Engstelle enden.
Brücke über Leine-Wehr: Ein Treppenwitz?
Die Brücke über das Leinewehr ist eine viel genutzte Verbindung zwischen Linden-Limmer und Herrenhausen-Stöcken. Sie ist auch am Heinrich-Kollmann-Weg als Fahrradroute beschildert. Nur muss auf der Herrenhäuser Seite eine steile Treppe überwunden werden, die gefährliche Beschädigungen aufweist. Hier kann man regelmäßig beobachten, wie sich Radfahrende mit ihren Rädern abplagen.
An beiden Enden der Brücke mahnen Schilder: „Betriebsgelände der Wasser- u. Schifffahrtsverwaltung des Bundes – Benutzung strompolizeilich verboten“. Zusatzschilder räumen jedoch ein: „Fußgänger auf eigene Gefahr frei“. Wie das mit der Beschilderung als Fahrrad-Route zusammenpasst, sei dahingestellt. Nicht offen bleibt nachfolgend die Frage, wer hier der Verkehrssicherungspflicht nachzukommen hat. Punkt-Linden bat bei der Stadt Hannover und bei der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung um Stellungnahme u. a. zu diesem (scheinbaren) Schilder-Paradoxon.
Unsere Fragen und die Antworten der Pressestelle der Landeshauptstadt Hannover (LHH)
- Punkt-Linden: Welche (rechtliche) Bedeutung haben diese Schilder der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung für Passanten? Handeln diese (zumindest formell) ordnungswidrig oder gar strafbar, wenn sie die Brücke und die Wege benutzen?
- LHH: Die rot umrandeten Schilder der WSV wirken gemeinsam mit den weißen Zusatz-Schildern. Das wichtigste Zusatz-Schild ist „Fußgänger auf eigene Gefahr“, das für die Brücke gilt. Für die Zugänge zu den technischen Anlagen gilt dann das Verbot. Rechtlich bringen diese Schilder zum Ausdruck, wer das Hausrecht ausübt und dass Regressansprüche nicht geltend gemacht werden können, da die Nutzung auf eigene Gefahr erfolgt.
- Punkt-Linden: Wie kommt es zu dieser (anscheinend) widersprüchlichen Beschilderung?
- LHH: Hier besteht kein Widerspruch. Die Radverkehrswegweisung dient der Orientierung. Sie weist den Weg, setzt aber nicht die StVO oder andere Regelwerke außer Kraft. Nicht zuletzt die Geländerhöhen der Brücke verbieten derzeit rechtlich das Befahren per Rad. Mitunter sind auch auf touristischen Routen Schiebestrecken oder Engstellen vorhanden.
- Punkt-Linden: Welche Behörde ist für die Beschilderung mit den rot-weißen Rad-Wegweisern verantwortlich?
- LHH: Wartung und Pflege der Beschilderung erfolgt im Stadtgebiet durch das Tiefbauamt der Landeshauptstadt. Die Planung der Wegweisung hat jedoch mehrere Quellen.
- Punkt-Linden: Wurde diese Beschilderung mit der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung abgestimmt?
- LHH: Nein, es gibt ein öffentliches Wegerecht, daher wurde die zuständige Stelle darüber lediglich informiert. Insgesamt gibt es aber einen Austausch mit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes.
- Punkt-Linden: Wer ist auf der Brücke für die Verkehrssicherheit verantwortlich, wenn diese offiziell als Fahrrad-Route ausgewiesen ist? Beispielsweise bestehen am Treppenaufgang an der Herrenhäuser Seite erhebliche Schäden mit Stolpergefahr.
- LHH: Verkehrssicherungspflichtiger ist das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Mittellandkanal/ Elbe-Seitenkanal. Die Nutzung erfolgt jedoch auf eigene Gefahr.
- Punkt-Linden: Haben die rot-weißen „Wegweiser-Schilder“ eine verkehrsrechtliche Bedeutung? Berechtigen die Schilder Radfahrende, den ausgewiesenen Weg fahrend zu benutzen?
- LHH: Nein.
- Punkt-Linden: Wurde beim Ausweisen der Brücke als Fahrrad-Route bedacht, dass der Treppenaufgang auf der Herrenhäuser Seite von körperlich schwächeren Personen mit einem Fahrrad nur schwer oder gar nicht bewältigt werden kann?
- LHH: Dies ist bekannt und es besteht die Absicht, eine barrierefreie Lösung in Abstimmung mit der WSV umzusetzen. Hierzu laufen derzeit die erforderlichen Abstimmungen.
Antwort des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Mittellandkanal / Elbe-Seitenkanal auf unserer Anfrage zur Brücke über das Leinewehr
„Das Wehr Herrenhausen gehört zur Bundeswasserstraße Leine. Die Benutzung und das Betreten der Bundeswasserstraßen einschließlich der dazugehörigen Anlagen ist in der Wasserstraßen-Betriebsanlagenverordnung geregelt. Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) ermöglicht das Betreten sowie das Radfahren auf Betriebswegen und Ufergrundstücken. Für die Betriebsanlagen und insbesondere für Wehre wird in der WaStrBAV ein Betretungsverbot ausgesprochen, jedoch darf das zuständige Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) eine Ausnahme erteilen. Das WSA Mittellandkanal/ Elbeseitenkanal hat für die Wehrbrücke in Herrenhausen durch das Zusatzschild „Fußgänger auf eigene Gefahr“ eine Ausnahme erteilt. Radfahrer können die Brücke dann nutzen, wenn sie ihr Fahrrad schieben. Fußgänger und Radfahrer, die ihr Fahrrad schieben, handeln somit nicht rechtswidrig.
Im Zusammenhang mit der Anbindung des neuen Stadtteils „Wasserstadt Limmer“ laufen seit geraumer Zeit Gespräche zwischen der LH Hannover und der WSV hinsichtlich eines radfahrtauglichen Ausbaus von vorhandenen Betriebswegen der WSV. Hierzu gehört auch die zukünftige Radverkehrsverbindung zwischen Ratswiese und der Wasserkunst/Am Großen Garten. Mit dem Bau eines barrierefreien Abgangs auf der Seite zur Wasserkunst wird der mit Schäden behaftete Treppenabgang entbehrlich. Daher wurde zunächst auf die Beseitigung der Mängel verzichtet. Da ein zeitnaher Ersatz der vorhandenen Treppe nicht umsetzbar ist, wird sie zeitnah instand gesetzt.“
Auf Nachfrage beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt nach einem zeitlichen Horizont erhielten wir folgende Auskunft:
Auch die Pressestelle der Landeshauptstadt Hannover konnte für die Umgestaltung von Brücken und Treppenanlage keinen Zeitrahmen nennen.
Wunstorfer Straße-Ratswiese: Links abbiegen mit Schikane
Radfahrende nutzen die Ratswiese oft als Verbindung zwischen Wunstorfer Straße und dem Radweg an der Leine. Von der Wunstorfer Straße links herum einbiegende Radfahrende müssen dazu den oft dichten Autoverkehr durchqueren. Gefährlich dabei: stadtauswärts fahrende Autos können durch eine Kurve erst spät gesehen werden. Immerhin wurde hier der Radweg auf Fahrbahnniveau abgesenkt; es muss kein Bordstein überwunden werden. Die Alternative überzeugt nicht: Bis zur Ampel an der Harenberger Straße fahren, Fahrrad über die Straße schieben, zurückfahren und dann nach rechts abbiegen.
Am Ende der Ratswiese führt ein gemeinsamer Geh- und Radweg zwischen Stichweh und Gartenkolonie zur Leine weiter. Hier steht eine Schikane, die das Befahren mit Autos verhindern soll. Diese Schikane ist für sich entgegenkommende Radfahrende/Gehende hinderlich und mit Fahrradanhänger oder Lastenfahrrad schlecht passierbar. Etwas weiter untersagt auch hier ein Schild der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung die Benutzung, ein Zusatzschild, dass das Passieren des Weges erlaubt, fehlt. Ein solches Schild steht auch direkt nach der Brücke über die Fösse. Die Einmündung in den Heinrich-Kollmann-Weg ist durch Buschwerk schlecht einsehbar.
Vorschlag: Schikane durch einen Poller ersetzen, sinnvoll/verständlicher beschildern und Strauchwerk stutzen.
Wunstorfer Straße -Einmündung Harenberger Straße: Abknickendes Geradeaus in Fehlfarben
An der Einmündung der Harenberger Straße verläuft die Wunstorfer Straße stadteinwärts in einem engen Linksbogen. Vorher an der Ampel zeigt ein Schild „Abknickende Vorfahrt“ an. Kurz nach dem Bogen mündet von rechts die Kesselstraße ein, die aber nicht Teil der abknickenden Vorfahrtsregelung ist (sie ist auf dem Schild nicht dargestellt).
Autofahrende nehmen oft die Kesselstraße statt der Wunstorfer Straße als weiteren Geradeaus-Verlauf wahr. Dabei ist ihnen nicht klar, dass sie tatsächlich abbiegen und entsprechend Rücksicht auf die Gehenden und Radfahrenden nehmen müssen, welche die Kesselstraße überqueren. Hier sind auch immer noch die zu einer Baustellenampelanlage gehörenden, gelben Markierungen vorhanden, obwohl die Baustelle vor langer Zeit beendet wurde.
Vorschlag: Autofahrenden muss deutlich signalisiert werden, dass das Einfahren in die Kesselstraße ein Abbiegevorgang ist. Das könnte z.B. mit der bekannten, roten Markierungsfarbe geschehen. Die provisorischen, gelben Markierungen sollten ersetzt werden.
Wunstorfer Straße – Querung Höhe Eppersstraße: Ziemlich einseitig
An der Wunstorfer Straße ist für Radfahrende in Richtung Eppersstraße eine Querung neben der Fußgängerampel vorgesehen. In die Gegenrichtung gibt es aber keine. Will man mit dem Rad aus der Eppersstraße die Wunstorfer überqueren, muss man die Fahrbahn der Eppersstraße schneiden, denn der direkte Weg würde in einer Parkbucht auf der anderen Straßenseite enden.
Kommentar
Von Martin Illmann
Allerorten in Linden-Limmer manifestieren sich in den letzten Jahren Bemühungen, den Stadtbezirk radfahrgerechter zu machen. Das zeigt sich vor allem mit reichlich roter Markierungsfarbe. Vieles davon ist punktuelles Verschlimmbessern. Es schafft schon im mikroskopischen Nahbereich keine durchgängigen Lösungen, die Radfahrenden zügiges und sicheres Von-A-nach-B-Kommen ermöglichen. An manchen Stellen hat man sogar den Eindruck, dass mit der Sicherheit von Radfahrenden herumexperimentiert wird.
Stattdessen wird Stop-and-Go-Radeln mit Schikanen verordnet. Entsprechend möchte man auch nur „hat sich stets bemüht“ attestieren. Entscheider*innen und Planenden machen sich anscheinend zu wenig Gedanken über einen messbaren Mehrwehrt ihrer Maßnahmen für Radfahrende. Das Fahrrad wird nach wie vor nicht als Verkehrsmittel und Fahrzeug ernst genommen, sondern immer noch als „Aufsitz-Rollator“ betrachtet, mit dem Oma Erna im Schritttempo zum Einkaufen tuckert. Diese Sicht passt nicht mehr in die Gegenwart, ebenso wenig die ungerechte Verteilung von Ressourcen und Verkehrsflächen zwischen KFZ- und Radverkehr. Denn schon jetzt nutzen -beobachtbar mehr werdend – sehr viele Menschen das Rad regelmäßig als Alternative zum Auto und ÖPNV, teils aus praktischen oder ökologischen Gründen oder für die Fitness. Und Erna tuckert schon lange nicht mehr im Schritttempo, sondern macht ordentlich Späne auf ihrem Pedelec. Die E-Mobilität stellt durch ihre hohen Geschwindigkeiten die Entscheidenden und Planenden vor zusätzliche Anforderungen. Dabei sind die Hausaufgaben von vorgestern noch nicht erledigt.
PR-trächtige Projekte wie die Velo-Routen sind wohl politisch notwendige Zugpferde, die vor den Karren einer Gesamtveränderung gespannt werden müssen. Möglicherweise ist dieses Projekt Indikator für einen beginnenden Kulturwandel in der Verkehrspolitik. Enttäuschend wäre, würden die Gäule einmalig angespannt, um den Karren nach zehn Metern im Dreck stehen zu lassen und sich zu brüsten, man wäre ja schon viel weiter. Noch wichtiger als Fahrradschnellwege ist, dass in der Fläche nachgebessert und Altlasten beseitigt werden, damit das Rad einen seiner großen Vorteile als Verkehrsmittel ausspielen kann: Dass man damit auf der Kurzstrecke ressourcenschonend direkt von Tür zu Tür fahren kann.