Stadt plant offene Drogenkonsumfläche in der Roesebeckstraße

Seit Jahren ringt Hannover mit der offenen Drogenszene rund um den Raschplatz. Wer dort unterwegs ist, kennt die Situation: Drogenhandel, Konsum im öffentlichen Raum, obdachlose und suchtkranke Menschen – und ein Hilfesystem, das trotz engagierter Einrichtungen wie dem Kontakt- und Konsumraum Stellwerk kaum Schritt hält mit der Realität. Die Stadt versucht, Ordnung zu schaffen, doch ihre Maßnahmen wirken zunehmend wie ein Verschieben der Probleme statt wie nachhaltige Sozialpolitik.

Verlagerte Probleme statt Lösungen

Tagsüber geschlossene Obdachlosenunterkünfte zwingen viele Betroffene in den öffentlichen Raum. Vor dem Stellwerk und in den umliegenden Straßen sammeln sich Menschen, die keine Alternative haben. Für Passanten entsteht dadurch ein Gefühl von Unsicherheit, befeuert durch einzelne Gewaltvorfälle und Beschaffungskriminalität. Gleichzeitig entstehen massive Belastungen für den öffentlichen Raum – von vermüllten Bereichen bis zu hygienischen Problemen.

Die Stadt reagiert darauf seit Jahren vor allem repressiv: Polizeipräsenz, Ordnungskräfte, Platzverweise. Doch diese Maßnahmen lösen die Ursachen nicht – sie verschieben die Szene lediglich in andere Stadtbezirke. Linden-Limmer erlebt genau das seit geraumer Zeit: Rund um die Substitutionspraxen im Alten Rathaus (Deisterstraße Ecke Ricklinger Straße) und im Ihme-Zentrum hat sich eine neue Szene gebildet. Immer mehr entwickelt sich die sogenannte Drägerwiese am Ihmeufer zum Hotspot – mit den bekannten Folgen: Verunsicherung in der Nachbarschaft, steigende Konflikte und Beschaffungskriminalität sorgen für Verdruss bei Anwohnern und Gewerbetreibenden. Zusätzlich nimmt die Zahl der Obdachlosen hier im Bezirk, die unter schwierigen Bedingungen leben, unterhalb von Brücken am Westschnellweg, Leine und Ihme stetig zu. Oft sind diese auch suchtkrank.

Zentrum für Führung und Embodiment
Zentrum für Führung und Embodiment
Eleonorenstraße 18
30449 Hannover

Neue Aufenthaltsfläche in Linden-Süd: Hilfe oder erneute Verdrängung?

Nach dem der Punkt-Linden-Redaktion vorliegenden Konzept plant die Stadt nun den nächsten Schritt: eine „Aufenthaltsfläche für Konsumenten illegaler Drogen“. Der ins Auge gefasste Standort liegt in Linden-Süd, am Rondell am Ihmeufer in der Kurve der Roesebeckstraße, derzeit noch Teil einer Hundeauslauffläche. Hier scheint ein geeigneter Platz für mobile Toiletten, Sitzgelegenheiten, Wetterschutz, einen WLAN-Hotspot und eine Containerstation für Straßensozialarbeit zu sein. Drei Tage die Woche, jeweils drei Stunden, sollen dort Sozialarbeiter ansprechbar sein.

Die Stadt argumentiert: Eine kontrollierte Aufenthaltsfläche könne Risiken minimieren, die Szene bündeln und das Wohnumfeld entlasten.

Tatsächlich arbeiten Städte wie Frankfurt oder Zürich seit Jahren mit konsumfreundlichen, sozial betreuten Bereichen – allerdings eingebettet in umfassende Hilfs- und Präventionssysteme mit hoher Präsenz und langen Öffnungszeiten. Doch genau hier beginnt der Zweifel.

Zu kurz gedacht und zu wenig begleitet

Die geplante Präsenz der Sozialarbeit – dreimal drei Stunden pro Woche – wirkt angesichts der Größe und Dringlichkeit des Problems wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Szene formiert sich schließlich nicht nach Terminplänen. Ohne verlässliche, tägliche Betreuung und ohne Ausbau von Konsumräumen und Unterkünften droht die Fläche eher ein Symbol politischer Hilflosigkeit zu werden als eine echte Lösung.

Frage an die Pressesprecherin der Stadt Hannover, Christina Merzbach:
Wird die sogenannte Drägerwiese nach der Eröffnung des neuen Standorts für Konsumentinnen und Konsumenten zur „Aufenthaltsverbotsfläche“ erklärt?
Antwort:
Es ist zu erwarten, dass sich die Konfliktsituation an der Drägerwiese durch einen nahegelegenen alternativen Aufenthaltsort deutlich entschärfen wird.

Der Grundfehler bleibt also bestehen: Symptome werden verschoben, Ursachen ignoriert.

„Beteiligung“ der Anwohner – aber erst nachdem ein Standort feststeht

Bedenklich ist auch die Reihenfolge der Beteiligung. Erst wenn die Fläche entschieden ist, „wird sie dem Bezirksrat und den Anwohnerinnen vorgestellt“. Das ist kein Beteiligungsprozess, das ist eine Präsentation. Die direkte Anwohnerschaft, ohnehin bereits belastet durch die Entwicklungen an der Drägerwiese, bleibt damit erneut außen vor, bis die Pläne praktisch feststehen.

Bezirksbürgermeister Rainer-Jörg Grube auf Anfrage von Punkt-Linden

Schon zur Expo hat man die Innenstadt „von unerwünschten Personenkreisen bereinigt“, die dann am Küchengarten und in der Limmerstraße eine neue Bleibe fanden. – Nun erneut! – Die vorhandenen Hilfsangebote in der City verwaisen und die innenstadtnahen Stadtteile müssen die Last übernehmen, ohne dafür mit den nötigen Einrichtungen ausgestattet zu sein. – Bürgerbeteiligung geht anders; sie erschöpft sich nicht in nachgehender Information, sondern erfordert intensive vorherige Teilhabe.

Eine Drogenpolitik ohne Vision

Hannover braucht dringend eine moderne, umfassende und koordinierte Drogenpolitik – kein Flickwerk aus Verdrängung, punktuellen Maßnahmen und notdürftigen Ersatzflächen. Notwendig wären:

  • mehr niedrigschwellige Hilfs- und Konsumangebote, auch ganztägig
  • Ausbau von Unterkünften, damit Menschen nicht auf der Straße konsumieren müssen
  • kontinuierliche Straßensozialarbeit, nicht nur stundenweise
  • echte Beteiligung der Stadtgesellschaft, nicht nur im Nachhinein
  • integrierte Strategien, die Sicherheit und soziale Hilfe zusammen denken

Solange die Stadt jedoch Orte schließt, neue eröffnet und die Szene weiterschiebt wie eine ungeliebte Verantwortung, wird sich wenig ändern. Die Probleme verschwinden nicht, sie wechseln nur den Standort – und mit ihnen das Gefühl, dass Politik nicht gestaltet, sondern nur reagiert.

Ergänzende Information

Zur Sitzung des Stadtbezirksrates Linden-Limmer am kommenden Mittwoch hat Bezirksratsherr Michael Klenke (CDU) folgende Fragen an die Stadtverwaltung formuliert:

  • Was unternimmt die Verwaltung der Landeshauptstadt Hannover, um der deutlichen Verwahrlosung und Verunreinigung der betroffenen Wohngebiete und Naherholungsgebiete tauglich entgegenzuwirken?
  • Warum wird die „angestammte Klientel“ nicht mit entsprechender Betreuung/Versorgung wieder in den direkten Bereich Raschplatz gelassen?
  • Warum wird durch die Verwaltung der Landeshauptstadt Hannover beabsichtigt, „künstlich“ eine weitere Aufenthaltsfläche in Linden-Süd (Bereich: Roesebeckstraße/Ihmeufer) zum Konsum harter Drogen zu schaffen?

Punkt-Linden wird weiter darüber berichten.

Bildnachweis: Stefan Ebers

7 Gedanken zu „Stadt plant offene Drogenkonsumfläche in der Roesebeckstraße“

  1. Ich bin für Drogen auf Rezept und anschließend eine Langzeittherapie mit längerer Nachbetreuung.
    Wer aktuell eine Therapie macht wird in sein altes Umfeld ohne Tagesstruktur entlassen und findet ganz schnell wieder den Weg zum Bahnhof oder anderen Orten wo sich suchtkranke Menschen aufhalten.
    So nimmt das Problem nur weiter zu. Schon Jugendliche nehmen täglich Kokain und Alkohol zu sich, weswegen Asphalt regelmäßig Schulen aufsucht um frühzeitig aufzuklären und Hilfe anzubieten.
    Einfach nur machen lassen und wegschauen ist definitiv keine Lösung!

    Antworten
  2. Ich bin Sozialarbeiterin, Mutter und entsetzt.
    Wer konsumieren muss bitte weit ab von Kindern.
    Entweder es ist verboten und dann richtet doch keine Duldungsfläche ein.
    Seit ihr total verwirrt ?

    Denn Sie wissen nicht was sie tun.

    Antworten
  3. Nun ja,
    gerade in dieser ruhigen Seitenstraße habe sich in den letzten Jahren Familien mit kleinen Kindern angesiedelt. Ich kann mir nicht vorstellen das die besorgten Eltern über sowas auch nur Gespräche zulassen werden.

    Wurden da um die Ecke nicht auch diese coolen Tiny Houses aufgestellt?

    Man weiß ja leider aus anderen Großstädten was dann als nächstes kommt nämlich der Handel mit Drogen und Beschaffung des nötigen Kleingelds für den nächsten Druck.

    Eine Katastrophe mit Ansage für die Familien dort.

    Schönen Nikolaus

    Antworten
  4. Ich bin wirklich pogressiv und hab nichts gegen die armen Schweine. Aber in Linden-Süd sind die Verhältnisse nicht mehr aushaltbar. Meine Tochter geht sonntags morgens allein zum Bäcker, da es in Linden Süd immer noch keinen Bäcker gibt, muss sie zum Schwarzen Bären und kommt dabei an jeder Menge Drogis vorbei, das macht echt ein mulmiges Gefühl, da die nicht nur über aussehen, sondern sich auch immer öfter sehr übel benehmen. Mein Rad wurde geklaut, in unseren Keller wurde geschissen, Pakete werden geklaut, es wird immer beängstigender. Linden Süd braucht dringend Entlastung.

    Antworten
  5. wg. Linden Süd: Naja, das massenhafte Kampfsaufen mit entsprechenden Folgen für alle Anwohner findet seit Jahren in Linden-Nord statt. Alkohol ist eine Droge mit schlimmen Auswirkungen.
    „Die Drogenszene“ trifft sich in Mitte/Süd sowieso am Fluß, von daher ist es m. E. schlau, dies etwas mehr zu strukturieren.

    Antworten

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7 Gedanken zu „Stadt plant offene Drogenkonsumfläche in der Roesebeckstraße“

  1. Ich bin für Drogen auf Rezept und anschließend eine Langzeittherapie mit längerer Nachbetreuung.
    Wer aktuell eine Therapie macht wird in sein altes Umfeld ohne Tagesstruktur entlassen und findet ganz schnell wieder den Weg zum Bahnhof oder anderen Orten wo sich suchtkranke Menschen aufhalten.
    So nimmt das Problem nur weiter zu. Schon Jugendliche nehmen täglich Kokain und Alkohol zu sich, weswegen Asphalt regelmäßig Schulen aufsucht um frühzeitig aufzuklären und Hilfe anzubieten.
    Einfach nur machen lassen und wegschauen ist definitiv keine Lösung!

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  2. Ich bin Sozialarbeiterin, Mutter und entsetzt.
    Wer konsumieren muss bitte weit ab von Kindern.
    Entweder es ist verboten und dann richtet doch keine Duldungsfläche ein.
    Seit ihr total verwirrt ?

    Denn Sie wissen nicht was sie tun.

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  3. Nun ja,
    gerade in dieser ruhigen Seitenstraße habe sich in den letzten Jahren Familien mit kleinen Kindern angesiedelt. Ich kann mir nicht vorstellen das die besorgten Eltern über sowas auch nur Gespräche zulassen werden.

    Wurden da um die Ecke nicht auch diese coolen Tiny Houses aufgestellt?

    Man weiß ja leider aus anderen Großstädten was dann als nächstes kommt nämlich der Handel mit Drogen und Beschaffung des nötigen Kleingelds für den nächsten Druck.

    Eine Katastrophe mit Ansage für die Familien dort.

    Schönen Nikolaus

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  4. Ich bin wirklich pogressiv und hab nichts gegen die armen Schweine. Aber in Linden-Süd sind die Verhältnisse nicht mehr aushaltbar. Meine Tochter geht sonntags morgens allein zum Bäcker, da es in Linden Süd immer noch keinen Bäcker gibt, muss sie zum Schwarzen Bären und kommt dabei an jeder Menge Drogis vorbei, das macht echt ein mulmiges Gefühl, da die nicht nur über aussehen, sondern sich auch immer öfter sehr übel benehmen. Mein Rad wurde geklaut, in unseren Keller wurde geschissen, Pakete werden geklaut, es wird immer beängstigender. Linden Süd braucht dringend Entlastung.

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  5. wg. Linden Süd: Naja, das massenhafte Kampfsaufen mit entsprechenden Folgen für alle Anwohner findet seit Jahren in Linden-Nord statt. Alkohol ist eine Droge mit schlimmen Auswirkungen.
    „Die Drogenszene“ trifft sich in Mitte/Süd sowieso am Fluß, von daher ist es m. E. schlau, dies etwas mehr zu strukturieren.

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