Die im Jahre 2019 vom Quartiersmanagement der hanova WOHNEN GmbH beauftragte Studie „Sauberkeit und Verschmutzung im öffentlichen Raum von Linden-Süd – Wahrnehmungen, Verortungen, Zustände“ liegt abschließend vor. Die Situation in Linden-Süd ist nicht alarmierend, sie weist eher dieselben problematischen Thematiken auf, die man auch in anderen Stadtteilen antrifft: hier und dort wilde Sperrmüllhaufen, überfüllte Mülltonnen, gelbe Säcke an falschen Wochentagen im Straßenraum, Littering und eine allgemeine Unzufriedenheit der Bewohner*innen, die es gerne sauberer hätten. Hinzu kommt die Frage, was der als Ärgernis wahrgenommene Müll in nachbarschaftlichen Kontexten auslöst.
Der durchführende Diplom-Geograph Martin Lange nutzte zur Einschätzung der Lage sowohl wissenschaftliche Vergleichsstudien und -daten, als auch verschiedene Erhebungsmethoden (u.a. Befragung auf dem Stadtteilfest Lust auf Linden-Süd 2019 sowie Experteninterviews). Zudem wurden erste Erkenntnisse im Frühjahr 2020 im Stadtteilforum Linden-Süd und der AG Wohnumfeld diskutiert und Hinweise aus dem Podium in die Studie aufgenommen.
Die Ergebnisse, die um zehn Karten (u.a. Heatmaps, d.h. Karten, die Verschmutzungswahrscheinlichkeiten darstellen) ergänzt wurden, liegen jetzt vor. Sie sind in geringer Auflage im Büro des Quartiersmanagements einseh- und ausleihbar und stehen dauerhaft zum Download bereit.
Für die Arbeit im Quartiersmanagement ist die Müllstudie ein wichtiger Ausgangspunkt weiterer Überlegungen. Einerseits werden viele vorhandenen Strukturen (AG Wohnumfeld, Pico-Bello…) und Ansatzpunkt (Tonnengröße, Gespräche mit Vermietenden, Bewusstseinsbildung…) als richtig, aber noch ausbaufähig beschrieben, andererseits ergeben sie aus den Ergebnissen auch neue Handlungsfelder, räumlich und methodisch.
Generell möchte Linden-Süd den Weg der „Kollektiven Wirksamkeit“ als Gegenmodell zur Broken- Windows-Theorie weitergehen und durch abgestimmtes, gemeinsames Vorgehen weiter ausbauen. Die bewährten Akteure wie Pico Bello, die AG Wohnumfeld, der Deisterkiez, das Stadtteilforum Linden-Süd und weitere, sind eine gute Grundlage, auf der Linden-Süd aufbauen und die Ergebnisse der Müllstudie weiter verfolgen kann.
Laut Studie hängt die Problemwahrnehmung vom a) Organisationsgrad der Community und b) der Kriminalitätsbelastung ab. Gerade letztere Bewertung wird stark davon beeinflusst, wie Incivilities* im Allgemeinen empfunden werden. Je höher das gegenseitige Vertrauen, je intakter die Kommunikation, je besser die Netzwerke funktionieren, je organisierter Arbeitskreise und Foren wirken, sprich: ein Quartiersmanagement gelingt, desto weniger dringen die Incivilities als Problem ins Bewusstsein und desto eher sieht man die Möglichkeiten, ihnen zu begegnen.
Wir werden daher weiterhin das soziale Kapital sowie die „Guten“ und Engagierten stärken, zusammenbringen und ganz viel miteinander reden, abstimmen und vernetzt unternehmen. Als absoluter Pluspunkt sind in den Befragungen die Menschen in Linden-Süd genannt worden. Hervorgehoben werden einerseits ihre funktionierenden Netzwerke und andererseits die gute Kommunikation miteinander. Bei einem sensiblen Thema, wie es Vermüllung nun einmal ist, muss die Ansprache allerdings noch effektiver gestaltet werden. Wir setzen dabei an der Stärke Linden-Süds an, dass im Stadtteil miteinander gesprochen wird.
Zudem wird das Quartiersmanagement verstärkt bestehende Forschungen und Best-Practice-Lösungen in die eigenen Überlegungen einbinden. Die Konzepte werden noch breiter kommuniziert und methodisch vielfältiger geplant („Nudgets“**, abgestimmte und zielgenaue Kommunikation, Koordination, Kümmerer…). Ausgehend von den Heatmaps werden komplette Konzepte für bestimmte schwierige Orte erarbeitet.
Drei Standorte fallen auf, für die es besonderer Überlegungen bedarf:
- So hat sich im Eingangsbereich der Auestraße in die Ricklinger Straße ein wilder Müllplatz entwickelt, den die Bewohner*innen als legalen Abholort bewerten. Für 2021 ist geplant, dort mit Aufklärung, Beteiligung, Markierungen und einer Baumscheibe in Patenschaft das Bewusstsein zu schärfen, die Kommunikation zu öffnen und dadurch eine Besserung zu bewirken.
- Ein weiterer Schwerpunktraum der Vermüllung ist der eng bebaute Bereich in der Seifeldstraße zur Charlottenstraße. Hier tauchen auch andere Incivilities auf, die der Nachbarschaft z.T. Sorgen bereiten. In Planung ist dort ein Graffiti-Projekt unter Beteiligung der dortigen Akteure und zur Entlastung dieser Ecke ein Angebot und ein Raum für Jugendliche / junge Erwachsene im öffentlichen Raum (hierzu gibt es eine AG, doch die Suche nach einem Ort erscheint schwierig).
- Als dritten neuen Handlungsraum rückt der westliche Bereich zwischen der Ahrbergstraße und der Wesselstraße in den Fokus, auf den das Projekt Pico Bello bereits mehrfach hingewiesen hat. Hier, in den engen Straßenlagen, ballen sich Probleme mit den Müllplätzen, zweckentfremdetem Wohnraum mit zu kleinen Tonnen und einem zu schwach ausgebildeten Nachbarschaftsnetzwerk.
Mobile Ansätze in diesen Straßenzügen sind bereits angedacht, müssen jedoch noch mit vielen weiteren Akteuren koordiniert, besprochen und angegangen werden. Gerade aha und der Aktion „Hannover sauber“ kommen dabei eine große Bedeutung zu. Hierzu laufen Gespräche zur besseren Nutzung der örtlichen Ressourcen in Linden-Süd. Die Kampagne wirkt bereits in Linden-Süd; wir werden ihr mit unserem vor-Ort-Wissen und -Strukturen zur Seite stehen.
Zudem wäre eine räumliche Auswertung der über die Müllmelde-APP gemeldeten Sperrmüllhaufen von großer Bedeutung für die Akteure vor Ort: aus ihnen ließen sich Zeitpunkt, Art und Ort der Verschmutzung hervorragend ablesen.
Die Aktualisierung des „Freiflächenkatalogs“ Linden-Süd ist ein weiterer denkbarer Schritt. In ihm wurden in 2011 / 2012 alle öffentlichen Freiflächen untersucht und anhand der Einschätzungen der Expert*innen aus dem Stadtteil – unseren Bewohner*innen! – bewertet. Einer Freiraumplanerin konnten Vorschläge für deren Gestaltung, Ausstattung und Nutzung gemacht werden. Durch eine bessere Ausnutzung und Zuweisung der Flächen werden diese von den jeweiligen Gruppen besser und behutsamer genutzt und behandelt.
Bei der Bewertung der Sauberkeit in der Müllstudie haben jene Räume besser abgeschnitten, bei denen eine klare Nutzung ersichtlich ist (bspw. Radwege, gut ausgestattete Spielplätze…). Müllecken und undefinierbare Aufenthaltsorte ohne Qualität fördern hingegen die Vermüllung und wurden demnach schlechter bewertet. Eine Fortschreibung des Katalogs scheint eine sinnvolle Ergänzung der skizzierten Maßnahmen zu sein.