Wohnraumvernichtung in Linden schreitet voran

In Linden-Süd muss die Politik jetzt dringend handeln

Die Thematik AirBnB in Großstädten ist inzwischen allgemein bekannt. Jetzt scheint es aber einen neuen Trend zu geben. Unter klangvollen Namen wie „Hanomag Quartier“, „Lindener Hof“ oder auch „English Romance Service“ werden ganze Häuser als Massenunterkünften oder als möblierte Appartements auf Zeit angeboten.

Ganz normale Wohnhäuser im Viertel um die Charlottenstraße und Ricklinger Straße sind zu Unterkünften für Montagehandwerker umgenutzt worden. Eine lukrative Sache, wie man anhand der Zahlen zum Beispiel der Charlottenstraße 74, das jetzt als Aparthotel Lindener Hof geführt wird schnell sehen kann. Ein Haus mit 8 Parteien, was also im Normalfall von circa 25 Personen bewohnt wird ist zu so einem Objekt umgebaut worden. Ein Wäschereidienstleister liefert dort jetzt regelmäßig Bettwäsche für 60 Betten an. Das heißt in dem Haus sind jetzt weit über das Doppelte der Personen untergebracht. Alleine dadurch wird die Rendite gegenüber einer normalen Wohnvermietung schon erheblich steigen.

Eine andere Variante ist das Haus, in dem das Café Caramel jahrelang beheimatet war. Dort werden möblierte Apartments angeboten. Insgesamt sind es bereits 140 Wohnungen in ganz Hannover und Umgebung wie auf der Webseite zu erfahren ist.

Wie ist so was möglich, und warum reagieren die Behörden nicht darauf? Nachbarn eines der Objekte haben sich bisher vergeblich an die verschiedensten Verwaltungsstellen gewand. Von den diversen Ämtern, vom Fachbereich Umwelt Team Immissionsschutz und der Bauaufsicht West über den Bezirksrat Linden-Limmer bis hin zu den Politikern, die sich zur nächsten Wahl präsentieren. Niemand fühlt sich für die Problematik zuständig.

Die Probleme in Linden-Süd häufen sich

Und Probleme gibt es einige. Zunächst wäre zu klären, ob eine gewerbliche Nutzung dort überhaupt gestattet ist. Laut Flächennutzungsplan der Stadt Hannover handelt es sich in diesem Bereich um reine Wohnbauflächen, also um ein allgemeines Wohngebiet.

Handelt es sich um eine Wohnung in einem nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) als sogenanntes allgemeines Wohngebiet (WA) einzustufendes bzw. um ein als allgemeines Wohngebiet in einem Bebauungsplan festgesetztes Baugebiet der Gemeinde, so kann bereits die Nutzung einzelner Räume einer Wohnung als Arbeitszimmer für gewerbliche Zwecke unzulässig sein.

Bei der Nutzung eines ganzen Gebäudes als quasi Hotelbetrieb ist dies ungleich gravierender einzustufen.

Es ist fraglich, ob die für einen Beherbergungsbetrieb geltenden Brandschutzauflagen dort eingehalten werden. Aufgrund ihrer betrieblichen Besonderheiten sind Hotel- und Beherbergungsbetriebe grundsätzlich sehr großen Brandgefahren ausgesetzt. Dies birgt auch zusätzliche Gefahren für die unmittelbare Nachbarschaft. Es gilt die Muster-Beherbergungsstättenverordnung einzuhalten. Darin sind beispielsweise geregelt, wie tragende Decken und Trennwände ausgeführt sein müssen und wie ein zweiter Rettungsweg für den Beherbergungsbetrieb gestaltet sein muss.

Für die Nachbarn kommt hinzu, dass durch die Verdoppelung der Bewohner eine erhöhte Lärmbelastung entsteht. Dabei ist den Gästen, die dort untergekommen sind, überhaupt kein Vorwurf zu machen. Bei einer mehr als doppelten Belegung der Wohnfläche ist es nur natürlich, dass man auf andere Flächen wie den Gemeinschaftsgarten ausweicht. Da es sich bei den Gästen in der Regel um Handwerker auf Montagetätigkeit handelt, sind diese ab dem späten Nachmittag in ihrer Freizeit. Da wird gerne und ausgiebig im Hof gegrillt und geschwätzt. Ganz normal mag man einwenden, doch wenn dies jeden Tag mit so vielen Menschen in direkter Nachbarschaft passiert, ist das erträgliche Maß schnell überschritten.

Ein weiteres Problem im Viertel sind die unzähligen Fahrzeuge, die irgendwo abgestellt werden müssen. Handwerker bringen in der Regel eher größere Transporter mit zu ihren Einsätzen und so ist zu beobachten, das ganze Straßenzüge mit diversen Transportern und unterschiedlichsten Kennzeichen zugeparkt werden.

Sollte diese Praxis weiter gehen, kann noch so viel neuer Wohnraum gebaut werden, die Situation für Wohnungssuchende wird sich trotzdem weiter verschärfen. Denn wenn mit einer anderen Nutzung von Wohnraum traumhafte Geschäfte gemacht werden und die Stadtverwaltung weiter wegsieht, ist es absehbar, das immer mehr solche Geschäftsmodelle aus dem Boden gestampft werden.

Es gibt auch positive Beispiele

Oder vielleicht auch nicht. Direkt nach Veröffentlichung erreichten uns anderslautende Informationen dazu. Wir werden nach einer weiteren Recherche berichten.

Zu guter Letzt noch ein weiteres Beispiel, das aber wesentlich sozialverträglicher für die Nachbarschaft ist. Das GOP Variete hat in der Ricklinger Straße ein Haus gekauft, um dort Unterkünfte für die Künstler und Angestellten anbieten zu können. 520 Quadratmeter in sieben Wohnungen stehen jetzt für die Artisten zur Verfügung, die hier in Hannover während der Spielzeiten zu Gast sind.
Nach dem Kauf des Hauses unterstützte man mehrere Mieter bei Suche nach neuen Bleiben und beim Umzug. In der achten Wohnung aber lebt weiter ein älterer Herr, der bereits seit 1991 dort wohnt und gerne bleiben möchte.

Die Stadt arbeitet seit Längerem an einer Zweckentfremdungssatzung. Allerdings war dies bereits zum zweiten Quartal angekündigt und wird wie so vieles auf die lange Bank geschoben.

Mehr zum Thema gibt es in der nächsten Ausgabe des Lindenspiegel der am 28. Juli 2021 erscheint. Auch punkt-linden.de wird an dem Thema Wohnraumzweckentfremdung daran bleiben.

Weiterlesen im Teil 2: Wohnraumumnutzung auch auf der Deisterstraße

Bildnachweis: Achim Brandau