Hier identifiziere und engagiere ich mich
Die Menges kamen 2012 aus Bordenau ins Ihmezentrum. Sie kennen die guten Jahre des Betonkomplexes nicht aus eigenem Erleben. Nachdem die Kinder ausgezogen waren, wurde Karin Menges das Haus zu groß, der Garten zu groß, der Hund zu groß. Das brauchte sie eigentlich alles nicht. Immerhin – in Bordenau bekam sie ihre drei Babys: Erst den Sohn Michael, dann gründete die Apothekerin die Holunder-Apotheke in Bordenau, und dann – etwas spät und schon nicht mehr gehofft, doch noch die Tochter – „und wir sind so froh, dass wir sie haben“.
Also weg vom Dorf und hin zur Stadt. Karin Menges kaufte bereits 2010 die Apotheke „Schwarzer Bär“ und etwas später die „Lindener Apotheke“ am Küchengarten. Das Ihme-Zentrum war ein sehr passender Wohnort aus dieser beruflichen Perspektive mit wenigen Gehminuten zwischen dem neuen Zuhause und dem Arbeitsplatz. Die zentrale Lage im Verein mit den günstigen Immobilienpreisen im Ihmezentrum beförderten die Entscheidung für die Wohnung direkt an der Ihme im vierten Stock. Nun hat Karin Menges ihre Apotheken verkauft und ist aktive Rentnerin – mit der „Lindener Apotheke“ beging sie noch das 145jährige Bestehen und verabschiedete sich auch mit Wehmut aus dem Berufsleben.
Die Eigentümerinnen und Eigentümer in dem Haus mit 53 Wohnungen leben fast alle hier. Es ist aus Karins Sicht eine gute Mischung zwischen Alten und Jungen, zwischen Singles und Paaren. Einige EigentümerInnen haben Wohnungen für ihre Kinder gekauft, die nun auch hier im Ihmezentrum wohnen. Die meisten Wohnungen sind mit 38 bis 46 Quadratmeter sehr klein, manche wurden zusammengelegt, um größere Einheiten zu schaffen. Es gibt ein angenehmes Miteinander, einen pfleglichen Umgang und wenig Probleme. Die EigentümerInnen-Gemeinschaft investiert nach Meinung von Karin auch ausreichend in die Immobilie, schließlich sind sie für die Leitungen, die Betonwände, die Fenster, Balkone und das Dach selbst zuständig.
Interessant ist, dass viele Wohnungen trotz der Aufzüge und Wegführungen nicht behindertengerecht sind – sie sind nur über Treppen erreichbar.
Die Talsohle des Ihme-Zentrums sieht Karin Menges in der Vergangenheit, etwa vor drei bis vier Jahren. Damals wäre ein Wohnungskauf hier nicht über die Banken mitfinanziert worden. Niemand hat an das Ihme-Zentrum geglaubt. Mittlerweile steigen die Immobilienpreise, die damals total im Keller waren. Und Frau Menges hofft, dass es mit dem Leben im Ihme-Zentrum weiter aufwärts geht. Immerhin sieht es so aus, dass die neue Durchwegung von der Blumenauer Straße hin zum Ihme-Ufer für Fuß- und Fahrradverkehr endlich in Angriff genommen wird. Bisher holt Karin Menges ihre Gäste direkt am Capitol ab und leitet sie am Ihme-Ufer entlang zu ihrer Wohnung. Auf keinen Fall würde sie ihnen zumuten, den jetzigen Durchgang zu benutzen, so dunkel und schmuddelig, wie der ist.
Auch wenn einiges flotter ging und die Menschen offener waren in der Pfalz, wo sie ursprünglich herkommt, beschreibt Karin Menges sich als Lokalpatriotin für den Ort, an dem sie lebt. „Hier identifiziere und engagiere ich mich – und bin auch neugierig auf andere Menschen. Was ich an Hannover und am Ihme-Zentrum mag, ist vor allem das Ihme-Ufer und die Flaniermeile am Hohen Ufer, das Aspria besuche ich regelmäßig und meine Wohnung liebe ich sehr. Am meisten stören mich Dreck, Scherben, Taubenkot und Müll hier und auch insgesamt in Hannover.“
Karin Menges setzt sich mit der Zukunftswerkstatt im Ihme-Zentrum für die Verbesserung des Wohnumfeldes ein und trägt zur Revitalisierung bei. Sie möchte möglichst viele der Menschen an einen Tisch bekommen, die hier leben. Constantin Alexander als Gründer der Initiative hatte bereits vor Jahren die Idee, Menschen durch das Zentrum zu führen. Mit sehr erfolgreichen Rundgängen und seinen Ideen und Überzeugungen konnte er viele Menschen für das Ihme-Zentrum begeistern. Nun macht Karin Menges auch Rundgänge im Ihme-Zentrum.
Für die Zukunftswerkstatt wünscht sie eine größere Resonanz bei den Bewohnerinnen und Bewohnern. Es gibt Veranstaltungen und Gruppenaktivitäten, Kunst- und Kulturschaffende arbeiten mittlerweile im Ihmezentrum. Aber die BewohnerInnen zeigen sich wenig. Vielleicht brauchen sie kein Angebot, vielleicht sind sie schon zu frustriert nach den vielen Jahren des Niedergangs und denken, es lohnt sich nicht mehr?
Karin Menges drückt sehr die Daumen für die Kulturhauptstadtbewerbung Hannovers. Auch ihr und der Zukunftswerkstatt ist es zu verdanken, dass das Ihmezentrum ein zentraler Ort und zentrales Thema in der Bewerbung ist. Karin Menges traut sich viel – manchmal zu viel, findet sie, denn „Mut und Übermut liegen dicht beieinander.“ Aktuell plant sie ihr Leben als „Granny Aupair“ und wird für jeweils drei Monate in fernen Ländern Kinder als Wunschoma betreuen.
Aber der Zukunftswerkstatt bleibt sie erhalten und dem Ihme-Zentrum als Zuhause sowieso.
Ingrid Wagemann
Teil 1 / Teil 2 / Teil 3 / Teil 4 / Teil 5 / Teil 6 / Teil 7 / Teil 8 / Teil 9