Die Kämpfe um „Wohnraum für Alle“ vernetzen sich: Europaweit und in Hannover. In mindestens 75 Städten Europas wurde am Samstag, 27. März im Rahmen des „Housing Action Day“ demonstriert: In Linden gingen vom Küchengarten aus startend die AktivistInnen verschiedenster Initiativen Hannovers auf die Straße. Doch nicht nur hannoversche Initiativen kamen zu Wort: Es waren auch Stimmen aus Marseille, Berlin, Osnabrück und Essen zu hören. Gemeinsam wurde deutlich gemacht, dass die Kämpfe um bezahlbaren Wohnraum und gegen Obdachlosigkeit die zentrale soziale Frage dieser Tage sind.
Denn auch diesen Winter sind bundesweit wieder dutzende Menschen bei zweistelligen Minusgraden auf der Straße erfroren, während zehntausende Hotelzimmer coronabedingt leer standen. Die Bedingungen in den Notunterkünften seien so katastrophal, dass Menschen lieber auf der Straße schlafen, kritisierten der „Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit”, die Gruppe „Armut stinkt” und der „Betroffenenrat”.
Eine wohnungslose Person berichtete davon, warum sie mit einer stillen Besetzung einen illegalen Weg gewählt habe, sich ein Dach über dem Kopf zu organisieren. Auch von „Nordstadt Solidarisch” wurde darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Gesetze das Ziel „Wohnraum für Alle” nicht umgesetzt werden könne, solange Zwangsräumungen legal und Besetzungen illegal seien. In einem emotionalen Redebeitrag gedachte ein Freund Jürgen „Bauer” Niemann. Dieser wurde vor vier Jahren am Kötnerholzweg zwangsgeräumt und vor zwei Jahren tot hinter dem Freizeitheim Linden aufgefunden. Der Freund verdeutlichte, dass das Erinnern an ihn auch eine Anklage gegen alle Zwangsräumungen sein müsse, die immer wieder tödlich enden würden. „Bauer war in Linden kein Unbekannter, war vernetzt und organisiert als es ihm noch gesundheitlich besser ging. Er war ein klassenbewusster Arbeiter und kritisierte zeitlebens die kapitalistischen Verhältnisse. Verhältnisse, die ihn letztendlich zerbrachen und verstummen ließen.”
Aber auch Perspektiven für die Zukunft wurden auf der Demonstration aufgezeigt. Das Wohnprojekt in der Fröbelstraße stellte sich vor und zeigte auf, dass der Kampf um selbstbestimmten, bezahlbaren Wohnraum auch andere Wege gehen kann. Mit dem Modell des Mietshäusersyndikats wurde hier kollektiv Wohnraum erworben, der so langfristig dem kapitalistischen Wohnungsmarkt entzogen wird.
Die Interventionistische Linke machte sich für die Forderung stark, große Immobilienkonzerne zu enteignen und zu vergesellschaften. Auch die nordstädter Initiative „Bumke selber machen“ beteiligte sich und erinnerte an die Forderung, dass bei Neubauten wie dem Bumkegelände die Menschen aus dem Viertel ein ernsthaftes Mitspracherecht haben sollten.
Entlang der Route wurde immer wieder auf vergangene und aktuelle Wohnraumkämpfe in Linden hingewiesen: So zog die Demonstration an der Limmerstraße 98 vorbei, deren Besetzug vor 10 Jahren den Auftakt für eine öffentliche Auseinandersetzung um Gentrifizierung in Linden bildete. Auf der Limmerstraße wurde zudem der Suizid eines Mieters ewähnt, den die Immobilienfirma Wohnwert aus der Wohnung, in der er Jahrzehnte gelebt hat, werfen wollte. Erwähnung fand auch, dass derartige Aktionen der Immobilienwirtschaft in Linden nicht unbeantwortet geblieben sind. Neben Autos wurden immer wieder auch Büros und Geschäftsstellen attackiert. Mit der Demonstration wurde nicht nur Öffentlichkeit geschaffen, sondern auch die lokale und die europäische Vernetzung gefördert.
Leider können die regelmäßigen Treffen während Corona nicht wie gewohnt stattfinden. Dennoch bleiben die Initiativen aktiv und sind per Mail erreichbar. Z.B. das Kiezkollektiv in Linden (kiezkollektiv-hannover@ riseup.net) und Nordstadt Solidarisch (nordstadtsolidarisch@ riseup.net). Auch von den anderen Initiativen sind die Kontaktdaten im Netz zu finden.