
Im Stadtbezirk Linden-Limmer stehen Häuser dauerhaft leer, harren auf Abriss und hochpreisigen Neubau. Oder auf durchgreifende Modernisierung oder Umwandlung in Handwerker- bzw. Ferienwohnungen. Wohnkosten werden so in die Höhe getrieben – auch in ihrer Umgebung. Die dadurch befeuerte strukturelle Veränderung innerhalb der Bewohnerschaft wird Gentrifizierung genannt.
Das vor Jahren so sympathisch gestartete „AirBnB“ („Luftmatratze und Frühstück“) hat sich für viele Hauseigentümer weltweit zu einem lukrativen Geschäftsmodell entwickelt. Punkt-Linden hat in der jüngsten Vergangenheit häufig über dieses Phänomen berichtet. Dem Vernehmen nach hat nun auch eine Hamburger TV-Journalistin das Thema aufgegriffen. Für eine längere NDR-Reportage soll ab Oktober auch mit Beispielen aus Linden gedreht werden.
„Mein Name ist Hase – ich weiß von nichts.“

„Seit längerer Zeit steht in der Dieckbornstraße 12 und in der Konkordiastraße 1 und 2 erkennbar Wohnraum leer“, hat CDU-Bezirksrat Michael Klenke festgestellt und der Stadtverwaltung schon vor Wochen drei Fragen zu diesen Häusern in Linden-Mitte gestellt: „Was ist der Grund für den Leerstand? Ist etwas über die zukünftige Verwendung des bisherigen Wohnraumes bekannt? Ist der Leerstand konform zur Zweckentfremdungssatzung (ZwEWS) der Landeshauptstadt Hannover?“
Aus dem von Thorsten Warnecke geleiteten Fachbereich Planen und Stadtentwicklung des städtischen Baudezernats bekamen Klenke und die übrigen Lokalpolitiker*innen des Bezirksrates Linden-Limmer auf der Sitzung am 27. August 2025 folgende nichtssagenden drei Antworten: „Hierzu liegen keine Informationen vor. Die Leerstände auf den genannten Grundstücken waren dem Team Zweckentfremdung bisher nicht bekannt. Ob diese eine Zweckentfremdung nach der hannoverschen Zweckentfremdungssatzung darstellen, bedarf einer Überprüfung. „Wir nehmen dies zum Anlass, die Grundstücke für eine Überprüfung vorzumerken.“
Gentrifizierungs-Spaziergang mit Grünen-Ratsherr Gardemin

„Dies ist hier kein Wahlkampf“, erklärt Daniel Gardemin am vergangenen Freitagnachmittag. Der Grünen-Politiker engagiert sich im Rat und im Bezirksrat insbesondere auch zu Wohnungsfragen. Als promovierter Sozialwissenschaftler hat er schon vor acht Jahren an Studien über Verdrängungsmechanismen in Stadtteilen mitgewirkt.
Darauf hat Gardemin am 29. August 2025 bei einem „Gentrifizierungsspaziergang“ auch in Linden hingewiesen. 20 Menschen und zwei Hunde sind dazu am Treffpunkt vor dem Lindener Rathaus erschienen. Es sollte nach Linden-Süd gehen. Hier haben das Stadtteilforum und Quartiersmanager Carsten Tech schon seit geraumer Zeit rund 20 Beispiele für Zweckentfremdung von Wohnraum aufgelistet.

Auf dem Weg dorthin war erste Station das Haus Posthornstraße 11. Das viereinhalbgeschossige Gebäude steht schon seit Jahren leer. Hintergrund sei – so einer der Spaziergänger mit Insiderwissen – dass der Eigentümer es verkaufen wollte und zu diesem Zweck sämtliche Mieter zum vorherigen Auszug bewegte. Unlängst habe das so geräumte Haus für eine knappe Million Euro den Besitzer gewechselt und werde nunmehr offenbar in Eigentumswohnungen aufgeteilt und modernisiert.
Linden-Süd ist Hotspot für fragwürdige Umwandlungen

Der Stadtteil mit dem höchsten Migrationshintergrund (55,1 %) im Stadtbezirk scheint aufgrund seiner citynahen Lage und auch wegen der Bausubstanz besonders interessant zu sein für spekulative Zweckentfremdungen. Zu erkennen sind diese zumeist durch verwirrende Namen an den Klingelschildern sowie kleine Schlüsselboxen in den Hauseingängen.
Ratsherr Gardemin führte die Gruppe zu umgewandelten, früheren Wohnhäusern in der Hengstmannstraße und in der Charlottenstraße. Ein ganz krasses Beispiel ist dort das Haus Nr. 53 – es fungiert seit Längerem komplett als „apart hotel“. Das modernisierte ehemalige Arbeiterhaus hat als heimliches Bordell Anfang dieses Jahres für Schlagzeilen gesorgt. Unter großem Polizeiaufgebot waren hier jugendliche Prostituierte und deren Zuhälter festgenommen worden. Eine der Spaziergängerinnen, die seit über 30 Jahren im Nachbarhaus wohnt: „Das hat nach dem Polizeieinsatz überhaupt nicht aufgehört!“, sagt sie. Immer noch würden dort Mädchen zu Sexgeschäften abgesetzt.