Neubau der Dornröschenbrücke: Politik streitet heftig über Zwischenlösung

Seit dem vergangenen Jahr ist bekannt, dass die aus den 1950er Jahren stammende Dornröschenbrücke zwischen Linden und der Nordstadt bautechnisch ihr Lebensende erreicht hat.

Die Brücke war und ist eine hochfrequentierte Verbindung für Fußgänger und Radfahrer zwischen Linden und Rest-Hannover. In den ursprünglichen Überlegungen der Verwaltung war für die Neubauzeit eine ernsthafte temporäre Ersatzlösung nicht einmal angedacht worden. Erst nachdem der Lindener Bezirksrat die Angelegenheit unübersehbar öffentlich gemacht hatte, beschäftigte sich auch die Ratspolitik mit den Problemen, die der Neubau für den Fuß- und Radverkehr mit sich bringt.

In der Mai-Ausgabe des LINDENSPIEGELS wurde ausführlich darüber berichtet. Zwischenzeitlich haben sich beinahe alle Parteien des Rates zu diesem Thema zu Wort gemeldet und ihre jeweilige Sicht der Dinge propagiert – Vorschläge, die von einem Fährbetrieb bis zu einer temporären Lösung mit einer Pontonbrücke reichen. Im Folgenden werden diese Statements im Original und unkommentiert den interessierten und oft auch sehr unmittelbar betroffenen Lindener BürgerInnen präsentiert.

Da die Baumaßnahmen ohnehin erst lange nach der im Herbst anstehenden Kommunalwahl beginnen werden, hat das Wahlvolk somit durchaus einen Einfluss auf die Politik, die dann über die Planung und Umsetzung des Bauvorhabens befinden muss.

Grüne:
Ein Fährbetrieb sollte möglich sein

Wir begrüßen den inzwischen von vielen Seiten mitgetragenen Vorschlag, die Justus-Garten-Brücke an der FAUST zu verbreitern. Wir weisen aber darauf hin, dass diese Maßnahme während der Baumaßnahme an der Dornröschenbrücke zwar Entlastung für den Radverkehr bringt, zu Fuß Gehende oder Mobilitätseingeschränkte aber nicht berücksichtigt. Wer zu Fuß zum Biergarten Dornröschen, zu den Kleingärten oder zu den Sportvereinen kommen möchte, dem ist nur mit einer Querung in unmittelbarer Nähe geholfen.

Wir hatten daher bereits zu Beginn der Debatte eine Fährverbindung zwischen Kötnerholzweg und dem Biergarten Dornröschen vorgeschlagen. Wir können uns gut vorstellen, dass diese Verbindung, mit Ausnahme der Wintermonate, auch dauerhaft betrieben werden könnte und somit unabhängig von der Planung an der Dornröschenbrücke ins Auge gefasst werden sollte.

Durch den einstimmigen Beschluss des Bezirksrates, ein Beteiligungsverfahren in Gang zusetzten, haben wir erst einmal Zeit gewonnen, da die Verwaltung nun der Dornröschenbrücke ein Jahr längere Standzeit zubilligt. Für uns ist zum jetzigen Zeitpunkt wichtig, den Juli abzuwarten und alle Beteiligten zu hören, damit keine vorschnellen Festlegungen getroffen werden. (Daniel Gardemin)

Die PARTEI:
„Einfach mal baden gehen“

Der Neubau der Dornröschenbrücke sorgt für Diskussionen, schließlich hat die Verwaltung kein Geld für eine Ersatzbrücke bereitgestellt und möchte stattdessen den gesamten Verkehr während der Bauzeit über die deutlich schmalere und hoch frequentierte Justus-Garten-Brücke zwischen Faustwiese und Strandleben laufen lassen. Während die CDU-Fraktion im Rat nun offiziell eine Behelfsbrücke beantragt hat und die SPD die Dornröschenbrücke einfach ein bisschen schneller bauen will, sieht Stadtbaurat Vielhaber die Umlenkung des Verkehrs auf die Justus-Garten-Brücke pragmatisch, denn Radfahrer können ja „auch mal schieben”.

Die-PARTEI-Stadtbezirksrätin in Linden-Limmer, Jasmin Grobleben, kontert: „Ein toller Rat! Entschleunigung ist schließlich gut für Geist und Körper. Ich rate Herrn Vielhaber daher, einfach mal zu Fuß zur Arbeit zu gehen, sein Auto zu schieben, wenn’s im Stau mal zu lange dauert, oder bei zu viel Stress: Einfach mal die Verkehrswende verschieben!“ Marc Oliver Schrank, Stadtbezirksratsherr Nord, hingegen weiß, wie man mit dem Bauamt umgeht: „Man kann die Brücke ja tatsächlich so bauen, dass der Überweg nur ganz kurz – circa drei Monate – nicht genutzt werden kann. Wenn man es richtig schlau anstellen will, kann man diese drei Monate dann noch in die kalte Jahreszeit legen – das ist dann aber echt next level Baukunst! Im Prinzip baut man die neue Brücke neben der Alten und reißt die Alte dann erst ab, um die Neue an die Stelle zu schieben. Wenn das Bauamt dazu Fragen hat – meine Nummer haben sie ja!“ In den beiden Bezirksräten hat Die PARTEI bereits letzte Woche ja den Antrag auf eine regelmäßige, eng getaktete Fährverbindung über die Leine gestellt, um den Weg zum nahegelegenen sowie namensgebenden Biergarten „Dornröschen“ sicherzustellen und auch dem Fährmannsfest zu einer namensgebenden Einrichtung zu verhelfen.

Dass die Initiativen aus den Stadtbezirksräten vom Rat kassiert werden, ist auch hier wieder wahrscheinlich. Nichtsdestotrotz zeigen sich Grobleben und Schrank vom Tatendrang der anderen Parteien aber einhellig begeistert: „Man wünscht sich fast, dass jedes Jahr Wahlkampf wäre!“

Die SPD:
Brücke muss zügiger umgebaut werden

„Die Dornröschenbrücke muss zügiger umgebaut werden“, erklärt Matthias Voß, Vorsitzender der SPD-Bezirksratsfraktion Linden- Limmer. „Mittelfristig fordern wir zudem eine Erweiterung der Justus-Garten-Brücke“, ergänzt der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Lars Kelich. Angesichts der herausgehobenen Bedeutung der Dornröschenbrücke für den Rad- und Fußverkehr zwischen Linden und der Nordstadt, müsse die Bauzeit auf ein Minimum begrenzt werden, meinen die beiden Fraktionsvorsitzenden. Die Stadt müsse dafür Sorge tragen, dass die vorbereitenden Arbeiten so geplant und durchgeführt werden, dass die Brücke möglichst lange geöffnet bleiben kann.

Eine Behelfsbrücke während der Bauzeit hält Kelich indes nicht für möglich: „Die örtlichen Begebenheiten sorgen leider nicht für einen verkehrlichen Mehrwert“, meint der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion. Ausweichen muss der Fuß- und Radverkehr während der Bauarbeiten an der Dornröschenbrücke auf die Justus-Garten-Brücke, die die nächstgelegene Verbindung zwischen der Nordstadt und Linden darstellt. „Die Justus-Garten-Brücke ist ohnehin ein Engpass, und sie wird während der Bauarbeiten an ihre Kapazitätsgrenzen gelangen“, ist Matthias Voß sich sicher. Der Lindener Bezirksratsfraktionsvorsitzende meint, dass deshalb auch hier Handlungsbedarf bestehe. Damit greifen die SPD-Fraktionen im Rat und im Bezirksrat Linden-Limmer grundsätzlich eine Forderung des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) auf. Dieser hatte gefordert, eine Behelfsbrücke an der Justus-Garten-Brücke aufzustellen. „Um das Problem tatsächlich zu lösen, benötigen wir mittelfristig einen echten Umbau mit Erweiterung der Justus-Garten-Brücke“, macht Voß deutlich. Kelich ergänzt: „Dabei müssen wir auch die Kapazitäten im weiteren Verlauf der Radstrecke auf der anderen Seite der Brücke im Stadtbezirk Mitte erweitern.“

Dornröschenbrücke
Wie soll während des Neubaus der Dornröschenbrücke die Verbindung zwischen Linden und der Nordstadt hergestellt werden? Die Parteien haben dazu unterschiedliche Meinungen.

Kelich und Voß sind sich einig: „Durch die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen würde am Ende viel Qualität für den Rad- und Fußverkehr gewonnen werden.“

Die Linke:
Ein Provisorium ist unabdingbar

Die 1959 erbaute Dornröschenbrücke muss ersetzt werden. Ein Provisorium während der Bauphase ist jedoch unabdingbar, da durch den Wegfall der Verbindungsader zwischen Linden-Limmer und der Nordstadt weite Umwege in Kauf genommen werden müssten und vorhandene Brücken schon jetzt überlastet sind“, so der Lindener Baupolitiker und Fraktionsvorsitzende Dirk Machentanz (DIE LINKE). In der Anfrage der LINKEN an die Stadtverwaltung haben wir die Möglichkeit der Verwendung einer Pontonbehelfsbrücke während der Bauphase mit einbezogen. Auch die Kostenanfrage eines Fährdienstes an besagter Stelle war Teil der Anfrage der LINKEN. Die Antwort der Verwaltung implizierte unter anderem, dass herkömmliche Behelfsbrücken, wie oben erwähnt, an die 700.000 Euro kosten würden und der Einsatz von Pontonbrücken an besagter Stelle der Leine nicht statthaft seien, da es sich um eine Bundesschifffahrtsstraße erster Ordnung handelt und somit der Schifffahrtsverkehr ungehindert vonstatten gehen müsse. Die Kosten für den Fährdienst hat die Stadtverwaltung vorerst nicht beantworten können.

Die Ampelkoalition (SPD/Bündnis90/Die Grünen/FDP) ist gegen eine Behelfsbrücke und stattdessen für die Verwendung der 700.000 Euro für den weiteren Ausbau von Velorouten. Bereits im Stadtentwicklungs- und Bauausschuss hat die Ampelkoalition einen Prüfantrag der CDU zum Bau einer Behelfsbrücke mehrheitlich abgelehnt. Desweiteren sprach sich Daniel Gardemin (Bündnis90/ DIE GÜNEN) neuerlich für den Einsatz einer Pontonbrücke aus. „Es ist bezeichnend, dass die Ampelkoalition in dieser Sache leider keinen brauchbaren Lösungsansatz liefert und stattdessen eine bereits als nicht umsetzbar bezeichnete Lösung anbietet, nämlich die Pontonbehelfsbrücke. Da diese Variante nicht möglich zu sein scheint, ist unser Teil der Anfrage zu einer Fährverbindung dringend nachträglich zu beantworten. Wenn schon die Ampel keinen umsetzbaren Ansatz für eine Behelfslösung liefert, muss das nicht bedeuten, dass nicht doch noch ein brauchbarer Weg gefunden wird“, so Machentanz.

Die CDU:
Eine Alternative ist notwendig

Die CDU-Ratsfraktion fordert in einem Antrag, dass für die Zeit des Neubaus der Dornröschenbrücke ortsnah eine Behelfsbrücke errichtet werden soll. Dies wird derzeit von der Stadtverwaltung und dem Ampel-Bündnis abgelehnt. Das sagt Jens Seidel, Fraktionsvorsitzender der CDU-Ratsfraktion Hannover: „In unserem Antrag fordern wir, bei den weiteren Planungen des Neubaus der Dornröschenbrücke eine Behelfsbrücke aufzunehmen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist dies noch sehr gut möglich, so hat die Verwaltung eine Behelfsbrücke als prinzipiell machbar dargestellt. Wer die Lage vor Ort kennt, weiß, dass eine Alternative notwendig ist.

Es ist schon ein starkes Stück, dass sich die Stadtspitze unter grüner Leitung und das Ampel-Bündnis gegen eine Ersatzbrücke aussprechen. Dabei handelt es sich bei der Dornröschenbrücke um eine elementare Radfahrer- und Fußgängerbrücke. Schon jetzt ist erkennbar, dass die Schwanenburgbrücke und die Justus-Garten-Brücke vom zusätzlichen Verkehrsaufkommen überlastet werden. Radfahrer und Fußgänger scheinen dem grünen Oberbürgermeister und der Ampel-Mehrheit im Rat egal zu sein. Auch die Meinung vor Ort wird wieder einmal vom Tisch gefegt. Insgesamt ein fatales Signal für die Mobilität in unserer Stadt.“

Lindenspiegel 06-2021

Bildnachweis: Lindenspiegel, Wiesemann