„Man kann von hier aus über ganz Hannover schauen. Ein Traum von einer Wohnung“
Im Fahrstuhl werde ich freundlich gegrüßt von einem jungen Mann, der im 8. Stock aussteigt. Ich fahre noch zwei Stockwerke höher. Ein großes buntes Gemälde vor einer sonnengelben Wand heißt mich im Eingangsbereich der 10. Etage willkommen. Da kommt auch schon Fakhrollah um die Ecke, um mich zu begrüßen. Wir gehen nun durch eine Tür und stehen auf einem langen Balkon, von dem aus mehrere Wohnungstüren abgehen. Fakhrollah präsentiert mir stolz die Panoramaaussicht: von den drei warmen Brüdern über die Ihme, die Calenberger Neustadt bis zur Südstadt. „Von hier kann man immer super den Feuerwerkswettbewerb sehen“, so Fakhrollah. Dann gehen wir in die Drei-Zimmer-Wohnung, wo sein Mitbewohner Babar schon auf uns wartet. In Fakhrollahs Zimmer hängt neben dem Fenster ein großes Gemälde mit einem Vogelschwarm vor blauem Hintergrund. „Das hat eine Freundin mir geschenkt“, erzählt der 22-Jährige, der vor vier Jahren aus Afghanistan nach Deutschland gekommen ist. Er hat eine Ausbildung als Servicekraft angefangen. Leider hat er die Prüfung nicht bestanden und hofft, sie beim nächsten Versuch zu schaffen. Darauf bereitet er sich gerade vor. Wenn er die Ausbildung nicht erfolgreich abschließt, droht ihm die Abschiebung nach Afghanistan. Seine Deutschkenntnisse hat er sich selbst angeeignet, erzählt er in recht fließendem Deutsch. Babar ist 30 Jahre alt und kommt aus Pakistan. Er arbeitet seit 3,5 Jahren als Gerüstbauer. Er würde gerne eine Ausbildung als Gerüstbauer machen. Bis jetzt wird er von seinem Chef aber lieber als günstige Arbeitskraft eingesetzt.
Das dritte und größte Zimmer ist das Archiv des Künstlers Manfred Hinz, der den beiden jungen Männern die Wohnung vermietet und gleich nebenan mit seinem Lebenspartner Wolfgang wohnt. Er lädt uns für das Interview in ihre etwas größere Wohnung ein. Vorher haben Fakhrollah und Babar in Flüchtlingsunterkünften gewohnt. „Das war schrecklich, man konnte nachts nicht schlafen, es waren zu viele Menschen und zu wenig Platz“. Seit einem Jahr wohnen er und sein Mitbewohner Babar nun im Ihmezentrum und sind sehr glücklich darüber. Fakhrollah findet es super, dass er von hier aus alles mit dem Fahrrad erreichen kann und natürlich den Ausblick: „Man kann von hier aus über ganz Hannover schauen, ein Traum von einer Wohnung“. Es wäre aber schön, wenn das Ihmezentrum renoviert werden würde und wieder Geschäfte öffnen, findet Fakhrollah. Er träumt von einem Konzert seiner Lieblings-Schlagersängerin Helene Fischer im Ihmezentrum. Angst haben sie hier nicht, auch wenn andere Menschen oft sagen: „Was, du wohnst im Ihmezentrum, das ist doch gefährlich“, erzählt Fakhrollah. „Das sind nur die, die es nicht kennen. Wenn sie dann zu Besuch kommen gefällt ihnen die Aussicht“, sagt Babar. Leben gern in ihrer Wohngemeinschaft im Ihmezentrum: Fakhrollah und Babar. Einfach ist es aber nicht mehr, eine Wohnung im Ihmezentrum zu bekommen. Seitdem der neue Investor sie hat renovieren lassen, sind sie sehr schnell weg und vermietet, berichtet Wolfgang. Als Deutschlehrer für A0- Kurse hat er von der Wohnungssuche der beiden jungen Männer erfahren und da die 2. Eigentumswohnung von Manfred gerade leer stand, hat er sie ihnen vermittelt. Am Anfang waren einige der alteingesessenen Hausbewohner skeptisch gegenüber den fremden, jungen Männern. „Es gibt hier schon viele Vorurteile, vor allem bei den älteren Bewohnern“, so Manfred. Aber nachdem sie sich persönlich bei den Hausbewohnern vorgestellt haben, waren die Zweifel schnell überwunden.
Auch jetzt unterstützt Wolfgang seine neuen Nachbarn noch beim Deutsch üben und Manfred begleitet die beiden zu Behördengängen. Fakhrollah und Babar helfen Manfred im Gegenzug bei Veranstaltungen in der Zukunftswerkstatt. Außerdem wird regelmäßig zusammen gekocht und gegessen – wie in einer Familie.
Das Gespräch mit Fakhrollah und Babar führte Kathrin Apelt (kargah e.V./Mitglied des Think Tank ‚The beauty of failure‘).