Wir fühlen uns bis heute wohl im Ihmezentrum
Seit 1969 wohne ich in Hannover – über die Nordstadt und die Calenberger Neustadt bin ich nach Linden gekommen. Nach einer Eigenbedarfskündigung wollten meine Frau und ich nicht mehr mieten, sondern kaufen: Innenstadtnah sollte es sein, eine lebendige Infrastruktur und gute Einkaufsmöglichkeiten wollten wir, gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr – bis heute haben wir kein Auto.
Im Sommer 1992 sind wir dann hier eingezogen – die Rahmenbedingungen waren gut, der Gebäudekomplex war ja noch intakt. Der Wohnungszuschnitt war perfekt für uns und die Aussicht ist einfach ein Traum.“ Gerd Fahrenhorst engagiert sich – ganz selbstverständlich und ohne großes Pathos – unter anderem auch dort, wo er ist. So im Ihmezentrum als einer der Haussprecher für die Spinnereistraße 1 und in der Zukunftswerkstatt im Vorstand. Haussprecher ist er seit 25 Jahren in einem Haus, in dem die einzelnen EigentümerInnen zwar die Mehrheit bilden gegenüber dem Großeigentümer – trotzdem bisher nie den Großeigentumsvertreter überstimmen konnten – auch, weil bei den EigentümerInnenversammlungen nie immer alle da sind.“
Trotz der schwierigen Gesamtsituation beschreibt Gerd Fahrenhorst die Ereignisse und Entscheidungen der Eigentümergemeinschaft auch innerhalb des Gesamtkomplexes über all die Jahre sehr sachlich. Meine wiederholte Frage nach erlebten Katastrophen oder dramatischen Sitzungsverläufen verhallt.
Fahrenhorsts fühlen sich bis heute wohl in ihrem Haus. Es gibt Nachbarinnen und Nachbarn, mit denen sie guten Kontakt haben, mit anderen weniger – ganz normal. Insgesamt leben hier 70 Parteien und eine große Vielfalt an Menschen. Gerd Fahrenhorst unternimmt regelmäßig etwas mit zwei Jungs, die mit ihren Familien im Haus wohnen. Daraus macht er keine große Sache. Mit der Gestaltung des Treppenhauses, mit Blumen im Eingangsbereich – eben mit kleinen Dingen kümmert sich die Gemeinschaft.
„Als Mitglied der Zukunftswerkstatt Ihmezentrum interessieren mich die ungenutzten Flächen. Der Großeigentümer Engel hat zu seiner Zeit alle Gewerbemieter gekündigt und wollte die Ladenzeile renovieren. Von der Idee nicht schlecht, wurde aber nicht weiter geführt. Teilweise ist es nicht einfach, Bewohner und Haussprecher und gleichzeitig aktiv in der Zukunftswerkstatt zu sein. Es gab einige Kontroversen – die sehr forsche Art einiger Akteure hat auch abgeschreckt. Mittlerweile sind wir ruhiger geworden in der Zukunftswerkstatt – fast schon zu ruhig. Es fehlt uns an Futter, wir warten auf die Bürgerbeteiligung und auf die Pläne des neuen Großeigentümer, Herrn Windhorst.“
Wir reden länger über „Beteiligung“ und was man machen kann, um die Nachbarinnen und Nachbarn zu aktivieren und darüber, was die Menschen denn davon haben, wenn sie sich beteiligen. Ein interessantes Thema in einem Gebäudekomplex mit mehr als 1.000 Bewohnerinnen und Bewohnern, die zum großen Teil eingezogen sind, um hier gut zu leben.
Nach seiner Motivation für seinen Einsatz gefragt, bleibt Gerd Fahrenhorst gewohnt sachlich. Er ist eben kein Typ, der vorm Fernseher sitzen mag, sein Engagement ist Lebensstil. „Ich bin relativ ordnungsliebend – also mache ich gern die Mitgliedsbetreuung oder auch mal die Rechnungsprüfung. Wo andere sich ärgern oder begeistern, bleibe ich eher sachlich – eben lösungsorientiert. Das fühlt sich für mich richtig an. Natürlich kann ich mich auch freuen. Ich finde es gut, dass Hannover in die zweite Bewerbungsphase zur Kulturhauptstadt 2025 gewählt wurde und möchte hier im Ihme-Zentrum die Kulturhauptstadt mitgestalten. Beton kann auch schön sein. Es ist wichtig, dass wir in der Zukunftswerkstatt, Ihr mit der Kulturhauptstadtbewerbung und viele Künstler und Kreative im Ihme-Zentrum aktiv bleiben. So lange es so ist, wie es jetzt ist, brauchen wir die Öffentlichkeit.“
Das Gespäch mit Gerd Fahrenhorst führte Ingrid Wagemann