Am gestrigen Abend hatte die private Initiative „Zukunftswerkstatt Ihme-Zentrum“ zu einer Podiumsdiskussion ins Lindener Capitol geladen. Dabei ging es um die im Januar dieses Jahres von einer Gruppe von Bewohner in Kooperation mit einigen Experten verschiedener Fachgebiete erarbeiteten Denkschrift zum Thema, wie das Ihme-Zentrum revitalisiert werden könnte. Mit einem grob kalkulierten Aufwand von 300 Millionen Euro, sollte demnach der Betonkomplex saniert und dessen Nutzung neu konzipiert werden.
Etwa 500 Interessierte erschienen zu der Veranstaltung, etwa die Hälfte davon Bewohner des Ihme-Zentrums. Auf dem Podium haben Platz genommen: Lars Kelich (SPD-Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt Hannover), Elisabeth Clausen-Muradian (Grüne-Fraktionsvorsitzende im Rat der Stadt Hannover), Karin Menges (Bewohnerin im Ihme-Zentrums), Karin Kellner (Architektin, Vorstandsmitglied der Architektenkammer Niedersachsen), Gerd Runge (Architekt, seit Langem in Lindener Planungsprozessen engagiert), Hans Mönninghoff (ehemaliger Wirtschafts- und Umweltdezernent der Stadt Hannover) und Elena Grothe (Betreiberin einer Gaststätte im Ihme-Zentrum). Moderiert wurde das Format von Conrad von Meding, Redakteur bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und erfahrener Experte für städtebauliche Themen in Hannover.
Zunächst stellte Gerald Maass, Vorstandsmitglied der Zukunftswerkstatt in einem Vortrag die aktuellen Sorgen der Bewohner in den Mittelpunkt. Da mit einer Sanierung durch die PIZ (Projekt Ihme-Zentrum) des Großeigentümers Lars Windhorst nicht mehr zu rechnen sei, kommen erhebliche Kosten und Risiken auf die anderen Eigentümer zu. Bisher trägt Windhorsts PIZ rund 83 Prozent des monatlichen Hausgeldes (vergleichbar mit den Nebenkosten bei Mietverhältnissen), welches sich auf mindestens 300.000 € beläuft. Seit Dezember 2022 haben sich bereits Außenstände in Höhe von über einer Million Euro angehäuft. Wenn die Stadtverwaltung und Enercity zum 1. Juli 2023 ihre Mietzahlungen einstellen, dann drohen den wenigen verbliebenen Gewerbetreibenden und den Wohnungseigentümern Insolvenzen. Die PIZ hat dann wegen des Wegfalls der Einnahmen von den bisherigen Anker-Mietern kaum noch Einnahmen. Würde Windhorst infolgedessen die Zahlung seines Hausgeld-Anteils komplett einstellen, müssten dafür die verbliebenden Eigentümer aufgrund der bestehenden Teilungserklärung aus den seit den Achtzigerjahren bestehenden Vertragswerken aufkommen. Je Wohnung würde sich das in etwa auf 473 € Mehrkosten jeden Monat belaufen.
Der in Vertretung für den verhinderten OB Belit Onay erschienene Leiter des Fachbereichs Planen und Stadtentwicklung der Stadt Hannover Thorsten Warnecke blickte zunächst zurück, dass die Stadt seit Jahren mit dem Ihme-Zentrum beschäftigt sei. Als langjähriger Mieter von Gewerbeflächen seien dafür erhebliche Summen an die Eigentümer geflossen. Dabei habe man die Mietverträge so gestaltet, dass aus der Nichterfüllung vertraglicher Vorgaben bezüglich der zu erreichenden Sanierungsfortschritte Pönalen für die Eigentümer resultierten. Die Zielsetzung der Stadt sei laut Warnecke weiterhin, im Ihme-Zentrum, wieder ein lebendiges Quartier zu schaffen. Windhorst als Investor sei jedoch nicht bereit, die mit der Stadt getroffenen Vereinbarungen zu erfüllen. Weiter machte Warnecke deutlich, dass das Ihme-Zentrum ein Privatgrundstück sei, an dessen Grundstücksgrenze die Einflussmöglichkeiten der Stadt aufhörten. Mit diesem Statement zog er erwartungsgemäß erheblichen Unmut und Empörung großer Teile des Publikums auf sich.
In der Denkschrift wird über eine Zwangsversteigerung der Windhorst-Anteile und die Zeit danach nachgedacht. Vorausschauend wird eine vorbereitende Untersuchung der Immobilie vorgeschlagen, deren Kosten von etwa 100.000 Euro sollte jetzt die Stadt aufbringen. Anhand dieser Untersuchung könnte man den Sanierungsbedarf der gesamten Immobilie feststellen. Diese wäre gleichzeitig Voraussetzung, um später Fördergelder von Bund oder Land zu erhalten.
In der folgenden Podiumsdiskussion und in Stimmen aus dem Publikum wurden noch manche Vorschläge und Meinungen geäußert.
Bewertet man die bisherigen Aussagen der Stadtverwaltung, kann aus deren Sicht nur der Eigentümer der Gewerbeflächen diese auch sanieren. Alle bisherigen „Heuschrecken“ haben jedoch nur bildreiche Planungen in „warmen Worten“ vorgestellt, einen echten Umsetzungswillen aber nie gezeigt, sind pleitegegangen oder haben vorzeitig aufgegeben. Vermutlich konnte nie die erforderliche Anzahl an Gewerbemietern für die geplanten Einzelhandelsflächen akquirieren werden, was den angedachten Umbau hätte finanzieren können. Ohne die Stadt und Enercity als Büromieter ist jetzt eigentlich eine Insolvenz dieser Windhorst GmbH zwangsläufig. Das würde zu einer neuen Zwangsversteigerung führen. Daran, dass Windhorst plötzlich noch einen neuen Eigentümer präsentiert oder mit dem Umbau beginnt, ist nicht zu glauben. Somit ist es jetzt an der Zeit für ein Umdenken mit neuen Konzepten. Alle bisherigen sind gescheitert. Ein Vorschlag in Form der Denkschrift liegt vor. Jetzt muss die Stadtverwaltung ihre bisherige Haltung beenden und sich ernsthaft mit den darin enthaltenen Ideen auseinandersetzen und diese weiterentwickeln. Abwarten, bis Teile des Betons einstürzen und dann betroffene Flächen absperren? Nein, das ist kein Lösungsansatz!