Die Entscheidung über den Neubau des Fössebades einschließlich eines neuen Fössefreibades an der Liepmannstraße rückt näher. Die Stadt steht inzwischen auf dem Standpunkt, Hallenbad und Freibad in einem Zug neu bauen zu wollen. Das spart die doppelte Baustelleneinrichtung und den Bau von zwei technischen Versorgungseinheiten. Und es befriedet nicht nur in Linden das Unverständnis großer Teile der Stadtbevölkerung, dem Hallenbadneubau des seit 180 Jahren existierenden Lindener Freibades opfern zu wollen.
Eine Beschlussvorlage ist von der Stadtverwaltung erarbeitet worden, steckt aber seit Beginn der Corona-Krise im Verfahrensablauf fest. Der Kämmerer hadert mit der Dynamik der Gewerbesteuereinnahmen und die Regierungskoalition von Union und SPD kann sich zu keinem kommunalen Entschuldungsprogramm durchringen. Also wird von der Stadtverwaltung geschoben, wo es nur geht.
Dabei war es schon kein leichter Weg, jetzt ein überparteiliches Einverständnis zu einem neuen Kombi-Bad zu erreichen. Mit vielen Veranstaltungen und politischen Anträgen haben wir aus dem Stadtbezirk Linden-Limmer heraus über Jahre versucht, auf Stadt und Stadtpolitik einzuwirken, ein ausgewogenes Angebot für Familien und Sport im Sommer wie im Winter am Standort des abgängigen alten Fössebades zu sorgen. Denn zuerst hatten sich Sportinteressen durchgesetzt, die ein Wettkampfbad mit großer Tribüne als Ersatz für das veraltete und zum Teil marode Stadionbad am Maschsee im Stadtteil Linden errichten wollten. Ein Freibad hätte da nur gestört, so dass vorsorglich Wohnungsbau auf und an der Fössebadwiese mitgeplant wurde, der dauerhaft ein mit Kindern belebtes Außengelände verhindert hätte. Dabei ging es dem Stadtteil nie um eine Verhinderung von Sportveranstaltungen, doch eine dauerhafte Wettkampfarena mit 500 Tribünen- und noch einmal so vielen Beckenrandplätzen für Schwimmleistungswettkämpfe und Championsleague-Spiele der Wasserballmannschaft würde an etlichen Wochenenden im Jahr ein Schwimmbadbesuch für Familien und andere Nichtsportgäste unmöglich machen.
Die angesetzten Bau- und Planungskosten liegen bei 30 Millionen Euro, davon 2,7 Millionen für das Freibad. Eine Summe, die sinnvoll in die Zukunft des Stadtbezirks und die westlich angrenzenden Stadtteile investiert wird. Seit Jahren steigen in Hannover die BesucherInnenzahlen in den Freibädern. Im vergangenen Jahr waren die ebenfalls guten Vorjahreszahlen bereits im Juli überschritten. Sicherlich tragen die warmen Sommer deutlich zur gestiegenen Attraktivität der Freibäder bei. Aber auch die Zunahme der Stadtbevölkerung insgesamt, die steigenden Geburtenzahlen und veränderte Reisegewohnheiten sind Gründe für den Freibadbesuch.
Freibäder und auch Hallenbäder sind Treffpunkte des sozialen Miteinanders, Orte des Ausruhens vom hektischen Alltag in einer lauten Stadt, Lernorte der Wassergewöhnung und des Schwimmunterrichts und ein erschwingliches Stück Urlaub vor der Haustür. In den vergangenen Jahren sind immer mehr Freibäder in Deutschland geschlossen worden. Vor allem die Zusammenlegung mehrerer Bäder zu einem neuen Bad waren nicht nur Ausdruck klammer Kassen, sondern auch eine Missachtung der kommunalen Daseinsvorsorge. Vor allem Schwimmbäder, die grundsätzlich nicht kostendeckend arbeiten, waren die ersten Opfer der Sparmaßnahmen der Kommunen, die inzwischen weitere gesellschaftliche Bereiche ergriffen haben. Der Rechnungshof Schleswig-Holstein empfahl 2015 den Kommunen dementsprechend, es könne „angesichts der Finanzsituation der jeweiligen Kommune im Einzelfall geboten sein, ein Schwimmbad zu schließen.
Denn so wünschenswert die Aufrechterhaltung des derzeitigen Angebots an Schwimmbädern auch ist, zum unabdingbar erforderlichen Kern der kommunalen Aufgabenerfüllung zählen Schwimmbäder nicht.“ Dabei verkennt der finanziell argumentierende Ansatz die Notwendigkeit von Grundbedingungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Dazu gehören soziale Orte als Orte der kulturellen Vergemeinschaftung. Es entsteht an diesen Orten ein ganz elementarer Beitrag zu einer resistenten Stadtgesellschaft, die Widerstandskräfte gegen Entwurzelung, Vereinsamung und soziale Ausgrenzung benötigt. Auch und gerade gehört dazu, sich schwimmend im Wasser sicher zu fühlen. Gleichzeitig werden andere gesellschaftliche Einrichtungen viel stärker subventioniert als Schwimmbäder, ohne dem gleichen Druck ausgesetzt zu sein. Es entsteht in dieser Situation der Eindruck, dass Schwimmbäder den geringsten Schutz im Vergleich zu subventionierten Einrichtungen der Hochkultur oder erst recht des Agrarwesens, der Energiewirtschaft und der Automobilindustrie genießen.
Im Fall des sanierungsfälligen Fössebades wird zudem sichtbar, dass hier das leistungssportorientierte Hallenbad gegen das Freibad ausgespielt wurde. Hinter dem Hallenbad standen organisierte Interessen, während das Freibad „nur“ aus der Bevölkerung gefordert wurde. Ein Freibad steht offensichtlich am Ende der Verwertungskette. Das war nicht immer so. Es stellt sich daher die Frage, weshalb es bis in die neunziger Jahre auch in kleinen Kommunen selbstverständlich und auch finanzierbar war, ein Freibad vorzuhalten. Das Fössefreibad steht seit 180 Jahren in Linden und hat in der gewachsenen Stadt, bei wärmeren Sommern, einer hohen Attraktivität des Stadtteils und bei größeren Mobilitätsradien junger Menschen heute wahrscheinlich mehr potentielles Badepublikum als je zuvor.
Dazu kommen starke soziale Verwerfungen. Der Stadtbezirk Linden-Limmer weist mit die höchsten Armutsrisiken in Hannover auf. Im jüngst erschienenen Armutsreport wird deutlich, wie hoch Familien- und Kinderarmut in Linden sind. In Linden-Süd beträgt der Anteil von Kindern mit Transferleistungbezug mehr als 45 Prozent an allen Kindern im Stadtteil. Es braucht vor allem in Stadtbezirken mit hohen Armutsanteilen Orte der Begegnung, Möglichkeiten des nachbarschaftlichen Bezugs. Umso erfreulicher ist die inzwischen gereifte Erkenntnis, die beabsichtigte dauerhafte Schließung des Freibades zu verwerfen und auf ein hochwertiges Kombinationsbad zu setzen. Diese Entscheidung steht in der Tradition einer Stadt, die sich – mit Ausnahmen – dafür einsetzt, kommunale Einrichtungen wie Jugendzentren, Freizeitheime, Bibliotheken, Kultureinrichtungen, Sportstätten und Wohnraum in eigener Hand zu behalten. Leider hat es dennoch in der Zeit der Haushaltseinsparungen eine Phase des Verkaufs von Wohnhäusern und der Schließung einer Stadtteilbibliothek auch in unserem Stadtbezirk gegeben. Mit der Entscheidung zum neuen Fössebad scheint diese Entwicklung nicht fortgesetzt zu werden. Dafür ist allerdings ganz schön viel Wasser die Fösse runtergelaufen. Harte Verhandlungen, Enttäuschungen, Kompromisse, Zugeständnisse, Rückschläge und ein starkes Gewicht Lindener Ratspolitik führten schließlich zu dem vorzeigbaren Ergebnis. Hoch anzurechnen ist allen Beteiligten, dass sie jetzt hinter dem Vorhaben stehen und mit nicht unerheblichem Kraftaufwand ein Stück Hannover für die Zukunft fit machen. Wie bereits das nahe am Fössebad liegende Neubaugebiet Wasserstadt mit zukünftig 2000 BewohnerInnen zeigt, ist der Stadtbezirk Linden – Limmer noch längst nicht am Ende seiner Entwicklung und auch die Nachbarstadtteile werden weiter wachsen.
Auch das Béi Chéz Heinz erhält eine Perspektive. Die Betreiber haben die Stadtverwaltung gebeten, drei Örtlichkeiten für einen neuen Standort des Chéz Heinz zu prüfen. Die Stadt ist dem Prüfauftrag gefolgt und hat mitgeteilt, eine Nutzung des ehemaligen Wasserspielplatzes auf dem Fössebadgeländes ist für einen Neubau des Chéz Heinz „grundsätzlich nach Abschluss der geplanten Baumaßnahmen möglich.“