Das einstige Vorzeige-Wunderkind des ungehemmten Finanzkapitalismus in den 1990er-Jahren während der Ära unter Kanzler Kohl bereitet nicht nur dem Fußballverein Hertha BSC, der Flensburger Schiffbau Gesellschaft, sondern auch Linden mit dem Ihme-Zentrum wesentlich mehr Probleme als Lösungen. Mit fremdem Geld verkauft sich der windige Horst als großartiger Problemlöser und erweist sich als schlapper Papiertiger, wenn es um die Umsetzung der großspurig angekündigten Projekte geht.
Die Presseberichterstattung über eine Bewährungsstrafe (Spiegel-Online, 04.11.2010), regelmäßig verspätete Zahlungen an den Berliner Fußballclub (NTV, 07.11.2020), ein eingeleitetes Insolvenzverfahren (Finanzgericht Amsterdam, 11/2021) oder Verwicklungen in „Scheingeschäfte, mit später verurteilten Geldwäschern“ (HAZ, 22.01.2022) hätte zumindest sukzessive zur Vorsicht im geschäftlichen Umgang mit der Windhorst-Gruppe führen müssen.
Statt sprühender Ideen (HAZ, 09.07.2019) setzte Windhorst mit großflächigem Einzelhandel im Sockel auf genau das Nutzungskonzept, mit dem die vorangegangenen drei Großeigentümer gescheitert waren. Erstaunlich ist, weshalb die Stadtverwaltung so lange an diesem offenbar veraltetem Nutzungskonzept festhielt, zumal sie parallel mit erheblichen leer stehenden Einzelhandelsflächen in 1A-Lagen der hannoverschen Innenstadt beschäftigt ist.
Wenig überraschend war deshalb für die AG Planung der Zukunftswerkstatt Ihme-Zentrum, dass die im Mietvertrag mit der Stadt vereinbarten und terminierten Vermietungsziele verfehlt wurden. Bisher hat die Stadt auf die verfehlten Zwischenziele lediglich mit der Einräumung von Nachfristen reagiert. Wohl etwas zu wenig. Es scheint, dass Windhorst für sein offenbar unrealistisches Konzept auch keine ausreichende Finanzierung mehr findet. Das ist das Ergebnis der Eigentümerversammlung des Ihme-Zentrums vom 12. Dezember 2022. Seit April 2022 ist die Windhorst-Gruppe mit der Zahlung der Sanierungsumlage für die Sanierung des Sockelgeschosses rückständig. Deshalb kann nur ein Bruchteil der erforderlichen Arbeiten beauftragt werden. Offen sind inzwischen über 12 Millionen Euro. Die Hausverwaltung versucht jetzt auf dem Weg der gerichtlichen Zwangsvollstreckung die ausstehenden Zahlungen einzutreiben. Seit November verschärft sich die Situation dadurch, dass die Windhorst-Gruppe jetzt auch die Hausgeldzahlungen eingestellt hat. Offen sind für November und Dezember derzeit 600 000 Euro. „Da jetzt der Großeigentümer auch noch die Kosten für den Unterhalt der Gebäude schuldig bleibt, sollte die Stadtverwaltung ihre Kündigungsoptionen nutzen“, so Robert Marlow, Präsident der Architektenkammer Niedersachsen.
Sprecher der Windhorst-Gruppe haben angekündigt, bis Jahresende 2022 mindestens 25 Millionen Euro bei Investoren einzuwerben. Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert oder dass jetzt ein fünfter Investor als weißer Ritter auftaucht, um die Probleme für die Stadt Hannover zu lösen, ist jedoch eher noch geringer geworden: Zu den verworrenen Eigentumsverhältnissen und der fehlenden Stadtplanung, wie das Ihme-Zentrum in den Stadtteil Linden integriert werden kann, kommt jetzt noch der Verlust der großen Gewerbemieter Stadt Hannover und demnächst auch enercity hinzu.
Die Stadtverwaltung muss sich nun dringend eine zweite Handlungsoption aufbauen. Die AG Planung hat seit Jahren Konzepte zur Integration des Ihme-Zentrums in den Stadtteil vorgelegt. Sowohl zu den Nutzungskonzepten, zur Einbindung in Verkehrs- und Wegesysteme, zum Stadtraum als auch zur Entwicklung der Freiflächen. All dies wurde im Stadtteil vorgestellt und diskutiert. Umgesetzt werden können diese Vorschläge nach Überzeugung der AG Planung mit dem Instrumentarium des Baugesetzbuches für die Beseitigung besonderer städtebaulicher Missstände. Dazu werden in einer ersten Stufe der vorbereitenden Untersuchung, planerische, wirtschaftliche und rechtliche Voraussetzungen zusammengetragen, die ohnehin als Entscheidungsgrundlagen für jedes weitere Vorgehen erforderlich sind. Mit diesen Ergebnissen können zudem Bundes- und Landesmittel eingeworben werden. Auf einer derart erstellten Grundlage kann politisch seriös entschieden werden, ob der öffentliche Nutzen den öffentlichen Mitteleinsatz rechtfertigt. „Leider gab es trotz unserer fundierten Vorschläge in den vergangenen Jahren keine inhaltliche und konstruktive Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung. Die Verhandlungen wurden ausschließlich mit dem jeweiligen Großeigentümer geführt“, so Karin Kellner, Stadtplanerin und Architektin.
Es drängt die Zeit für einen schnell umsetzbaren „Plan B“: Wenn die Windhorst-Gruppe weiterhin ihre Hausgeldzahlungen schuldig bleibt, muss nämlich gemäß dem Kostentragungsschlüssels des Ihme-Zentrums die Landeshauptstadt Hannover als einzige, verbleibende zahlungskräftige Gewerbeeigentümerin einspringen. Diese Kosten belaufen sich monatlich auf 200.000 bis 300.000 Euro. „Dann wird sich leider zeigen, wie wenig die von der Stadtverwaltung seit Jahren wiederholte Aussage, das Ihme-Zentrum sei ein privates Problem, mit der Realität der steuerzahlenden BürgerInnen zu tun hat“, so Gerd Runge, Architekt und Sprecher der AG Planung der Zukunftswerkstatt Ihme-Zentrum.
Robert Marlow, Karin Kellner und Gerd Runge sind Mitglieder der AG Planung der Zukunftswerkstatt Ihme-Zentrum