In der Sitzung des Stadtbezirksrates Linden-Limmer am vergangenen Mittwoch kündigte Bezirksbürgermeister Rainer-Jörg Grube eine Hiobsbotschaft an: Der Neubau der Brücke über die Nieschlagstraße, eine der wichtigsten Verbindungen zwischen Linden-Mitte und Linden-Nord, wird um mindestens zwei Jahre verschoben. Ursache ist ein kontroverser Beschluss des Stadtentwicklungs- und Bauausschusses vom 6. November, der die Planungskosten für den Neubau streicht.
Politischer Beschluss ohne Abstimmung mit der Verwaltung
Der einstimmige Beschluss der Fraktionen von SPD, CDU und FDP kam ohne Rücksprache mit der Stadtverwaltung zustande, die bereits mit der Planung des Neubaus begonnen hatte. Gegenüber Bezirksbürgermeister Grube äußerte sich die Verwaltung so: „Das bringt alles durcheinander.“
Die Begründung der Fraktionen wirkt pragmatisch: Die belastungsbedingte Sperrung der Brücke für den Kfz-Verkehr habe keine gravierenden Auswirkungen gezeigt. Daher erscheine eine Verschiebung der Sanierung um zwei Jahre vertretbar.
In der Realität bedeutet dies jedoch einen kompletten Stillstand: Zwei Jahre Planungsunterbrechung, danach zwei Jahre Planungszeit und schließlich ein weiteres Jahr Bauzeit. Die Brücke bleibt somit für mindestens fünf weitere Jahre für den Autoverkehr gesperrt.
Mehrverbrauch an CO₂-Verbrauch durch Brückensperrung
- Vor der Sperrung der Brücke war diese für Kraftfahrzeuge eine wichtige Verbindung zwischen Linden-Mitte und -Nord. Eine von der Stadtverwaltung am 20. Mai 2021 durchgeführte Verkehrszählung ergab, dass an diesem Tag 2.067 Autos diese passiert haben
- Angenommen, die Autos fahren stattdessen die Umleitung über Bardowicker Straße, ergibt die Strecke von der Nieschlagstraße Ecke Davenstedter Straße bis zur Nieschlagstraße Ecke Fössestraße eine Entfernung von 0,85 km
- Der Mittelwert für einen durchschnittlichen Pkw liegt bei 150 Gramm CO₂ pro km
Berechnung: Der Umweg von ca. 0,85 km x Anzahl Kfz pro Tag ca. 2.067 x CO₂ Verbrauch je km pro Pkw ca. 150 Gramm = Umwegbedingter CO₂ Verbrauch / Tag: 263.543 Gramm
(1 Tonne = 1.000.000 Gramm)
- Umweltbedingter CO₂ Verbrauch pro Tag: 0,26 Tonnen
- Umwegbedingter CO² Verbrauch pro Monat: 7,91 Tonnen
- Umwegbedingter CO² Verbrauch pro Jahr: 94,9 Tonnen
Im Vergleich: Der jährliche Stromverbrauch von etwa 40 durchschnittlichen deutschen Haushalten (jeweils ca. 4.500 kWh) verursacht 90 Tonnen CO₂, abhängig vom Energiemix.
Umleitung von Mitteln zur Dornröschenbrücke
Parallel dazu wurde bekannt, dass 1,5 Millionen Euro, die für die Planung der Nieschlagstraßenbrücke vorgesehen waren, nun für die Dornröschenbrücke verwendet werden. Auf Antrag derselben Fraktionen soll dort während der Bauzeit eine Behelfsbrücke errichtet werden. Ursprünglich war geplant, die neue Dornröschenbrücke neben der bestehenden zu errichten und nach Abschluss der Bauarbeiten per Querverschub an ihren Platz zu bewegen – eine Querungssperre von lediglich drei Monaten wäre erforderlich gewesen.
Die jetzt beschlossene Behelfsbrücke erfordert jedoch nicht nur die Umleitung von Geldern, sondern auch zusätzliche Rodungen für provisorische Zuwegungen. Experten zweifeln zudem daran, ob die bereitgestellten Mittel ausreichen.
Proteste und offene Fragen
Der Beschluss hat eine Welle der Empörung ausgelöst. In ersten Stellungnahmen wird die mangelnde Kommunikation und die weitreichenden Konsequenzen für den Verkehr in Linden-Mitte kritisiert. Steffen Mallast, einer der Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen im Stadtbezirksrat, bezweifelte gar die Zuständigkeit des Ausschusses, da es sich um eine Brücke im Stadtbezirk handele.
Was bedeutet das für die Bürger?
- Verlängerte Sperrung der Nieschlagstraße: Die Verbindung für Autofahrer bleibt voraussichtlich fünf Jahre unterbrochen.
- Erhöhte CO₂-Belastung durch Umwege
- Rodungen und Umweltfolgen: Der Bau der Behelfsbrücke an der Dornröschenbrücke erfordert zusätzliche Eingriffe in die Natur.
Kommentar: Bereits bei der Brückenhauptprüfung im Jahr 2011 wurde der Zustand der Brücke als kritisch eingestuft. An der Unterseite des Bauwerks offenbaren sich zahlreiche Rissbildungen und Ausblühungen, und an einigen Stellen ist der Beton so stark beschädigt, dass korrodierte Stahlarmierungen freiliegen. Die einzige bisher umgesetzte Maßnahme: eine Sperrung für den Autoverkehr. Nun haben die Stadtratsmitglieder, ohne Rücksprache mit der Fachverwaltung, beschlossen, jegliche Planungen vorerst einzustellen.
Die Frage bleibt drängend: Was geschieht, wenn sich der Zustand weiter verschlechtert? Im schlimmsten Fall müsste die Brücke sogar für Radfahrer und Fußgänger vollständig gesperrt werden.
Diese Woche fand früh morgens eine Begehung statt, die ich nur gesehen habe weil ich auf der Gassirunde war. Diese Brücke ist so schön und muss unbedingt erhalten werden. Es ist schon schlimm genug, dass seit einem halben Jahr die einzige Laterne nicht repariert wird und man im Stockdunklen drüber gehen muss. Wenn sie komplett gesperrt werden sollte müssen wir wohl nur noch über die Bardowicker Straße gehen… das wird für alle Bahnfahrer eine Katastrophe.
Wie ist eigentlich der Stand zum Neubau der Dornröschenbrücke ? Wartet man da auch solange bis sie völlig marode ist und gesperrt werden muss ?
Hier die letzten Punkt-Linden-Meldungen zur Dornröschenbrücke: https://punkt-linden.de/tag/dornroeschenbruecke/
Sag ich doch, warten bis alles im A. ist und dann sperren oder abreißen !!!
Ich wohne in der direkten Nachbarschaft und hier will keiner den Neubau. Die Rechnung hinkt, weil Leute natürlich auch aufs Fahrrad ausweichen, wenn es Umwege gibt.
Deutschland, das Land der NIMBYs und St. Florians.
Ich bin mir sicher, wenn diese Brücke auf dem Arbeitsweg der im Artikel genannten Entscheider liegen würde, würden die arbeiten längst begonnen haben.
Autos raus aus der Stadt.
Meine Ambivalenz zu dem Thema kann größer kaum sein.
Ich wohne direkt an der Kreuzung Wittekindstr/Nieschlagstr. Seit der Sperrung der Brücke kann ich wieder bei offenem Fenster schlafen, da kaum noch LKW unter meinem Schlafzimmer entlang fahren. Auch das ständige Rumgehupe an der Kreuzung ist auf ein Minimum zurückgegangen.
Dennoch ist es für mich belastend, die Umgehung über die Bardowicker Str. zu fahren, weil gerade das Linksabbiegen in die Davenstedter Str. dort häufig sehr lange dauert.
Und „die Anderen“ (TM) freuen sich natürlich über den zusätzlichen Verkehr?
Warum überhaupt eine Brücke?
Einfach das unten mit Sand aufschütten dann oben asphaltieren und fertig!
Kostet auch nur ein Bruchteil einer Brücke.
Sie wollen unter der Brücke einen Sandhaufen aufschütten und dann eben oben ein bisschen Asphalt aufbringen?
Könnten Sie dann bitte noch eben schnell das Ihme sanieren? Vielen Dank!
Nö, die Brücke natürlich vorher wegmachen.
Der Satz soll natürlich korrekt heißen: Also darf die Berechnung nur mit der Mehrung von 0,5 km durchgeführt werden.
Grundsätzlich ist es natürlich ärgerlich, wenn bereits laufende Planungen abgebrochen werden müssen. Planungsverzögerungen führen oft auch zu Baupreissteigerungen, allein durch die allgemeine Teuerung.
Andererseits führt die Sperrung der Brücke auch zu einer Verkehrsberuhigung in der Nieschlagstraße und gerade auch vor dem Familienzentrum.
Aber noch eine Frage zur Berechnung des CO₂-Ausstoßes: Ist das denn so richtig. Nachgemessen beim gängigen Kartendienst ergibt tatsächlich einen Weg von 0,85 km? Der direkte Weg durch die Nieschlagstraße wäre aber 0,35 km. Also darf nur mit der Mehrung von 0,5 km durchgeführt werden. Zudem werden nicht alle Autos diesen Umweg fahren. Vom Küchengarten oder von Linden-Nord Richtung Davenstedt führt der Weg jetzt durch die Bardowicker Str. statt über die Nieschlagstraße, praktisch ohne eine Verlängerung des Weges. Andere Relationen sind ebenso denkbar.