30 Jahre FAUST – wie ist FAUST eigentlich entstanden?

„Keine private Vermarktung – Bettfedern für alle“: das FAUST-„Verwaltungsgebäude“.
„Keine private Vermarktung – Bettfedern für alle“: das FAUST-„Verwaltungsgebäude“. (Foto: Jonny Peter)

Wie ist FAUST entstanden? Während es in Hannover schon große alternative Kulturzentren wie dem Pavillon am Raschplatz (seit 1977 in den Räumen eines ehemaligen Kaufhauses) oder der Bürgerschule Nordstadt (in den Gebäuden der ehemaligen Schokoladenfabrik) gab, fehlte etwas Vergleichbares bis in die 1990er Jahre in Linden, das ja eigentlich inzwischen eine der Hochburgen der Alternativkultur war. Einige kleinere Versuche für entsprechende Fabrikumnutzungen waren hier gescheitert. Das änderte sich 1991 mit FAUST.

FAUST wurde das Flaggschiff der Lindener Alternativkultur. Am 28.1.2021 jährt sich der Gründungstag des Vereins FAUST zum 30. Mal. Der „Verein für Fabrikumnutzung und Stadtteilkultur – FAUST e.V.“ wurde in der Stärkestraße 10, dem Sitz der Gemeinwesenarbeit Linden-Nord, gegründet. Wie ist es zur Vereinsgründung gekommen? Wie ist FAUST auf das Gelände der ehemaligen Bettfedernfabrik Werner&Ehlers gekommen?

Wie ist FAUST entstanden?

Ausgangspunkt war im April/Mai 1989 eine Ausstellung zur Städtebaulichen Sanierung in Linden-Nord im kleinen Stadtteilkulturladen BAKu (Bildung, Arbeit, Kultur) in der Nedderfeldstraße 8, unweit des Fabrikgeländes der Bettfedernfabrik. Zwei der Themenblöcke beschäftigten sich dann auch mit der Bettfedernfabrik Werner&Ehlers an der damaligen Wilhelm-Bluhm-Straße 12. Ein Projekt griff die Ideen einer Architektur-Studienarbeit „Wohnen und Arbeiten“ von G.Haan, M. Sölter und Uli Bräuning aus dem Jahre 1983 auf, in der es um die Umnutzung der Bettfedernfabrik ging. Neben dem Erwerb der angrenzenden Grünflächen durch die Stadt hatte es wohl weitere Verkaufsgespräche gegeben. Man munkelte im Stadtteil jedenfalls von Pleite, Verkauf oder gar Abriss der Fabrik. So wurden viele Vereine und Projekte hellhörig, da sie (größere) Räume suchten. Folglich gab es ab Mai dann regelmäßige Treffen bei BAKu, z.B. mit der Internationalen Mietergruppe, Arbeitslosenselbsthilfegruppe, Treffpunkt für arbeitslose Jugendliche, KIK, AFKA und weiteren Künstlergruppen sowie Kleinbetrieben.

Schnell wurde das erste Infoblatt produziert: „Lindener Bürger und Initiativen formulieren ihr dringendes Interesse an dem Erhalt der Fabrikgebäude der Bettfedernfabrik W&E und planen die Umnutzung dieses letzten historischen Zeugen der Fabrikära Linden-Nords an der Ihme. Es soll ein Projekt für den Stadtteil entstehen, das der sozialen und kulturellen Vielfalt Lindens zusätzlichen dringend notwendigen Raum bietet und das Ziel verfolgt, hier die Möglichkeit eines übergreifenden gemeinsamen Projektes wahrzunehmen.“ Die zentrale Forderung lautete: „Kaufen – Erhalten – Umnutzen“. Mit Kaufen war gemeint, dass die Stadt das Gelände erwerben sollte. Es wurde die Interessengemeinschaft Fabrikumnutzung Werner&Ehlers gegründet (IG W&E). Da die Fabrik bald erklärte, ein Verkauf stünde gar nicht zur Debatte, ruhten dann die Aktivitäten der IG. Man hielt allerdings weiter Kontakt. Die Fabrik stellte dann doch im Sommer 1990 den Betrieb ein und kündigte einen Vergleich an. Aus dem Vergleich wurde ein Konkurs.

Von Investoren gab es Überlegungen, auf dem Gelände ein 12-geschossiges Hochhaus-„Eldorado“ zu errichten. Die IG W&E lief dagegen Sturm, rief zu einer Informationsveranstaltung in die Bethlehem-Kirche ein und mobilisierte im ganzen Umfeld der Fabrik. Über 200 Interessierte im brechend vollen Gemeindesaal machten deutlich, dass man das Konzept der IG unterstützen wollte und an der IG vorbei nicht gehandelt werden konnte. Nicht nur – wie von Anfang an – die Grün-Alternative-Bürgerliste (GABL, das damalige lokale Bündnis der Grünen in Hannover) unterstützte die Forderungen, auch wenigstens die Lindener SPD begann sich für einige Ideen der IG W&E zu erwärmen. Die Hochhausbebauung war dann schnell vom Tisch. Es gab aber immer noch unterschiedliche Ideen für die Nutzung. Und vor allem fehlte ein Käufer, denn die Mehrheit des Stadtrats und die Stadtverwaltung weigerten sich nach wie vor, die Fabrik zu übernehmen. Dies führte dann zur 3. Phase der Entwicklung.

Um sich besser organisieren und gegenüber der Stadt besser auftreten zu können, wurde dann am 28.1.1991 der „Verein für Fabrikumnutzung und Stadtteilkultur – FAUST e.V.“ gegründet. FAUST wollte als eine Art Dachverband für alle interessierten Vereine auftreten, die Gesamtfabrik anmieten und dann an die einzelnen Vereine weitervermieten, sich um das Gesamtgelände kümmern sowie um die Infrastruktur. Im Unterschied zum Freizeitheim Linden sollten hier die Vereine nicht nur gelegentlich Räume anmieten können, sondern eigene feste Vereinsräume haben. Es war also auch als eine Art „Vereinshaus“ gedacht, in dem aber auch die großen Räume und die Infrastruktur gemeinsam genutzt werden sollten. FAUST als organisatorischer Kern des Gesamtprojektes konnte als gemeinnütziger Verein Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, das heißt meist für 2 Jahre vom Arbeitsamt geförderte Stellen, schaffen. Diese sollten sich um inhaltliche Arbeit, Koordinierung, Finanzen und Umbau kümmern.

Schon vorher hatte eine Arbeitsgruppe unter Leitung des für die Sanierung – die Fabrik lag im Sanierungsgebiet Linden Nord – zuständigen Anwaltsplaners/ Planungsberaters begonnen, Vorschläge für verbindliche Sanierungsziele für das Gelände aufzustellen. Nach heftigen Diskussionen wurden diese in Linden und dann im Stadtrat beschlossen. Damit war zwar eine Vorentscheidung für die Sicherung des ehemaligen Fabrikgeländes getroffen. Allerdings gehörte dazu auch Wohnbebauung auf dem an der Wilhelm-Bluhm-Straße liegenden Teil des Geländes (und damit der Abriss des ehemaligen Kutscherhauses und Bebauung bis an die Fabrikgebäude heran), worüber FAUST nicht glücklich war, weil man Nachbarschaftskonflikte befürchtete. Der wesentliche Gebäudebestand wurde für die Nutzung für Soziokultur, Kleingewerbe und Wohnen festgelegt. Unklar waren immer noch die Eigentums- und Finanzierungsfrage sowie die konkrete Umsetzung der Umnutzung.

Das Bündnis „Bunt statt Braun“ als Veranstalter des Fährmannsfestes solidarisierte sich im August 1991 und unterstützte FAUST. Es war inzwischen ein stadtweites Thema geworden. In einer Werner&Ehlers AG sollten sich alle interessierten Nutzer*innen für das Gelände vorstellen und den Sanierungszielen entsprechend ausgewählt werden. Zudem wurde hier der Bebauungsplan vordiskutiert. Die vierte Phase begann mit einem Paukenschlag. Einer der Vorstandskollegen hatte, ohne Rücksprache mit dem Verein, als Pastor der Gerhard-Uhlhorn-Gemeinde beim Zwangsverwalter zum Dezember 1991 überraschend die vorderen, östlichen Fabrikgebäude (Verwaltungsgebäude, Warenannahme und Zwischentrakt) anmieten können. Einige Vereine zogen alsbald ein, entrümpelten die Räume und machten sie halbwegs winterfest. Dazu gehörten neben FAUST auch z.B. die AFKA, Geschichtswerkstatt und Künstlergruppen. Im Februar 1992, kurz nach dem einjährigen Bestehen von FAUST, fand die Einweihungsparty in den angemieteten Räumen statt. Über 2.000 Besucher*innen zeugten von dem Interesse der Lindener*innen am Projekt. Im Sommer 1992 konnten dann weitere Räume wie die gesamte Zinsser-Halle und die 60er-Jahre- Halle angemietet werden. Weitere Vereine zogen in die Fabrikhallen – ohne, dass es schon eine Dauerlösung für die Fabrikumnutzung gab.

Unterstützt von der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur bzw. der Bezirksregierung/ Land Niedersachsen war eine provisorische Nutzung der Fabrik möglich. FAUST war erst einmal auf dem Gelände angekommen. In den Folgejahren waren einige Krisen zu bewältigen. Aber FAUST bereichert bis heute den Stadtteil.

Lindenspiegel 11-2020 – Jonny Peter

Bildnachweis: Lindenspiegel - Foto: Jonny Peter