Weinbar im Kesselhaus: Lebendige Nutzung oder Ausverkauf?

Mitten im Herzen des Lindener Faustgeländes ist eine neue Weinbar entstanden – ein gastronomisches Projekt im denkmalgeschützten Kesselhaus der ehemaligen Bettfedernfabrik Werner & Ehlers. Wo einst ein gewaltiger Dampfkessel die Maschinen der Fabrik antrieben, wird heute in stilvollem Industrie-Ambiente Wein ausgeschenkt. Die neue Nutzung sorgt für Diskussionen – nicht nur wegen des kommerziellen Charakters, sondern vor allem wegen der Geschichte dieses besonderen Ortes.
Denn das Kesselhaus gilt als „letzter Zeuge der Lindener Industriekultur“. 2013 formierte sich nach einer öffentlichen Veranstaltung die Kesselhaus-Initiative, um das verfallene Gebäude zu retten. Unterstützt durch Spenden und öffentliche Mittel wurde es saniert – ein Kraftakt, bei dem die Lindener Bevölkerung durch den Kauf symbolischer Bausteine maßgeblich beteiligt war. Die Sanierung konnte 2016 abgeschlossen werden.
Doch das Ziel war stets klar: Das Kesselhaus sollte ein offener Ort für kulturelle Nutzung werden – mit Bezug zur Industriegeschichte des Stadtteils. So ist es auch heute noch auf der Website des Kesselhauses nachzulesen: „Die Erarbeitung von Umnutzungskonzepten […] soll gemeinsam mit interessierten Lindener Bürgerinnen und Bürgern erfolgen.“ Das Versprechen eines „Runden Tisches“ zur Konzeptentwicklung blieb bislang unerfüllt.

Kritik aus der ehemaligen Kesselhaus-Initiative

Die Entscheidung, nun ausgerechnet eine Weinbar zu etablieren, ruft scharfe Kritik hervor. Walther Engel, Mitinitiator der Kesselhaus-Rettung und Redakteur des Digitalen Stadtteilarchivs, fühlt sich „verkauft“. „Hätte ich damals gewusst, dass es am Ende nur um ein charmantes Industrie-Ambiente für Weinabende geht, hätte ich keine Bausteine entwickelt – und erst recht keine verkauft“, erklärt er gegenüber Punkt-Linden.
Die ursprünglichen Zielsetzungen – etwa eine Industriegeschichtsgalerie oder ein Museum – sind gut dokumentiert, unter anderem im digitalen Stadtteilarchiv Linden-Limmer. Dort lässt sich unter anderem im Beipackzettel № 12 die Chronologie der Rettung des Kesselhauses nachlesen, ebenso wie die früh geführte Debatte um eine mögliche Nutzung.

Auch der hannoversche Architekt und Bauhistoriker Sid Auffarth hätte sich an diesem Ort etwas anderes als eine Weinbar gewünscht. „Es ist jammerschade, dass der Faust-Stiftung jetzt nichts Besseres eingefallen ist“, sagt er auf Anfrage von Punkt-Linden und spricht von „Event-Charakter“.

Zinnober Museum für Kinder
Zinnober Museum für Kinder
Am Steinbruch 16
30449 Hannover
Linden-Mitte

Faust-Stiftung: Nutzung als Versuch, nicht als Dauerlösung

Peter Hoffmann-Schoenborn, Vorstandssprecher der Faust-Stiftung, verteidigt die neue Nutzung. Die Weinbar sei ein „Versuch der Nutzung“, bei dem ausschließlich bislang ungenutzte Bereiche im Erdgeschoss und Außenraum verwendet würden. Das Obergeschoss mit dem dominierenden Möller-Kessel bleibe unangetastet – es werde nur bei Führungen oder speziellen Veranstaltungen betreten.

Ziel sei es, ein neues Publikum für das Faustgelände zu gewinnen und das Image als reine Partylocation aufzubrechen. Veranstaltungen wie Kleinkunst, Matinee oder Ausstellungen seien weiterhin geplant – vorsichtig wolle man sich kulturellen Nutzungen im Kesselhaus wieder annähern. Auch die Öffnung des Zauns an drei Stellen sei ein Signal an den Stadtteil.

Gastronomie im Spannungsfeld

Dirk Sabrowski & Antje Richter
Dirk Sabrowski & Antje Richter

Für Dirk Sabrowski, Geschäftsführer der Faust Gastro Projekt UG, ist die Weinbar ein Beitrag zur Belebung des Ortes. Er betont, man wolle niemanden verdrängen, sondern „für die Leute im Stadtteil da sein“. Sabrowskis Firma betreibt neben der Weinbar auch andere Lokale auf dem Gelände wie die „Warenannahme“, „Mephisto“ und „Gretchen“. Kritik an der Nutzung des Kesselhauses begegnet er offen: „Hier ist vieles möglich – wir sind sehr daran interessiert, diese Konflikte zu lösen.“

Eine offene Frage bleibt

Doch ein grundlegender Widerspruch bleibt bestehen: Kann eine kommerzielle Weinbar das Ergebnis eines jahrelangen bürgerschaftlichen Engagements für ein Denkmal mit Bezug zur Industriegeschichte sein? Diese Frage lässt sich nicht mit einem Getränk an der Bar beantworten – sondern nur in einem echten öffentlichen Dialog, wie er einst versprochen wurde.

 

Beteiligte Redakteure: Wolfgang Becker, Stefan Ebers

Bildnachweis: Wolfgang Becker

4 Gedanken zu „Weinbar im Kesselhaus: Lebendige Nutzung oder Ausverkauf?“

  1. „Kann eine kommerzielle Weinbar das Ergebnis eines jahrelangen bürgerschaftlichen Engagements für ein Denkmal mit Bezug zur Industriegeschichte sein?“ So ein dummes Blabla. Ich war jetzt zweimal in der Bar. Viele Menschen, die sich angeregt an dem sonst verlassenen Ort über dieses und jenes bei einem Glas Wein angeregt unterhalten haben. Was gibt es schöneres für einen komplett toten, bisher völlig übersehenen Ort als diese Art der Wiederbelebung? Pures Egogetue von Wichtigmachern die anderes behaupten!

    Antworten
  2. Auf der Seite der Faust Stiftung ist zu lesen :

    Stiftungszweck
    Zweck der Stiftung ist die Förderung der Kunst und Kultur, der Völkerverständigung sowie des Denkmalschutzes sowie die Beschaffung der hierfür erforderlichen Mittel. Diese Zwecke werden erfüllt durch …

    · finanzielle Unterstützung und Förderung der Kunst, Kultur und Völkerverständigung,

    · die Förderung von steuerbegünstigten Körperschaften, die in den Bereichen Kunst und Kultur sowie der Völkerverständigung tätig sind, insbesondere des Vereins Faust e. V.,

    · die Erhaltung der denkmalgeschützten Gebäude und Gebäudeteile auf dem Erbbaugelände der Stiftung zur Nutzung durch steuerbegünstigte Körperschaften, insbesondere des Vereins für Fabrikumnutzung und Stadtteilkultur (Faust) e. V.

    Eine UG ist keine steuerbegünstigte Körperschaft.

    Antworten
    • Danke! Völlig korrekt…. Hier scheint wohl jemand wieder „etwas ausprobieren wollen“.
      Hach, sie, die Weintrinker, die ja in Linden sonst keine Locations finden und jeden Abend sich orientierungslos im Stadtteil herumirren… Grandios.

      Antworten

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4 Gedanken zu „Weinbar im Kesselhaus: Lebendige Nutzung oder Ausverkauf?“

  1. „Kann eine kommerzielle Weinbar das Ergebnis eines jahrelangen bürgerschaftlichen Engagements für ein Denkmal mit Bezug zur Industriegeschichte sein?“ So ein dummes Blabla. Ich war jetzt zweimal in der Bar. Viele Menschen, die sich angeregt an dem sonst verlassenen Ort über dieses und jenes bei einem Glas Wein angeregt unterhalten haben. Was gibt es schöneres für einen komplett toten, bisher völlig übersehenen Ort als diese Art der Wiederbelebung? Pures Egogetue von Wichtigmachern die anderes behaupten!

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  2. Auf der Seite der Faust Stiftung ist zu lesen :

    Stiftungszweck
    Zweck der Stiftung ist die Förderung der Kunst und Kultur, der Völkerverständigung sowie des Denkmalschutzes sowie die Beschaffung der hierfür erforderlichen Mittel. Diese Zwecke werden erfüllt durch …

    · finanzielle Unterstützung und Förderung der Kunst, Kultur und Völkerverständigung,

    · die Förderung von steuerbegünstigten Körperschaften, die in den Bereichen Kunst und Kultur sowie der Völkerverständigung tätig sind, insbesondere des Vereins Faust e. V.,

    · die Erhaltung der denkmalgeschützten Gebäude und Gebäudeteile auf dem Erbbaugelände der Stiftung zur Nutzung durch steuerbegünstigte Körperschaften, insbesondere des Vereins für Fabrikumnutzung und Stadtteilkultur (Faust) e. V.

    Eine UG ist keine steuerbegünstigte Körperschaft.

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    • Danke! Völlig korrekt…. Hier scheint wohl jemand wieder „etwas ausprobieren wollen“.
      Hach, sie, die Weintrinker, die ja in Linden sonst keine Locations finden und jeden Abend sich orientierungslos im Stadtteil herumirren… Grandios.

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