Lindener Personen und Projekte / Teil II – LINDEN backt! (nicht nur) für Linden

Der Verkaufsladen von LINDEN backt!
Der Verkaufsladen von LINDEN backt! (Foto: Jonny Peter)

Eine neue Genossenschaft versorgt Linden mit Brot, Brötchen und Kuchen – alles bio

In Linden gab es noch bis vor ein paar Jahrzehnten in fast jeder größeren Straße einen Bäcker. Bäckereien gehörten zur Alltagsversorgung, sind in den letzten Jahren aber rar geworden, es gibt fast nur noch Filialen oder Backshops.

Beim Aufkommen der Öko- Szene in den 1980er/90er Jahren in Linden waren Öko- Bäckereien von Anfang an dabei: Sowohl das „Doppelkorn“ als auch das „Lindener Backhaus“ in und unweit der Limmerstraße gehörten zu den Pionieren. Das Lindener Backhaus (früher im Kötnerholzweg, dann am Pfarrlandplatz) gibt es schon seit einigen Jahren nicht mehr. Und die Geschichte mit Doppelkorn ist leider am Ende keine ruhmreiche: Doppelkorn existiert zwar noch mit einigen Läden in Hannover, aber nicht mehr in Linden (dazu später mal mehr).

Die Räumlichkeiten in der Limmerstraße 58 wurden vor der Doppelkorn-Zeit jahrzehntelang als Bäckerei genutzt. So auch von der Familie des Lindener Schriftstellers Günter Müller. Seit dem 1.10.2018 ist nun „LINDEN backt!“ der Mieter und backt seit dem 1.3.2019 für Linden.

Dass es so weit kommen konnte, war durchaus dramatisch. Zuerst wurde das Doppelkorn aus Lindener Händen gegeben. Dann plünderte der Käufer heimlich das Geschäft aus und verschwand erst einmal. Später wurde ein Insolvenzverfahren eingeleitet. In der Zeit der ganzen Wirrungen hatte sich inzwischen eine Gruppe aus DoppelkornmitarbeiterInnen gebildet, die sich um die Übernahme bewarb, aber vom Insolvenzverwalter nicht berücksichtigt wurde. Stattdessen übernahm eine Bäckereikette aus Nordrhein- Westfalen die Doppelkorn-Geschäfte. Die mutige Lindener Hausbesitzerin, die selber hier mal die Bäckerei hatte, wollte jedoch nicht nur eine Filiale in ihrem Haus, sondern eine („richtige“) Bäckerei haben und kündigte baldmöglichst dem neuen Doppelkornbetreiber. Sie fragte die Mitarbeiter*innen- Gruppe, ob diese die Bäckerei in der Limmerstraße übernehmen wollte. Und wie sie wollte! Sie strebte eine solidarische Organisation an und benötigte dafür eine Rechtsform. Sie gründete deshalb eine Genossenschaft: „LINDEN backt!“. Es waren zehn Gründungsmitglieder. Ein Konditor und zwei ehemalige Doppelkornbäcker waren auch von Beginn an mit an Bord. So war auch Bäckerei-Know-how vorhanden.

Der letzte Doppelkornbesitzer ließ nach der Kündigung sämtliches Inventar ausräumen und entsorgen, sodass „LINDEN backt!“ alles neu kaufen musste. „Dabei orientierten wir uns übrigens anhand von Fotos an der ehemaligen Einrichtung der alten Bäckerei unserer Vermieterin. Durch die kurzzeitige Unterbrechung des Bäckereibetriebs galt der Bestandsschutz nicht mehr, sodass auch noch zusätzlich neue Auflagen erfüllt werden mussten (etwa neue Fliesung, z.T. Leitungen). Dadurch wurde alles noch teurer. Die sehr aufwändige Renovierung war ein riesiger Kraftakt und dauerte ein halbes Jahr. Finanziert wurde das alles auch durch die Genossenschaftsanteile und ein größeres Privatdarlehen“, berichtet Johanna Kienitz. Sie ist 42 Jahre alt, gebürtige Marburgerin und im Vorstand der Genossenschaft. Viele kennen sie noch als Verkäuferin aus dem Eiscafé nebenan und dann aus dem Doppelkorn. Johanna: „Wir haben inzwischen schon ca. 180 GenossInnen. Wer GenossIn werden möchte, zahlt einmalig 300 Euro für einen Genossenschaftsanteil und unterstützt uns damit.“ Zu den Produkten der Biobäckerei gehören Brot, Brötchen und Kuchen. Dazu kommt der Betrieb des Cafés.

Insgesamt sind derzeit über 30 MitarbeiterInnen als Bäcker, Fahrer, Packer, Verkäufer*innen und im Büro tätig, die meisten in Teilzeit. „Um das Umfeld nicht zu sehr zu stören, wird in der Backstube im Innenhof erst ab 6 Uhr gebacken. Wir wollten ohnehin keine Nachtarbeit. Wir backen pro Tag 200 – 250 Brote, die wir außer bei uns noch in zwei weiteren Läden sowie auf drei Wochenmärkten verkaufen“, so Johanna.

Vor wenigen Wochen kam sogar ein zweiter LINDEN backt!-Laden dazu. In der Nordstadt an der Lutherkirche gab ein Bäcker das Geschäft auf und fragte „LINDEN backt!“, ob sie den Laden übernehmen wollten. LINDEN backt! wollte wieder.

Am 1. Oktober 2020 feierte man eineinhalb Jahre Ladenöffnung in der Limmerstraße, veranstaltete einen Tag der offenen Tür und zeigte den Film „Das Brot des Bäckers“, der auch inhaltlich zum Programm der Bäckerei passt, geht es doch um die Probleme, die ein Wandel vom Backhandwerk zum industriellen Backen mit sich bringt. „Uns ist Bio ein zentrales Anliegen. Deshalb sind wir auch Bio-zertifiziert. Uns sind gesundes Brot, eine vernünftige Produktion und gute Arbeitsbedingungen wichtig“, so Johanna.

„Dieses Jahr war wegen der Pandemie nicht ganz einfach für uns, da ja zeitweilig der Betrieb deutlich heruntergefahren werden musste. Und in der Gastronomie fielen einige Kunden durch Schließung/ Reduzierung weg. Aber wir haben auch viele Solidaritätsbekundungen bekommen. Das Café lief richtig gut, ist nun aber wegen Corona leider wieder geschlossen“, berichtet Johanna. In Zukunft, wenn es nach Corona wieder geht, sollen Workshops zur „offenen Backstube“, d.h. Brotback- Kurse und Informationen über gesunde Ernährung, angeboten werden. Bisher werden die nicht verkauften Backwaren an die Tafel gegeben. „Wir hätten aber auch gerne einen Altbrot-Schredder, mit dem man das alte Brot kleinmahlen und wieder verbacken kann“, wünscht sich Johanna für die nahe Zukunft.

Die Öffnungszeiten von LINDEN backt! sind derzeit: Montag bis Sonntag von 8 bis 18 Uhr. Weitere Infos: www.lindenbackt.de.

Lindenspiegel 12-2020 – Jonny Peter

Bildnachweis: Lindenspiegel - Foto: Jonny Peter