Kita-Deal im Ihme-Zentrum: Rückzug statt Verantwortung?

Ihme-Zentrum - Land unter
Land unter im Ihme-Zentrum

Seit rund fünf Jahrzehnten nutzt die Landeshauptstadt Hannover eine kleine Raumeinheit im Ihme-Zentrum als Kindertagesstätte. Doch nun steht der Verkauf dieser Fläche an – nicht an einen externen Investor, sondern an eine eigens zu diesem Zweck neu zu gründende Tochtergesellschaft der hanova GmbH: die sogenannte „Kita-GmbH“. Was zunächst wie ein gewöhnliches Immobiliengeschäft anmutet, offenbart bei genauerem Hinsehen eine Strategie mit weitreichenden Konsequenzen – juristisch, finanziell und politisch.

Die betreffende Einheit macht nur einen winzigen Anteil von 0,24 % an der Gesamtfläche des Ihme-Zentrums aus. Doch dieser kleine Anteil trägt eine erhebliche Last: Laut der verbindlichen Teilungserklärung sind ausschließlich die Eigentümer der gewerblich genutzten Flächen verpflichtet, die Sanierung des maroden Sockelgeschosses zu finanzieren – eine Sanierung, die mit rund 150 Millionen Euro veranschlagt wird.

Das Problem: Der Hauptanteilseigentümer der Gewerbeflächen, die Projekt IZ Hannover GmbH des Investors Lars Windhorst, befindet sich im Insolvenzverfahren. Die übrigen Gewerbeeigentümer sind mehrheitlich kleine Betriebe, die angesichts solcher Summen kaum zahlungsfähig sein dürften – viele stehen vermutlich selbst kurz vor der Insolvenz.

Bleibt nur ein Akteur übrig, der nicht insolvenzgefährdet ist: die Stadt Hannover. Und genau das scheint sie nun zu umgehen versuchen. Wie Punkt-Linden bereits berichtete: Durch den Verkauf ihrer Fläche an eine GmbH mit begrenzter Haftung versucht die Stadt offenbar, sich der finanziellen Verantwortung zu entziehen – obwohl sie bei Vertragsunterzeichnung vor 50 Jahren diese nicht ansatzweise absehbare Situation niemals hätte einkalkulieren können.

Dieser geplante Verkauf wirft nicht nur rechtliche und moralische Fragen auf – er bringt auch ein enormes Risiko mit sich. Denn fällt die gesamte Last der Sockelsanierung letztlich auf die übrigen Miteigentümer, könnten auch die Wohnungseigentümer herangezogen werden. Da diese für ihre Anteile gesamtschuldnerisch haften, stünde im Extremfall nicht nur das Eigentum im Ihme-Zentrum auf dem Spiel – sondern unter Umständen auch das private Vermögen der Eigentümergemeinschaft.

Bereits im Ausschuss für Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Liegenschaftsangelegenheiten hat sich die Stadt die Genehmigung für den Verkauf ihrer Kita-Fläche eingeholt. Am morgigen Mittwoch soll indessen der Aufsichtsrat der hanova GmbH dem Vorhaben zustimmen.

Vor diesem Hintergrund haben Torsten Jaskulski, Wohnungseigentumsverwalter im Ihme-Zentrum, und Jürgen Oppermann, Vorsitzender des Verwaltungsbeirats, eine gemeinsame Stellungnahme zum geplanten Verkauf verfasst – als eindringlicher Appell an Politik und Öffentlichkeit, den Vorgang nicht unwidersprochen hinzunehmen:

Es ist allgemein bekannt, dass die Landeshauptstadt Hannover (LHH) beabsichtigt, ihr Raumeigentum im Ihme-Zentrum Hannover (Kindertagesstätte) zu verkaufen. Eigens zu diesem Zweck soll die hanova GmbH eine Gesellschaft gründen (Kita-GmbH), die dann die Raumeinheit V 100 (Kindertagesstätte) von der LHH erwirbt. Der vereinbarte Kaufpreis beträgt 350.000,00 EUR.

Auf Basis des von der LHH zusammengestellten Zahlenmaterials soll der Aufsichtsrat der hanova GmbH eine positive Entscheidung treffen und so dem Verlangen der LHH zur Gründung der Kita-GmbH und dem Kauf der Kindertagesstätte nachkommen.

Nach Sichtung und Prüfung der von der LHH bereitgestellten Informationen, die dem Aufsichtsrat als Orientierungshilfe dienen sollen, muss festgestellt werden, dass aufgrund fehlender dezidierter Informationen sowie einer nicht zutreffenden Darstellung des komplexen Sachverhaltes keine objektive Entscheidung getroffen werden kann.

Obwohl der LHH der gesamte Sachverhalt sowohl in technischer als auch in rechtlicher Hinsicht bekannt ist, hat sie den Aufsichtsrat nicht umfänglich in Kenntnis gesetzt und somit eine objektive Entscheidungsfindung ausgeschlossen.

Nach vorsichtiger Einschätzung dienen die mit den entsprechenden Beträgen unterlegten Ausführungen der LHH zum Thema Ankauf Kindertagesstätte vorrangig dem Zweck, den Aufsichtsrat der hanova GmbH hinters Licht zu führen.

Die LHH geht von einem Sanierungsrisiko in Höhe von 150 Mio. EUR aus. Diese Einschätzung kann die LHH sicherlich mit entsprechenden Gutachten belegen. Der Miteigentumsanteil (MEA) der LHH am gesamten Ihme-Zentrum beträgt 0,27435 %, multipliziert mit 150 Mio. EUR, ergibt ein Sanierungsrisiko für die Kita-GmbH von 411.525,00 EUR.

Die Kita-GmbH soll über eine Kapitalrücklage in Höhe von 850.000,00 EUR verfügen.

Diese setzt sich zusammen aus:

  1. Kaufpreis in Höhe von 350.000,00 EUR
  2. Nebenkosten Erwerb (7 %) 24.500,00 EUR
  3. Risiko Sanierung 411.525,00 EUR (150 Mio. EUR x MEA 0,27435 %)
  4. Unvorhergesehenes 63.975,00 EUR (z. B. Rechtsanwaltskosten)
  • Abschluss eines Mietvertrages mit einer Laufzeit von 15 Jahren inklusive einer einmaligen Verlängerungsoption über 5 Jahre.
  • Miete 17,50 EUR /qm
  • NK-Vorauszahlung 850,00 EUR pro Monat.

Die Darstellung des Sanierungsrisikos für die Kita-GmbH in Höhe von 411.525,00 EUR ist falsch! Den Verantwortlichen in der LHH sowie auch der Rechtsabteilung ist bekannt, dass gemäß § 18.1 der Teilungserklärung des Ihme-Zentrums ausschließlich die Raumeigentümer*innen Gewerbe die Sanierungskosten für den Sockelbereich zahlen müssen. Die Teilungserklärung ist für alle Raumeigentümer*innen bindend und wird so wie der gerichtliche Vergleich vom 24.02.2021 vom Gericht nicht infrage gestellt.

Bei der Berechnung des Sanierungsrisikos für die Kita-GmbH geht die LHH fälschlicherweise davon aus, dass alle Raumeigentümer*innen zur Zahlung der Sanierungskosten verpflichtet sind. Somit sind die Miteigentumsanteile der Wohnungen von 2.383.301 von 10 Mio. MEA abzuziehen. Daraus ergibt sich ein Sanierungsrisiko für die Kita-GmbH in Höhe von 540.549,57 EUR.

Da die Projekt IZ Hannover GmbH nicht zahlungsfähig ist, entfällt das Sanierungsrisiko von 150 Mio. EUR auf die verbleibenden Gewerbeeigentümer*innen. Die verbleibenden Gewerbeeigentümer*innen vereinigen 270.034 Miteigentumsanteile auf sich. Somit ergibt sich nun ein Sanierungsrisiko für die Kita-GmbH in Höhe von 15.239.747,59 EUR.

Sollte ausschließlich die LHH als Gewerbeeigentümerin verbleiben, entfällt das gesamte Sanierungsrisiko auf die Kita-GmbH als Rechtsnachfolgerin.

Der Geschäftsführer der Kita-GmbH würde sich einem enorm hohen Haftungsrisiko aussetzen. Unmittelbar nach Gründung der Kita-GmbH und Ankauf der Raumeinheit V 100 kämen § 283 StGB sowie § 15a Insolvenzordnung zum Tragen.

Bildnachweis: Martin Tönnies

5 Gedanken zu „Kita-Deal im Ihme-Zentrum: Rückzug statt Verantwortung?“

  1. Alles nur noch traurig was im Zusammenhang Ihmezentrum zu hören ist. Und wenn am Ende die Wohnungseigentümer wirklich herangezogen werden ist das moralisch eine absolute Sauerei auch wenn rechtlich abbildbar. (trifft immer die Falschen)

    Dann bricht alles weg. Alle Eigentümer pleite und müssen raus und ein Betonmoloch als Mahnmal / Bausünde bleibt weiterhin bestehen, weil niemand die Kosten für den Abbau übernehmen will…

  2. Grundsätzlich ist es richtig, das finanzielle Risiko für die Landeshauptstadt Hannover zu begrenzen. Denn es darf nicht leichtfertig mit den Steuereinnahmen umgegangen werden.
    Dass das Vorhaben auf wenig Gegenliebe bei den Eigentümerm im Ihme-Zentrum stößt, kann ich gut nachvollziehen.
    Aber es ist wie es ist.

  3. Es bleibt spannend..

    Die windigen Finanzjongleure haben jedenfalls ihre Schäfchen ins Trockene geholt.

    Jeder normale Bürger muss für alles Nachweise erbringen, aber da wo Millionen hin und her geschoben werden ist keine Einsicht möglich. Aber wenn im Grundbuch eingetragene Schulden nicht nachgewiesen werden können, dann sollten sie auch gerichtlich gelöscht werden.
    Wer solche Summen verleiht wird das sicherlich auch rechtssicher nachweisen können. Ansonsten kann – meiner Meinung nach – davon ausgegangen werden, dass dieser Vorgang vorgetäuscht wurde.

    Da Herr M. in der Vergangenheit schon seltsame „Geschäftsbeziehungen“ pflegte, liegt der Verdacht sehr nahe. Wer weiß, wer welche Strippen im Hintergrund gezogen hat bzw. an anderer Stelle noch zieht.. ??!!

  4. Immer das gleiche Muster und gelernt von den zahlreichen sogenannten Investoren: Alles auf eine GmBH übertragen und wenn es zu teuer wird, drei Finger heben. Wenn es nicht so traurig wäre ….

  5. Die Stadt Hannover hat nie viel für das IZH übrig gehabt. Sie hat nur Forderungen gestellt und sich aus der Verantwortung gestohlen.
    Es fängt u.a. an während der Bauzeit: 1969 – 1973: Sie fordert und lässt vom damaligen Investor City Bau eine teure spezial PFahlgründung einbauen ( Oberteile sind heute noch im P1 Nord zu sehen ) die mehrere Millionen DM Zusatzkosten verursacht haben. Versprechen wir werden bis ca. 2000 die U Bahn Linie durch das IZH bauen mit einem Bahnhof unter dem Küchengarten mit Ausgängen IZH und Limmerstr.
    Verkauf des Gebäude der Stadtwerke 1999 / 2000 an einem Investor und vorher Zustimmungsverweigerung durch Stimmenthaltung bei der Abstimmung zur geplanten Generalsanierung der Verkaufsgeschosse durch die damaligen Eigentümer ( Fondsgesellschaften der Nord – und West LB. Umbaufertigstellung geplant zur EXPO 2000.
    Dies sind nur 2 von vielen Versprechungen die nicht eingehalten wurden und die enorme negative Auswirkungen hatten und haben

Die Kommentare sind geschlossen.

5 Gedanken zu „Kita-Deal im Ihme-Zentrum: Rückzug statt Verantwortung?“

  1. Alles nur noch traurig was im Zusammenhang Ihmezentrum zu hören ist. Und wenn am Ende die Wohnungseigentümer wirklich herangezogen werden ist das moralisch eine absolute Sauerei auch wenn rechtlich abbildbar. (trifft immer die Falschen)

    Dann bricht alles weg. Alle Eigentümer pleite und müssen raus und ein Betonmoloch als Mahnmal / Bausünde bleibt weiterhin bestehen, weil niemand die Kosten für den Abbau übernehmen will…

  2. Grundsätzlich ist es richtig, das finanzielle Risiko für die Landeshauptstadt Hannover zu begrenzen. Denn es darf nicht leichtfertig mit den Steuereinnahmen umgegangen werden.
    Dass das Vorhaben auf wenig Gegenliebe bei den Eigentümerm im Ihme-Zentrum stößt, kann ich gut nachvollziehen.
    Aber es ist wie es ist.

  3. Es bleibt spannend..

    Die windigen Finanzjongleure haben jedenfalls ihre Schäfchen ins Trockene geholt.

    Jeder normale Bürger muss für alles Nachweise erbringen, aber da wo Millionen hin und her geschoben werden ist keine Einsicht möglich. Aber wenn im Grundbuch eingetragene Schulden nicht nachgewiesen werden können, dann sollten sie auch gerichtlich gelöscht werden.
    Wer solche Summen verleiht wird das sicherlich auch rechtssicher nachweisen können. Ansonsten kann – meiner Meinung nach – davon ausgegangen werden, dass dieser Vorgang vorgetäuscht wurde.

    Da Herr M. in der Vergangenheit schon seltsame „Geschäftsbeziehungen“ pflegte, liegt der Verdacht sehr nahe. Wer weiß, wer welche Strippen im Hintergrund gezogen hat bzw. an anderer Stelle noch zieht.. ??!!

  4. Immer das gleiche Muster und gelernt von den zahlreichen sogenannten Investoren: Alles auf eine GmBH übertragen und wenn es zu teuer wird, drei Finger heben. Wenn es nicht so traurig wäre ….

  5. Die Stadt Hannover hat nie viel für das IZH übrig gehabt. Sie hat nur Forderungen gestellt und sich aus der Verantwortung gestohlen.
    Es fängt u.a. an während der Bauzeit: 1969 – 1973: Sie fordert und lässt vom damaligen Investor City Bau eine teure spezial PFahlgründung einbauen ( Oberteile sind heute noch im P1 Nord zu sehen ) die mehrere Millionen DM Zusatzkosten verursacht haben. Versprechen wir werden bis ca. 2000 die U Bahn Linie durch das IZH bauen mit einem Bahnhof unter dem Küchengarten mit Ausgängen IZH und Limmerstr.
    Verkauf des Gebäude der Stadtwerke 1999 / 2000 an einem Investor und vorher Zustimmungsverweigerung durch Stimmenthaltung bei der Abstimmung zur geplanten Generalsanierung der Verkaufsgeschosse durch die damaligen Eigentümer ( Fondsgesellschaften der Nord – und West LB. Umbaufertigstellung geplant zur EXPO 2000.
    Dies sind nur 2 von vielen Versprechungen die nicht eingehalten wurden und die enorme negative Auswirkungen hatten und haben

Die Kommentare sind geschlossen.