Kurz vor dem Jahreswechsel hat sich Jonny Peter mit Bezirksbürgermeister Rainer-Jörg Grube getroffen, um in einem Interview auf das vergangene Jahr zurückzublicken und einen Ausblick auf 2023 zu werfen.
- Wie schätzt Du das Jahr 2022 für Linden-Limmer ein?
Erst einmal vorweg: Wir schauen natürlich auch über den Tellerrand unseres Stadtbezirks hinaus. Anders geht es ja auch nicht. Die Klimakrise oder Corona machen nicht an der Stadtbezirksgrenze halt. Auch der Krieg in der Ukraine beunruhigt uns alle und hat konkrete Auswirkungen auf uns, so z.B. der Anstieg an Flüchtlingen oder die Energiekrise. Aber die Einfluss-Möglichkeiten eines Bezirksrates sind begrenzt. Selbst bei manchen Stadtteilproblemen können wir nicht alleine entscheiden, sondern beschließt letztlich der Stadtrat. Außerdem haben wir es bei manchen Themen mit großen Investoren zu tun, die sehr oft andere Interessen verfolgen als wir. Und auch bei der Stadt, insbesondere der Bau- und Verkehrsverwaltung, ist das Beharrungsvermögen oft sehr groß, dauert es lange mit Vorschlägen oder sie setzen unsere Forderungen nicht um. Wir sind insofern nicht immer glücklich über die Politik der Stadt. 2022 lief nicht alles rund für uns.
- Was sind für Dich die zentralen Themen des Jahres 2022 in Linden gewesen?
Zuerst das Dauerthema Wasserstadt: Im Stadtbezirk können wir seit der städtebaulichen Sanierung vor fünfzig Jahren auf eine lange Zeit intensiver Bürgerbeteiligung zurückblicken, die oft erfolgreich in Politik umgesetzt wurde. Dies nehmen Investor Papenburg und auch die Bauverwaltung anscheinend nicht mehr so ernst. So will die Verwaltung etwa keinen weiteren Runden Tisch, um über die weitere Entwicklung zu diskutieren, sondern lediglich kleinere themenspezifische Veranstaltungen. Das reicht unserer Meinung nach nicht aus. Ein Thema ist ja schon länger der 2. Bauabschnitt auf dem ehemaligen Conti-Gelände. Hier geht es nach wie vor um den Anteil des sozialen Wohnungsbaus, der 25 und im zweiten Bauabschnitt 30 Prozent betragen soll. Kommt das auch so? Und der Erhalt der Altbauten ist ebenfalls noch nicht gesichert. Derzeit verfallen die Gebäude weiter. Auch bei der Gesamtzahl der Wohnungen / BewohnerInnen oder der Anzahl der Parkplätze: Manches ist in der Planung und Realisierung immer noch nicht klar. Das Verkehrskonzept steht ebenfalls immer noch nicht. Man will hier, das ist eigentlich ja nicht schlecht, stark auf Radverkehr setzen. Aber die Probleme liegen dabei im Detail, etwa wo der Radweg genau langgehen soll und ob er die Mengen an Verkehr aufnehmen und die Verkehrsprobleme auch wirklich lösen kann. - Dazu passen die Auseinandersetzungen um den Uferpark.
Ja. Papenburg hat hier gegen unsere Beschlüsse Flächen bebaut. Und die Stadtverwaltung wollte den Bezirksrat dazu auch nicht beteiligen. Wir haben hierzu deshalb erneut die Kommunalaufsicht eingeschaltet, die Rechte des Bezirksrates eingefordert und Recht bekommen. Papenburg muss nun aufwendig zurückbauen. Man kann also nicht sagen, wir meckern nur herum. Das war unsere Entscheidungskompetenz, und wir lassen uns die nicht nehmen. Es geht nun weiter um den ohnehin nur ca. 30 m breiten Uferpark und um die Planung von Fuß- und Radwegen. An der Strecke von Limmer nach Linden sollen auch noch schnelle Radwege entlangführen. Die sind ja gut, aber es würde hier nach bisherigen Planungen doch alles sehr eng werden. - In der Diskussion sind ja in Hannover und Linden momentan auch die Schnellwege.
Es geht vor allem um die Schwanenburg-Brücke, die erneuert werden muss. Und um eine Erneuerung des Westschnellweges von hier bis zum Deisterplatz. Bei der Schwanenburg geht es auch um die für die Verkehrsszenarien wesentlichen Anbindungen und um Ausbauten von Radwegen. Sonst platzen die Verkehrsplanungen auch der Wasserstadt, da man dorthin mittelfristig ja keine Straßenbahn bauen will. Beim Schnellweg selbst geht es weniger um eine Verbreiterung an sich als vielmehr um – aus Sicherheitsgründen – einen breiteren Mittelstreifen und um die Anlage von Lärmschutzwänden. Man würde dann auf die Grünflächen verzichten müssen und käme auch an manchen Stellen dicht an die Wohnbebauung. Die Alternative eines Tunnels wäre noch teurer und würde noch länger dauern. Am besten wäre natürlich weniger Autoverkehr, aber das ist in naher Zukunft kaum realistisch. Der Lindener Hafen ist in der Nähe und von da kommt derzeit einfach zum Teil noch großer und unvermeidbarer Autoverkehr. - Die Dornröschenbrücke soll 2023 abgerissen und nebenan neu gebaut werden.
Hier gibt es noch Auseinandersetzungen um die Breite des Radweges auf der Brücke und auf welcher Seite der Fuß- und wo der Radweg hinkommt. Die Verwaltung will den Fußweg auf die Westseite verlegen, damit man von den mittigen Bänken den Sonnenuntergang sehen kann. Dann muss man aber auch die Anbindungen vor und hinter der Brücke tauschen. Es gibt zudem Überlegungen, entweder die Justus-Garten-Brücke bei FAUST zu verbreitern oder sogar eine zweite Brücke daneben zu bauen, um den riesigen Fuß- und Radverkehr Richtung Nord-Süd aufnehmen zu können. - Gab es große Rückschläge?
Ja. Richtig schlecht läuft es bei der IGS Linden. 2019 hat der Rat unseren Wünschen entsprechend den Neubau der IGS beschlossen. Nun sagt die Bauverwaltung, das sei nicht umzusetzen und der Rat ist dieser Meinung gefolgt und hat den Neubaubeschluss einkassiert! Zum einen, weil sie keine entsprechende Baufläche gefunden hat und zum anderen, weil ein Übergangsbau (um an der jetzigen Stelle nach dem Abriss dann neu bauen zu können) derart teuer würde, dass das finanziell nicht machbar sei. Nicht nur wir sind darüber sehr sauer, auch die Schule, LehrerInnen und Eltern sind enttäuscht. Eine – sicher nicht einfache – Lösung wäre die Überbauung des Westschnellweges. Aber Berechnungen für eine machbare Lösung dazu gibt’s, sie werden aber derzeit nicht verfolgt! Der zweite Rückschlag betrifft den sogenannten Grünen Hügel an der Kreuzung am ehemaligen Küchengarten. Hier will die Stadt – anders als wir – in dem Hochhaus keine Wohnungen bauen, sondern vor allem Büros. Und auch die stattdessen versprochenen Wohnungen am Parkplatz an der Fössestraße werden jetzt nicht kommen. Man hat uns auch hier wieder mal vorgeführt. - Gibt es weitere wichtige Themen?
Ja, reichlich. Zum Beispiel: Beim Thema Ihme-Zentrum geht es wie seit 25 Jahren nicht voran. Eine never ending story, genauso wie die Diskussionen über die Hochbahnsteige. Für das Limmern haben wir ja ein bundesweit beachtetes Modellprojekt am Laufen, allerdings ohne eine langfristig gesicherte Finanzierung. Beim Fössebad hoffen wir alle, dass die baulichen und zeitlichen Planungen auch wirklich eingehalten werden. Ferner: Wie geht es weiter mit dem Treffpunkt Allerweg? Und, recht neu, es hat vonseiten der Stadt Diskussionen über die Zusammenlegung von Bezirksräten und um Einsparungen bei deren Betreuung gegeben. Das ist für uns überhaupt nicht akzeptabel und wohl auch nicht durchdacht. Das wäre ein herber Verlust für die Politik vor Ort. Bürgernahe Politik wäre dann nicht mehr wirklich möglich. - Hast Du ein Schlusswort?
Wir diskutieren viel und lebhaft in Linden. Aber es gibt nun einmal Interessenkonflikte, etwa zwischen Stadt und Stadtteil. Der Bezirksrat ist dazu da, die Interessen der BewohnerInnen zu vertreten. Das machen wir. Und wir wollen durch unsere Diskussionen für mehr Informationen und Transparenz sorgen. Das ist oft genug nötig. Wir möchten, dass sich möglichst viele BürgerInnen für den Stadtbezirk interessieren und einsetzen. Bürgerbeteiligung ist ein ganz wichtiges Anliegen von uns. Durch unsere lokale Kompetenz wollen wir für bessere Entscheidungen für den Stadtbezirk sorgen. Schließlich wohnen wir in Linden/Limmer und wir alle müssen mit den Auswirkungen der Entscheidungen hier leben. Allen LeserInnen wünsche ich ein gutes Jahr 2023!