Kurz nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurde in Linden-Nord, an der Elisen-/Ecke Leinaustraße das Eliseneck, welches von allen liebevoll nur Ellieck genannt wurde, eingerichtet. In dieser Nachkriegszeit hatte fast jede Straße ihre Eckkneipe. Es waren typische Arbeiterkneipen, die besonders dann gut besucht waren, wenn die Arbeiter der anliegenden Fabriken ihre Lohntüten überreicht bekamen. Darin bekamen sie damals noch ihren Lohn in bar ausgezahlt. Der obligatorische Deckel musste an diesem Tag beim Wirt beglichen werden, oft blieb man dann an der Theke hängen.
Diese typischen Arbeiterkneipen stammen noch aus einer Zeit, als es zuhause keine Fernseher gab. Der Arbeitstag war beschwerlich und lang und die wenige Freizeit verbrachten so manche Männer im Lokal an der Ecke. Diese öffneten bisweilen bereits am Vormittag. Neben der Theke mit den Barhockern gab es ein paar Tische und das obligatorische Clubzimmer, in dem Vereinstreffen und auch Familienfeiern abgehalten wurden. Man traf sich dort, es wurde getrunken und geraucht. Doch Essen gab es nur bei Veranstaltungen im Clubraum. Sonst höchstens einmal eine Frikadelle oder eine Bockwurst, doch das war eigentlich schon die absolute Ausnahme.
Während im Laufe der Jahre viele Lokale verschwanden oder sich zu den typischen Szenenkneipen gewandelt haben, ist das Ellieck bis heute eine typische Bierkneipe geblieben – etwas abgerockt und ohne Schickimicki. Seit Mitte der Neunziger Jahre war Andrea die Wirtin, seit 2013 nun Tanja und Hardy. Innen scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, etwas düster und „eine der letzten Raucherkneipen mit Wohnzimmeratmosphäre“, wie es Stammgast Heiko so schön nannte.
Kleine Geschichte zwischendurch
Anfang der 80er Jahre hieß die Kneipe Eliseneck bei Werner. Im alten Clubraum zur Leinaustraße standen inzwischen ein Billardtisch und auch ein Flipper. Ein Schulfreund lud mich damals dorthin zum Flippern ein. Mittags nach Schulschluss gingen wir in den besagten Clubraum. Geld für Getränke oder den Flipper hatten wir zwar nicht, aber mein Freund hatte einen Groschen. Dieser musste in den 2 DM Schlitz gesteckt werden und dann wurde mit Schmackes gegen den Münzschacht gehauen. Damit wurden drei Freispiele aufgezählt. Dieser Trick ließ sich unbegrenzt wiederholen. Einige Tage später waren wir wieder am Flippern und der Wirt stellte sich plötzlich neben uns und schaute zu. Als das Spiel beendet war, sollten wir beiseite treten und er schloss das Münzfach auf. Dieses hatte er wohl am Abend vorher entleert und jetzt war nicht eine Münze darin zu finden. Das war das erste und einzige Mal, dass ich aus einer Kneipe „rausgeflogen“ bin, glücklicherweise ohne weitere Konsequenzen.
Ellieck ist für immer geschlossen
Vor einigen Jahren wechselte das Haus Elisenstraße 32 den Besitzer. Der neue Eigentümer sanierte alle darüber liegenden Wohnungen, somit zogen neue Mieter ein, die seit dem auch deutlich höhere Mieten entrichten müssen. Im Erdgeschoß wurde weiter gefeiert, manches Mal gab es sogar Live-Musik. Die neuen Mieter hatten eine geringere Toleranz gegenüber der Kneipe, was zu häufigen Beschwerden geführt hat. Irgendwann hatte der Eigentümer die Nase voll und kündigte bereits Ende 2018 den Pachtvertrag mit Hardy Lahmann. Aufgrund einer Klausel im Mietvertrag konnte er die Kündigung bis auf Ende 2020 hinauszögern. Durch Corona kam das endgültige Ende nun ganz still und plötzlich. Der Mietvertrag endet zum 31.12.2020, wenige Tage später muss die Kneipe leergeräumt und besenrein übergeben werden.
Aufgrund der aktuellen Situation wird es ein leiser Abschied, denn die geplante Silvesterabschiedsparty muss aufgrund der Pandemie ausfallen. Aber für Hardy wird es nach 35 Jahren Gastronomie bestimmt weitergehen, denn mit etwas Abstand kommt ganz gewiss wieder der Wunsch nach einem neuen „Wohnzimmer“.
Flohmarkt im Ellieck
Da die ganze Gaststätte leergeräumt werden muss, veranstalten Tanja und Hardy dort am Samstag, den 19. Dezember 2020 ab 10 Uhr einen Flohmarkt. Einzeln können Stammgäste und Interessierte hier ein Erinnerungsstück wie eine der Kessellampen, eines der Musikinstrumente von der Wand, einen Barhocker oder andere Dinge erwerben. An diesem Tag wird gibt es keinen Getränkeverkauf geben und die üblichen Corona Hygieneregeln sind einzuhalten.