In der Sitzung des Stadtbezirksrates am vergangenen Mittwoch gab es einen Antrag von Thomas Ganskow (Piraten), die Freifläche in Linden-Nord zwischen der Salzmannstraße und Brackebuschstraße (Brackebuschgarten) nach der kurdisch-iranischen Jina Mahsa Amini zu benennen. Als Begründung führte er dazu an:
Seit September 2022 finden in Hannover regelmäßig Kundgebungen statt, die auf die Gräueltaten der Regierung des Iran aufmerksam machen. Ausgangspunkt war der Tod der kurdisch-iranischen Jina Mahsa Amini auf einer Polizeistation. Regelmäßig sind dabei auch Bürger:innen aus dem Stadtbezirk Linden-Limmer beteiligt. Die Stadt Wien hat nun als erste Stadt in Europa angekündigt, eine Straße nach Jina Mahsa Amini zu benennen, um damit den Freiheitskampf des iranischen Volkes zu unterstützen. Hannover wäre die erste Stadt in Deutschland, die diesem Beispiel folgt.
Dieser Antrag wurde mit 5 Stimmen dafür, 9 Stimmen dagegen und 2 Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt. Im Rahmen der Sitzung sprach sich der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Steffen Mallast, gegen den Antrag aus. Hier veröffentlichen wir nun die dazugehörigen Stellungnahmen von Thomas Ganskow und Steffen Mallast.
Stellungnahme Thomas Ganskow
Jina-Masha-Amini-Platz in Linden durch Grüne verhindert
Bezirksräte haben nur ein ausgesprochen kleines Gebiet, in dem deren Entscheidungen abschließenden Charakter haben. Die Benennung von Straßen und Plätzen, die in deren ausschließlichem Zuständigkeitsgebiet liegen, gehört dazu. Infolgedessen war es selbstverständlich für mich, dem Wunsch der iranischen Community in Hannover zu folgen, eine Platzbenennung unter Berücksichtigung aller dafür festgelegten Vorgaben anzustreben. Mit fadenscheinigen Begründungen, wie dem fehlenden Bezug zu Hannover bzw. Linden oder der Tatsache, dass der Tod von Jina Aminini noch kein Jahr her sei, wurde der Antrag abgelehnt.Das passt in die grüne Politik, die auch auf Landes- und Bundesebene jegliche Unterstützung der iranischen Demokratie- und Freiheitsbewegung vermissen lässt. Von feministischer Außenpolitik einer Frau Baerbock ist dort genauso wenig zu erkennen, wie es im Bezirksrat der Fall ist.
Welche große Möglichkeit man gehabt hätte, hier als erste Stadt in Deutschland ein symbolisches Zeichen der Unterstützung zu setzen, wurde dabei nicht bedacht. Dabei ist es besonders bezeichnend, dass sich in schöner Regelmäßigkeit Landtags- und Regionsabgeordnete auch von den Grünen im Rahmen der zweiwöchig stattfindenden Demonstrationen am Steintor in Hannover mit flammenden Reden zur Freiheitsbewegung im Iran bekennen. Wenn es dann in die praktische Unterstützung geht, bleibt davon nicht viel übrig.
Dabei ist es genau das, was die iranischen Aktivisten von uns erwarten: Das zu tun, was uns möglich ist, um dafür zu sorgen, dass sie nicht in Vergessenheit geraten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!
Stellungnahme Steffen Mallast
Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass die offensichtliche Polizeigewalt gegen Jina Masha Amini symptomatisch ist für das Unrechtsregime im Iran und durch nichts zu rechtfertigen. Dass ihr Tod erneut zu Protesten gegen den iranischen Staat geführt hat und damit ein wichtiger historischer Bezugspunkt ist und gerade auch die vorherrschende Unterdrückung von Frauen im Iran verdeutlicht, steht außer Frage. Dass Jina Masha Amini damit grundsätzlich eine Person ist, der ein würdiges Gedenken zusteht, auch im Namen eine Straßen- oder Platzbenennung zuteilwerden kann, ist unbestritten.
Dass wir als Grüne Fraktion den Antrag der Piraten am Ende mehrheitlich abgelehnt haben, hat andere Gründe. Wie bereits in der Sitzung geschildert, ist es seit Jahrzehnten üblich und aus nachvollziehbaren Gründen gelebte Praxis, dass in Hannover Straßenbenennungen frühestens ein Jahr nach dem Tod der verstorbenen Person beschlossen werden, häufig sogar noch später. Der Deutsche Städtetag empfiehlt in einer aktuellen Handreichung zu diesem Thema sogar eine Wartefrist von fünf Jahren einzuhalten.
Ein weiteres, ganz konkretes Hindernis hat aus unserer Sicht dargestellt, dass nur zwei Tage vor der Sitzung des Bezirksrates Linden-Limmer der Bezirksrat Mitte über eine Platzbenennung in seinem Zuständigkeitsbereich beraten hat. Dabei ging es um eine Grünfläche neben dem zentralen Opernplatz, in direkte Nachbarschaft zum Mahnmal für die ermordeten Jüdinnen und Juden aus Hannover. Auch hier stand (und steht) im Raum, die Fläche nach Jina Masha Amini zu benennen. Da der Antrag von der FDP in die Fraktion gezogen wurde und demnach erst in der nächsten Sitzung nach der Sommerpause entschieden wird, ist hier noch keine Entscheidung gefallen.
Dieser Umstand wurde von uns in der Sitzung ebenso benannt, wie Empfehlungen, ein Anstandsjahr seit dem Ableben einzuhalten. Wir haben diesbezüglich dem Einzelvertreter der Piraten nahegelegt, die Entscheidung auf nach der Sommerpause zu verschieben, um in einen Klärungs- und Abstimmungsprozess mit dem Bezirksrat Mitte treten zu können, um gemeinsam einen geeigneten Platz zur Ehrung zu identifizieren. Auch eine Umwandlung des Antrages in einen Prüfauftrag, der die Verwaltung auffordert, nach einem geeigneten und würdigen Ort zu suchen, wäre von uns mitgetragen worden. Dieses Vorgehen war sogar von der Verwaltung nur zwei Tage zuvor in der vorbereitenden Interkreissitzung (dem Treffen der Fraktionsvorsitzenden zur Vorbesprechung der eigentlichen Bezirksratssitzung) konkret vorgeschlagen worden. Es wurde nicht von den Piraten abgelehnt, sondern der Eindruck erweckt, dies ernsthaft zu prüfen.
Letztlich konnten wir uns nicht dem Eindruck erwehren, dass es mit dem Antrag nicht um die, im Kern richtige und ehrenwerte, Sache ging, sondern um die eigene Profilierung eines Einzelvertreters. Das Ziel, der Erste zu sein, der eine Benennung beantragt und damit in der Zeitung zu stehen, war ihm wohl wichtiger als die offene Aushandlung darüber, wie ein würdiges Gedenken aussehen kann und welche Rolle dies für die gesamte Landeshauptstadt haben kann. Damit wird dem berechtigen Ansinnen, Jina Masha Amini in Hannover zu ehren, leider ein Bärendienst erwiesen.