Kommt man hier vorbei, sind die auffälligen, grünen Holztore meist verschlossen und im Inneren keine Regung zu entdecken. Die alte Lindener Feuerwache erweckt nach außen ein bisschen den Eindruck, als sei hier die Zeit stehen geblieben. Doch der Schein trügt. Punkt-Linden hat hinter die Tore geschaut.
Die schönen Backsteinbauten zwischen Teichstraße und Küchengartenstraße in Linden-Mitte stammen aus der Blütezeit der Stadt Linden. Über den Toren in der Teichstraße prangt ein Schild „Freiwillige Feuerwehr Hannover – Ortsfeuerwehr Linden“. Wir sprachen dort mit Philipp Leddin, dem stellvertretenden Ortsbrandmeister, der uns viele bemerkenswerte Details über die Freiwilligen Feuerwehr und die Lindener Feuerwache schilderte.
Von wegen Festzeltfeuerwehr
In Hannover ist die freiwillige Feuerwehr in Form von Ortsfeuerwehren integraler Bestandteil des Brandschutzes und kooperieren mit ihren hauptberuflichen Kameradinnen und Kameraden von der Berufsfeuerwehr auf Augenhöhe. Dabei ist auch die Qualifikation der Ehrenamtlichen gleichwertig zur Berufsfeuerwehr. Die grundlegende, modular aufgebaute Ausbildung dauert etwa 8 Wochen. Hinzu kommen Führungs- und Fachlehrgänge sowie regelmäßige Übungen.
Neben Brandbekämpfung, technischer Hilfeleistung und Katastrophenschutz, sozusagen dem Brot- und Buttergeschäft, unterhält die Lindener Feuerwehr Fachgruppen für die Dekontamination sowie das Aufspüren und Messen von Gefahrstoffen, wobei letzteres viel häufiger bei Bränden als bei Gefahrstoffunfällen durchgeführt wird. „Wenn Sie in Hannover im Radio eine Durchsage hören, dass Sie Ihre Fenster und Türen geschlossen halten sollen, dann stecken oft wir dahinter“ schildert der stellvertretende Ortsbrandmeister. Wichtig ist ihm auch, mit Klischees über die freiwillige Feuerwehr aufzuräumen: „Dies ist eine alkoholfreie Wache. Wenn hier mal was getrunken wird, dann nur zur Weihnachtsfeier oder zum Sommerfest.“
Ausgerüstet ist die Wache mit insgesamt fünf verschiedenen Fahrzeugen, davon sind zwei speziell für das Messen/Aufspüren und die Dekontamination von Gefahrstoffen ausgerüstet. Hinzu kommt ein Anhänger mit Stromerzeuger und Lichtmast. Die „Spezialität des Hauses“ ist eines von zwei in Hannover stationierten MLF. Das „Mittlere Löschfahrzeug“ (MLF) auf Basis eines Klein-LKW mit 1000 Litern Wasservorrat und 7,2 Tonnen Maximalgewicht ist besonders kompakt und kann auch in engen, teils zugeparkten Nebenstraßen noch zum Einsatzort vordringen, während große Standardfahrzeuge stecken bleiben würden.
Überall dabei
Der sogenannte Ausrückebezirk setzt sich aus den drei Lindener Stadtteilen Nord, Mitte und Süd, Calenberger Neustadt und große Teile von Mitte zusammen. Limmer hat einer eigene Freiwillige Feuerwehr. Bei Ereignissen mit großem Kräftebedarf kommt sie darüber hinaus im gesamten Stadtgebiet zum Einsatz. So zuletzt bei der Entschärfung einer Fliegerbombe im Stadtteil Vinnhorst, aber beispielsweise auch beim Aufbau von Flüchtlingsunterkünften. Herr Leddin beschreibt uns ein beeindruckend breites Spektrum an Einsätzen und Einsatzorten. Die Lindener Feuerwehr war quasi schon an allen markanten Orten in Linden-Limmer im Einsatz. Zuletzt auch bei einem bedrohlichen Wohnungsbrand in der Nedderfeldstraße. Jährlich kommen so rund 200 Einsätze zusammen. Von ihren hauptberuflichen Kameraden unterscheiden kann man die ehrenamtlichen Helfer aus Linden nur an der Kennung „LIN“ an den Fahrzeugen. Denn was Ausrüstung und Einsatzbekleidung angeht, unterscheiden sie sich nicht. So merkt man nicht wirklich, wo die Lindener überall mitmischen. Apropos Einsatzbekleidung: Nach Brandeinsätzen wird diese vor Ort ausgezogen und luftdicht verpackt der Reinigung zugeführt. Dadurch wird die Gesundheitsbelastung der Feuerwehrleute durch schädliche Rauchpartikel vermieden.
Wenn der Melder piept
In der Woche beschränken sich die Bereitschaftszeiten auf 17 bis 6 Uhr, denn die Mitglieder sind berufstätig oder gehen Ausbildung oder Studium nach. An Wochenenden ist die Lindener Wache rund um die Uhr in Bereitschaft. Bei Bedarf kann aber auch während der normalen Arbeitszeiten alarmiert werden. In solchen Fällen verlassen die Mitglieder den Arbeitsplatz und eilen zur Feuerwache. Arbeitgeber sind übrigens gesetzlich verpflichtet, ihre Mitarbeiter für Einsätze und auch für Weiterbildungen freizustellen, werden dafür aber entschädigt. Trotzdem wird bei den Arbeitgebern regelmäßig für Verständnis geworben.
Über eine App können die Mitglieder erfassen, ob sie gerade zur Verfügung stehen. Dadurch kann jederzeit eine ausreichende Personalstärke sichergestellt werden. Alarmiert werden sie über Funkrufempfänger. Viele der Mitglieder wohnen im direkten Umfeld der Lindener Feuerwache und kommen bei Alarmierung mit dem Fahrrad. Das geht deutlich schneller als mit dem Auto. Verblüffend: Zwischen Alarmierung und dem Ausrücken des ersten Fahrzeugs vergehen gerade mal vier Minuten!
Teils sind die Einsätze mit psychisch außerordentlich belastenden Eindrücken verbunden. Solche Erlebnisse werden im Nachgang im Kreis der Kolleginnen und Kollegen besprochen und aufgearbeitet. Notfalls steht aber auch sofortige, seelsorgerische Betreuung zur Verfügung. Sollte eine psychotherapeutische Betreuung notwendig sein, wird diese von der Feuerwehr-Unfallkasse getragen. Ein nicht unerhebliches Problem sind teils übergriffige Gaffer. Insbesondere noch unerfahrene Feuerwehrleute fühlen sich durch die vielen Augenpaare, die jeden Handgriff mitverfolgen, zeitweise verunsichert. Seine Motivation, sich trotz der erheblichen Belastungen bei der Feuerwehr zu engagieren, beschreibt Philip Leddin so:
„Mich motivieren die Leute, die wir bei uns haben. Es macht Spaß, mit unseren Kameradinnen und Kameraden sinnvolle Dinge für die Gesellschaft zu tun. Jeder erfolgreiche Einsatz ist am Ende das Ergebnis einer Teamleistung. Auch die wirklich gute und respektvolle Zusammenarbeit mit der Berufsfeuerwehr – und das auch außerhalb der Einsätze – spielt eine maßgebliche Rolle.“
Zusätzlich lobt Herr Leddin die hervorragende Ausrüstung durch die Landeshauptstadt. Dies sei im Vergleich zu anderen Kommunen nicht selbstverständlich.
Die alte, junge Feuerwehr
Die Ortsfeuerwehr Linden setzt die Tradition der 1876 gegründeten freiwilligen Turner-Feuerwehr fort und hat damit fast 150 Jahre auf dem Buckel. Trotzdem ist sie eine sehr junge Feuerwehr, denn der Altersdurchschnitt der 45 Mitglieder liegt bei gerade mal 30 Jahren. Das liegt vor allem daran, und das ist bemerkenswert, dass sich viele Studierende aus dem direkten Umfeld hier engagieren.
Auch Jugendarbeit wird in der Teichstraße betrieben. Diese wurde durch die COVID-19-Pandemie stark eingeschränkt, soll aber nun wieder forciert werden. Neben der Jugendfeuerwehr für Kinder zwischen 10 und 16 Jahren soll es ab dem kommenden Jahr auch eine Kinderfeuerwehr für Kinder ab 6 Jahren geben. Regelmäßig präsentiert sich die Lindener Feuerwehrleute auch auf Straßenfesten und anderen öffentlichen Veranstaltungen wie dem Tag der Niedersachsen, zum deutschen Feuerwehrtag auf dem Trammplatz und auch beim Stadtteilfest „Lust auf Linden-Süd“. Den Dienstbetrieb schränkt das nicht ein. Wenn erforderlich, fährt man auch von Veranstaltungen aus direkt zum Einsatz.
Auf die Frage nach der Mitgliedssituation antwortet Herr Leddin, die Personaldecke sei ausreichend, um das Einsatzgeschehen sicher abzubilden, aber neue Mitglieder wären immer sehr willkommen. Insbesondere auch, um die Jugendarbeit weiter auszubauen. Es muss immer wieder hervorgehoben werden: Die Mitglieder erhalten für ihr wichtiges und zeitintensives Engagement keinerlei Vergütung. Lediglich der Ortsbrandmeister und sein Stellvertreter erhalten eine Aufwandspauschale. Und die ist sehr übersichtlich.
Die Lindener Feuerwehrleute sind übrigens auch auf Instagram vertreten: @freiwillige_feuerwehr_linden.
Ein großes Lob für die Freiwillige Feuerwehr
Und sehr herzlichen Dank für die unermüdliche Einsatzbereitschaft und weitgehend im Verborgenen laufende Gewährleistung eines umfassenden Brandschutzes und des Rettungswesens in unserem Stadtteil und weit darüber hinaus. Bedauerlicherweise ist in der Bevölkerung nicht wirklich bekannt, dass die Männer und Frauen der Freiwilligen Feuerwehr unbezahlt die Sicherheit der Bevölkerung gewährleisten und ohne sie die hannoversche Berufsfeuerwehr die nötigen Standards gar nicht sicherstellen könnte. Leider geschieht diese Arbeit rund um die Uhr und mit bis zu 200 Einsätzen jährlich ehrenamtlich und unter Inkaufnahme vieler persönlicher Einschränkungen. Eine angemessene Vergütung in Form einer Aufwandsentschädigung wäre eigentlich das Mindeste, da das aber leider nicht geschieht, sollte die geleistete Arbeit durch eine hohe Wertschätzung und zumindest eine große gesellschaftliche Dankbarkeit honoriert werden!
Rainer-Jörg Grube
als Bürgermeister für den Stadtbezirk Linden – Limmer
Rainer-Jörg Grube steuerte diese Danksagung zu unserem Artikel bei.