
Noch stecken die Planungen für die erforderliche Sanierung des Westschnellwegs zwischen Herrenhausen und dem Deisterplatz in den Anfängen. Doch schon jetzt sind die Konfliktlinien zwischen Oberbürgermeister Belit Onay und einem Teil seiner potenziellen Wähler*innen sichtbar. Bei der Diskussion „Zukunft des Westschnellwegs“ am Freitagabend in der Aula vom Gymnasium Limmer musste er sich kritischen Fragen von Bürger*innen aus Linden und Limmer, Mitwirkenden im Dialogforum und im Bündnis „WESTprotest“ etwa zur im Sommer vorgestellten „optimierten Tunnelvariante“ stellen.
Evrim Camuz, Gastgeberin und Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, konnte ihr Ziel, „gemeinsam Perspektiven einer nachhaltigen Stadtgestaltung zu diskutieren“, nicht erreichen. Dafür aber nahm sie „eure Fragen und Erfahrungen“ auf, die sich zwischen „Westschnellweg als Fahrradstraße“, „Sanieren im Bestand für Klimagerechtigkeit“, „es dürfen einfach keine Autos mehr nach Linden-Süd kommen“ und einer Tunnellösung für „mehr Wohnungsbau in einem sehr urbanen Zentrum“ bewegen. „Manche Fragen sind wirklich schwierig, ihr müsst meine Rolle sehen“, sagte Onay, der zugleich um politische Unterstützung bat. Denn der Bund ist Entscheider und Finanzier bei diesem Vorhaben an der Bundesstraße 6.
„Keine Akzeptanzveranstaltung“

„Die Empfehlungen des Bürgerrates decken sich mit den Planungen der Stadt“, sagte Onay. Er erwarte, dass das Beteiligungsformat keine Akzeptanzveranstaltung bleibe. „Ohne politischen Druck wird es aber schwierig, von dem geplanten Autobahnstandard für den Westschnellweg herunterzukommen. Das wird noch ein weiter Weg“, räumte er zugleich ein.
Kritik an Landesbehörde

Im Fokus der Gegner ist vor allem die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, die den Mitwirkenden in den Beteiligungsformaten bislang ihre Verkehrsprognosen nicht zur Verfügung gestellt hat. Sie wollen etwa wissen, ob bei der Untersuchung der Klimaschutzplan 2035 der Region Hannover berücksichtigt wurde, mit dem unter anderem die Mobilitätswende forciert werden soll. Camuz sicherte zu, Akteneinsicht zu beantragen, denn „das ist ein Privileg für mich als Landtagsabgeordnete“.
Kritik an Tunnelvariante
Kritische Nachfragen gab es aber auch wegen der „optimierten Tunnelvariante“ der Stadt, mit der aus Sicht von Onay Wohnungsbau und eine ökologische Aufwertung der Stadtteile möglich wären. „Vor 2045 wird es doch keinen Wohnungsbau geben. Warum diese Planung, mit der das aktuelle Verkehrsaufkommen festgeschrieben wird?“, meinte ein Teilnehmer. Die dafür notwendigen Betonarbeiten würden zudem die Klimabilanz verschlechtern. Onay verteidigte die Entscheidung, als Stadt frühzeitig eine eigene, an den städtebaulichen Zielen angepasste Tunnelvariante zu planen. „Wir wollten den Vorschlag einbringen, damit er später in der Entscheidungsphase berücksichtigt werden kann.“ Es sei seine Verantwortung als Oberbürgermeister, Stadtplanung auch langfristig zu denken und sicherzustellen. Er bleibe aber auch offen für eine Variante „Sanieren im Bestand“, wenn diese von den Fakten her überzeugen könne.
„Wie retten wir unsere Städte?“, lautet der Titel einer Doku im ZDF. Am 6. Juni wurde der Film veröffentlicht und ist nach wie vor in der Mediathek abrufbar. Die Doku beginnt und endet mit einem Stadtrundgang in Deutschlands hässlichster Stadt: Ludwigshafen. Moderator Christian Sievers lernt etwas über fehlgeleiteten Städtebau: geplant für den Autoverkehr, nicht für seine Bewohner. Hannover plant noch immer für den Autoverkehr, statt nach vorn zu schauen. – Ich war selbst Mitte Juni in Ludwigshafen und habe mir ein Bild gemacht. Es wird vieles zurückgebaut. Und das ist gut so. Zufällig kam ich mit dem Bauamtsleiter ins Gespräch. Er saß während seiner Mittagspause vor seinem Verwaltungsgebäude am Europaplatz. Der Name „Europaplatz“ verspricht viel und hält nichts. Der Platz ist trostlos, der Rundumblick ernüchternd. Dass Ludwigshafen auch schöne Stellen hat, wollte er mir zeigen. Er führte mich in den Innenhof seiner Dienststelle, der für Besucher normalerweise nicht zugänglich ist. Eine Oase! In diesem Stil könnten viele Städte aufgewertet werden, statt diese für den Autoverkehr herzurichten.
Als ich in Ludwigshafen war, habe ich einen Abstecher nach Speyer gemacht. Speyer ist eine historisch bedeutsame Stadt. Der Dom gehört zum UNESCO-Welterbe. „Nichts wie weg“, dachte ich mir, als ich denselben besichtigt hatte. Der Grund steht auf der Website der Stadt:
„Speyer liegt verkehrsgünstig im Zentrum der Metropolregion, ist aber auch vom Verkehr durchflossen und umflossen. Das stellt für die Verkehrslogistik der städtischen Verkehrsplanung- und Lenkung eine Herausforderung dar. Neben dem Individualverkehr muss auch der öffentliche Personennahverkehr den wechselnden Anforderungen durch Baustellen, Umleitungen, Straßenbaumaßnahmen und den umgebenden Autobahnen gerecht werden.“
„Vom Verkehr durchflossen“ hört sich harmlos an, ist aber sowohl für Touristen als auch für Einheimische eine Zumutung. In Speyer wird wie in den meisten deutschen Städten an den Symptomen herumgedoktert, statt an deren Wurzeln zu gehen, nämlich das Verkehrsaufkommen drastisch zu reduzieren.
Ich fahre regelmäßig mit Bus und Bahn und erlebe eine Zunahme an Fahrgästen die mit ihrem Fahrrad oder Fahrradanhänger einsteigen. Das Fahrrad alleine reicht also nicht um von A nach B zu kommen. Wenn in Zukunft immer mehr Leute mit ihrem Fahrrad oder dem Fahrradanhänger Busse und Bahnen nutzen, werden noch mehr Leute auf das Auto/Taxi ausweichen, weil der Platz dann nicht mehr für Kinderwagen usw. reicht und weder mehr Busse noch Bahnen fahren können.
Alternativ könnte man die Mitnahme stärker einschränken, aber dann fahren wohl auch wieder weniger Menschen mit dem Rad. So oder so ist auch das Auto das Verkehrsmittel der Zukunft.
Da wäre dann ein breiterer Westschnellweg- gerne auch mit einem zusätzlichen Radweg – eine gute Idee.
Hannovers Schnellwege konkurrieren nicht mit dem ÖPNV. „Sie sind ein wesentlicher Bestandteil zur überregionalen Erschließung und führen zugleich den Fernverkehr um das Stadtzentrum herum.“ (O-Ton Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr) – Autos sind zu einer Plage geworden, weil es viel zu viele davon gibt. Insofern bedarf es zukunftsweisender Maßnahmen, die das Allgemeinwohl und nicht die Bequemlichkeit als Zielsetzung haben. „Breiter, schneller, schädlicher“ kann nicht die Lösung sein. Wer z.B. mit seinem Auto nach London fahren möchte, muss drei Umweltzonen beachten, in denen die Zufahrt beschränkt ist. Dafür ist eine Online-Registrierung erforderlich und eine Tagesgebühr fällig. Bei Verstößen droht ein hohes Bußgeld. In Hannover ließen sich ähnliche Modelle realisieren.
Gerade der Westschnellweg verbindet Linden-Limmer mit Stöcken, wo ein großer Arbeitgeber seinen Sitz hat und konkurriert sehr wohl mit dem ÖPNV!
Arbeitsweg mit den Öffis: 39-50 Minuten
Arbeitsweg mit dem Auto: 13-17 Minuten, selbst bei Stau also kürzer und zeitlich unabhängiger.
Auf Hannovers Schnellwegen fahren keine Busse des ÖPNV. Eine Verbreiterung der Schnellwege käme den Öffis folglich nicht zugute. Wer derzeit den Arbeitsweg mit dem Auto bewältigt, wird das auch weiterhin tun, weil der ÖPNV für diese Personen eben nicht konkurrenzfähig ist.
Doch, auch die Busse haben in der Vergangenheit den Westschnellweg genutzt, wenn auch nur wegen dem Bau des Hochbahnsteiges. Es geht aber darum, dass immer mehr Menschen mit RAD den Bus oder die Bahn nutzen und so PLATZ durch ihr RAD denen wegnehmen, die ihn für ihren Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen brauchen und die dann lieber auf ein Auto/Taxi umsteigen, weil sie aus PLATZgründen nicht mehr mit dem Bus oder der Bahn fahren können. Und das Fahrrad ist für diese Menschen keine Alternative.
Wer aus den Öffis verdrängt wird, ist auf Alternativen angewiesen und diese sind nicht das RAD, denn das wird ja heute schon vermehrt mit der Bahn, dem Bus oder dem Zug mitgenommen.
Fahrräder haben in Bussen und Stadtbahnen nichts zu suchen. Darin stimme ich dir zu. In Regional- und Fernzügen mit entsprechenden Abteilen sieht das anders aus.
Schon jetzt haben Kinderwagen, Rollatoren und Rollstühle immer Vorrangig vor Fahrrädern in Bussen und Bahnen.
Während der Stoßzeiten dürfen gar keine Fahrräder in die Stadtbahn.
Ist für alle kein Platz, steigst du als Radfahrer:in aus.
Lasst euch von der Autolobby nicht spalten. ÖPNV- und Rad-Nutzer:innen stehen auf der gleichen Seite.
Der termingestresste OB Belit Onay musste sich kritischen Fragen stellen, obwohl er doch tagsüber schon rein „wahltechnisch“ den Schmalzkuchen-Bäcker an den Karstadt-Arkaden gerettet hat.
Kritik an der optimierten Tunnelvariante mit Wohnungsbau und Aufwertung der Stadtteile wurde laut.
Die Studie der Frankfurter Architekten, mit der Option Verlagerung von Kleingärten (siehe Deckel A7 – Hamburg -Etelsen) wirft so manche Fragen auf.
Die Stadt Hamburg wollte auch Flächen für den Wohnungsbau frei machen, dafür müssen dann Kleingärtner weichen und „umziehen“. Der Verkauf sollte einen Teil des HH-Deckels finanzieren.
In der Studie wurde der Kleingartenverein Silberborn erwähnt, hierbei handelt es sich nicht um ein städtisches Grundstück. Die gesamte Fläche ist im Privatbesitz.
Da haben die Architekten mal fix etwas hingezaubert. Deckelvarianten sind bei denen beliebt.
Ich bin davon überzeugt, dass weder OB Belit Onay noch der Bürgerrat einen entscheidenden Einfluss auf die Sanierung des Westschnellwegs haben. Am Ende werden sich die Betonköpfe durchsetzen. Die werden sich auf Zwänge berufen, für die sie nicht verantwortlich sind. Albert Einstein wusste es besser: „Wir können unsere Probleme nicht mit derselben Denkweise lösen, mit der wir sie geschaffen haben.“