Wasserstadt Limmer: Jury kürt Siegerentwürfe für zweiten Bauabschnitt

Visu 1Wie soll der bisher unbebaute Teil des ehemaligen Continental-Geländes, der den zweiten Bauabschnitt der Wasserstadt Limmer aufnehmen wird, in Zukunft aussehen? Nach intensiver, mehrstündiger Beratung hat eine hochqualifiziert besetzte Expert*innenjury unter Leitung des Kölner Architekten Kaspar Kraemer heute (7. Februar) ihre Wertung zu den drei eingereichten Entwürfen für das städtebauliche und freiraumplanerische Konzept des geplanten neuen Quartiers verfasst. Für die weitere Beauftragung ausgewählt wurde für den Bereich nördlich der Wunstorfer Straße der Vorschlag des Planungsteams bestehend aus Monadnock aus Rotterdam, Planersocietät aus Dortmund und chora blau aus Hannover.

Für den südlichen Teil überzeugte das Team bestehend aus UP+ aus Hannover, BurtonHamfelt aus Amsterdam, SHP aus Hannover und LOLA landscape architects aus Rotterdam. Einbezogen in die Entscheidung wurden neben fachlichen Belangen besonders auch die vielen Anregungen und Hinweise aus der öffentlichen Vorstellung der Entwürfe am vergangenen Donnerstag.

Visu 2Der Entwurf von Monadnock, Planersocietät und chora blau überzeugt für den Bereich nördlich der Wunstorfer Straße durch vier identitätsstiftende Platzräume als Rückgrat des Entwurfs gemeinsam mit einer verbindenden kammartigen städtebaulichen Struktur, die allerorts Bezüge zum Wasser herstellt.
Für den südlichen Teilbereich setzte sich der Entwurf von UP+, BurtonHamfelt, SHP und LOLA landscape architects durch seine südwestliche Orientierung zum Wasser durch.

Aus Sicht der Jury erfüllen diese beiden Entwürfe die Anforderungen, die sowohl in der umfangreichen Ausschreibung als auch im Rahmen des vorangegangenen, mehrstufigen Bürger*innenbeteiligungsprozesses ermittelt wurden, am besten. Dazu zählen insbesondere eine lebendige, integrative Quartiersgestaltung mit entsprechenden lokalen Infrastrukturangeboten von hoher städtebaulicher Qualität, eine integrierte Freiraumplanung mit hervorragender Aufenthaltsqualität, eine gelungene Vernetzung mit dem bestehenden Stadtteil, ein differenziertes, nachfragegerechtes und von breiten Schichten der Bevölkerung bezahlbares Wohnungsangebot sowie innovative Mobilitäts- und Verkehrskonzepte.

Die Jury

Der Jury gehörten acht Fachpreisrichter*innen bestehend aus dem Stadtbaurat sowie (Landschafts-)Architekt*innen und sechs Sachpreisrichter*innen bestehend aus Investoren und Politiker*innen an. Die Entscheidung für den nördlichen Bereich erfolgte mit elf Stimmen. Für den Entwurf des südlichen Bereichs stimmten neun Personen.

Stimmen

  • Visu 3Stadtbaurat Thomas Vielhaber betont, dass „der ausgewählte Entwurf nun die konzeptionellen Grundlagen für die Weiterentwicklung der Wasserstadt Limmer zu einem neuen ‚Stück Stadt‘ schaffen soll. Hier darf kein reines Wohngebiet, sondern es soll ein Quartier mit vielfältigen Funktionen und von hohem Wohn- und Lebenswert entstehen. Dazu tragen ein gelungener Mix unterschiedlicher Wohnungstypologien ebenso bei, wie die qualifizierte Ausgestaltung der öffentlichen und privaten Freiräume, Plätze, Wege und Promenaden. Und während der integrierte Ansatz der Planung – mit den Einkaufsmöglichkeiten und sozialen Infrastruktureinrichtungen – auch auf kurze Wege und damit Verkehrsvermeidung setzt, sollen die verbleibenden Verkehre soweit möglich über den sog. „Umweltverbund“, also zu Fuß, per Rad, mit dem ÖPNV abgewickelt werden. Der Ausbau attraktiver und komfortabler Rad- und Fußwegeverbindungen innerhalb und außerhalb des Gebietes, die Anlage sicherer Radabstellmöglichkeiten in direkter Zuordnung zu den jeweiligen Hauseingängen und die Beschränkung der PKW-Stellplätze in Tief- und Quartiersgaragen sollen ebenso wie die noch mit der Region abzustimmende Ausweitung des ÖPNV-Angebotes dazu beitragen.“
  • Günter Papenburg, Grundstückseigentümer und Vorstand der GP Günter Papenburg AG: „Es ist beeindruckend, wie aus der ehemaligen, dicht bebauten Industriebrache der Continental ein so hochwertiges und nachhaltiges Wohnquartier erwächst. Während der Bau des 1. Bauabschnittes schnellen Schrittes voranschreitet und man endlich auch räumlich erleben kann, wie dieser familienfreundliche und generationsübergreifende Stadtteil später aussehen wird, freue ich mich sehr über die Ideen des Siegerentwurfes. Es entsteht ein modernes, urbanes Quartier mit hoher Lebensqualität und erlebbarem Bezug zum Wasser. Ich bin stolz auf diese Entwicklung und dankbar für die neuen, innovativen Ergebnisse“, so.
  • Dr. Andreas Mattner, Geschäftsführer beim Projektpartner ECE Work & Live: „Es ist allen drei Teams gelungen, Lösungsansätze für ein modernes, nachhaltiges und damit integriertes Gesamtkonzept aufzuzeigen. Der Siegerentwurf schafft einen lebendigen Stadtteil mit optimalen Angeboten für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen attraktiv und oft mit Wasserblick zu Wohnen und sich auf Plätzen im Grünen bzw. den Flusspromenaden zu treffen. Das ist eine hervorragende Basis für die weiteren Planungen.“
  • Ralph Müller, geschäftsführender Gesellschafter von DIE WOHNKOMPANIE Nord: „Der Architektenwettbewerb und der intensive Austausch der Jury haben sich gelohnt. Mit den Impulsen aus dem gesamten Verfahren und dem Siegerentwurf haben wir beste Voraussetzungen, ein modernes und lebenswertes Stadtviertel mit eigenem Charakter zu realisieren, das zum einen Hannover als Wohnstadt bereichert und zum anderen den zukünftigen Nutzern ein hervorragendes Umfeld zum Leben, Arbeiten und die Naherholung bieten wird.“

An dem städtebaulich-freiraumplanerischen Gutachterverfahren waren neben den beiden siegreichen Teams als interdisziplinäres Team außerdem die Büros gruppeomp aus Hannover, ARGUS aus Hamburg und urbanegestalt aus Köln.

Vogelperspektive
Vogelperspektive

In allen drei Entwürfen wird die Fahrradfreundlichkeit im Quartier besonders großgeschrieben. In jedem der Entwürfe sind zugängliche Fahrrad-Abstellmöglichkeiten in den Erdgeschosszonen der Gebäude zu finden. Ebenfalls einen hohen Stellenwert nimmt die städtebauliche Einbindung der unter Denkmalschutz stehenden Bestandsgebäude und die Gestaltung von Freiräumen ein. Beispielsweise durch besondere Platzsituationen vor und rund um die historischen Gebäude. An der nördlichsten Spitze der Wasserstadt, dort wo sich Leineabstiegskanal und Stichkanal Limmer treffen und sich ein weiter Blick in die grünen Leineauen eröffnet, wird in allen Entwürfen ein besonders großzügiger, öffentlicher und grüner Freiraum geschaffen.

So geht es weiter

Aus den prämierten Entwürfen wird nun gemeinsam mit den Sieger-Teams im nächsten Schritt ein sogenannter „Funktionsplan“ entwickelt, der die Flächenaufteilung und –zuordnung im Gebiet konkret beschreibt und nachweist. Am Runden Tisch werden mit Vertreter*innen der Bürger*innen, der Verwaltung, der Wohnungsbauwirtschaft und den Investoren dessen genaue Parameter festgelegt. Dieser Funktionsplan dient dann als Grundlage für das formale Bebauungsplanverfahren. Hierbei wird es wiederum umfassende Beteiligungsmöglichkeiten für die interessierte Öffentlichkeit, aber auch die nochmalige Beteiligung der sog. „Träger öffentlicher Belange“ – also der anzuhörenden Behörden, Verbände und Institutionen – gemäß den Regelungen des Baugesetzbuches geben. Abschließend entscheiden dann die Ausschüsse und der Rat der Stadt über den Bebauungsplan.

„So besonders und einzigartig dieses große Wohnungsbauvorhaben ist, so besonders und bisher einzigartig ist auch die Bürger*innenbeteiligung in diesem Verfahren. Gerade die eingereichten umfangreichen Hinweise und Anregungen während der Zwischenpräsentation der ersten Ideen haben zur Qualifizierung der Entwürfe beigetragen. Und es wird auf diesem Wege weitergehen. Denn die Entscheidung der Jury markiert nicht das Ende des Beteiligungsprozesses, sondern sie leitet über in die nächste wichtige und umfangreiche Phase des Runden Tischs und mündet dann erst in das sich anschließende Bebauungsplanverfahren“, so Stadtbaurat Thomas Vielhaber.

Der bisherige Beteiligungsprozess

Lageplan
Lageplan

Nach Erarbeitung der umfangreichen Aufgabenstellung auf Grundlage der in der Bürger*innenbeteiligung zuvor festgelegten 102 Planungsziele für die Wasserstadt wurden drei aus den Disziplinen Stadtplanung/Hochbau, Freiraum-/Landschaftsplanung sowie Verkehrsplanung zusammengesetzte Planungsgemeinschaften aufgefordert, in einem zweistufigen, anonymen und konkurrierenden Verfahren Entwürfe für den zweiten Bauabschnitt der Wasserstadt Limmer zu erstellen.

Die Zwischenergebnisse der Büros wurden am 3. Dezember 2021 in einer öffentlichen Hybridveranstaltung präsentiert und diskutiert. Wichtige Hinweise und Überarbeitungsvorschläge aus der Öffentlichkeit wurden gesammelt und den drei Teams zur Überarbeitung ihrer Entwürfe übermittelt. Im Vordergrund standen die Themen Mobilität, Dichte der Bebauung, öffentliche und private Grünflächen sowie Klimaschutz. Das digitale Beteiligungstool Slido ermöglichte die Beteiligung online und vor Ort. Das Stimmungsbild zu den Entwürfen zeigte damals einen klaren Favoriten des Publikums.

Nach dem Feedback aus der öffentlichen Zwischenpräsentation Anfang Dezember und den durch die Jury formulierten Anregungen und Überarbeitungshinweisen konnten alle drei Teams ihre Entwürfe überarbeiten und somit konzeptionell noch einmal klar stärken. Am vergangenen Donnerstag (3. Februar) wurden der Öffentlichkeit schließlich die finalen Entwürfe anonymisiert präsentiert. Auch hierzu konnten die Teilnehmenden noch Anmerkungen und Hinweise abgeben, die von der Jury ebenfalls mit in die Entscheidung einbezogen wurden.

Bildnachweis: chora blau, Hannover, Monadnock, Rottersamm (NL), Planersocietät, Dortmund