Leben im Ihmezentrum Teil VII – Marlo Zirr

Herzensangelegenheiten setzen Energie für die Gesellschaft frei

Ihmezentrum
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Als wohl jüngste NutzerInnen im Ihmezentrum, die wir bisher in dieser Interviewreihe vorgestellt haben, sprechen wir heute mit Marlo Zirr, einem der Gründungsmitglieder von Was mit Herz e.V., der sich von Beginn an mit Haut und Haaren in das Projekt hineingestürzt hat.

Dieser Verein ist ein aus einem Nachbarschaftskollektiv entwachsenes Selbstermächtigungskollektiv. Herzensangelegenheiten stehen dabei im Zentrum der Arbeit. Hier werden die Selbstermächtigung von Menschen unterstützt, Ressourcen gebündelt und ausgetauscht. Der Verein versteht sich als Plattform, Netzwerk, Anstifter und Träger für eine vielfältige, nachhaltige, solidarische und inklusive Nachbarschaft. Und das inzwischen über den eigentlichen Gründungsfreundeskreis, der Straße in der sie leben oder gelebt haben und ihrer Nachbarschaft in der Nordstadt hinaus. Was mit Herz e.V. kann man inzwischen in verschiedenen Stadtteilen finden und sie wachsen zur Zeit kontinuierlich weiter.

Im Ihmezentrum haben sie nun einen neuen Ort ihres Schaffens aufgebaut. In einem 90 Quadratmeter Büro, das davor von der Initiative Kultur im Wandel genutzt wurde und nach intensiven Renovierungsarbeiten fertiggestellt wurde, ist ein coworking space und ein Besprechungsraum entstanden. Der kann für Projekte mit dem Themenschwerpunkt Möglichkeitsräume genutzt werden. Jede Idee ist willkommen. Wer ein Projekt oder ein Vorhaben umsetzen möchte, ist herzlich eingeladen, sich mit Was mit Herz e.V. in Verbindung zu setzen und das Kollektiv, ihr Know-how und das Netzwerk für die Umsetzung dieser Idee zu nutzen.

Das nächste Ziel des Vereins ist es, sich jetzt erst einmal den BewohnerInnen des Ihmezentrums vorzustellen und mit ihnen in Kontakt zu treten. Daher startet der Verein jetzt mit einem Bürgerbeteiligungsprozess. Die ersten Kulturschaffenden arbeiten inzwischen im coworking space. Der sehr ruhige Besprechungsraum, der natürlich auch von den BewohnerInnen und BürgerInnen genutzt werden soll, ist zur Zeit noch gar nicht so bekannt. Dieser Raum soll das Projektherz werden. Er ist professionell ausgestattet und für eine Gruppe von bis zu zehn Menschen geeignet. Hier können Gespräche, Verhandlungen geführt und Projekte geplant werden, die das Ihmezentrum betreffen. Da freut sich der Verein schon sehr auf die Ideen und Beteiligungen, die aus dem Komplex an der Ihme heraus entstehen werden. Was mit Herz e.V. sieht sich auch als Schnittstelle zur Zukunftswerkstatt, die ja einen großen Tagungsraum im Ihmezentrum bietet. Das kleinere Angebot soll daher auch für kleinere Gruppen geeignet sein und auf gar keinen Fall als Konkurrenz zu dem schon vorhandenen Raumangebot gesehen werden.

Wenn Sie jetzt neugierig geworden sind, wie man bei Was mit Herz e.V. mitmachen kann, dann besuchen Sie doch einfach mal deren Homepage. Unter www.wasmitherz.de und unter dem Reiter Projekte wird man demnächst ganz einfach sein eigenes Projekt für das Ihmezentrum einreichen können. Eins noch am Rande: wenn man aus den Räumen des Vereins hinausblickt hat man einen tollen Ausblick. Die Ihme liegt dem Büro zu Füßen, die Glocksee im Hintergrund und man kann das bunte Treiben auf der Grünfläche und des Ufers gegenüber des Ihmezentrums beobachten.

Der Verein hat zur Zeit erst einmal einen fünfjährigen Mietvertrag, hofft aber, dass sie darüber hinaus auch länger im Ihmezentrum bleiben können. Dem Verein ist sehr daran gelegen, keinen seiner Orte zu verlassen an denen er sich einmal verstetigt hat. Die meisten Vermieter haben verstanden, dass dieser Verein einen großen Mehrwert für die BewohnerInnen bietet und dem ganzen Gebäude einen Mehrwert gibt. Der Verein und die Orte kann man als ein „Werkzeug für Alle“ beschreiben. Und in genau diesem Punkt sieht Marlo Zirr auch die Stärke des Vereins. Es geht nicht darum einen isolierten Raum für einzelne zu finden, sondern aus den Orten den größtmöglichen Was mit Herz e.V. hat im Ihmezentrum ein 90 Quadratmeter großes Büro bezogen.

Nutzen für alle zu erlangen

Die zwei Räume in der Nordstadt teilt sich der Verein zur Zeit mit über 160 Anbietern. Und das ist sicherlich zukunftsweisend, was shared economy angeht und wieviel man schon mit kleinen Räumen umsetzen kann. Wenn man das jetzt auf den Standort im Ihmezentrum umrechnet, könnten dort bis zu 1600 Anbieter diesen Ort nutzen und sich verwirklichen. „Ja, und da geht uns halt das Herz auf. Und wenn wir dieses Potential sehen, dann kribbelt es mir und einigen anderen aus dem Team auf jeden Fall in den Fingern.“

Woher kommt nun aber eigentlich der Name des Vereins? Was mit Herz?

Alina Zimmermann hatte diesen tollen Namen erdacht und die Gründungsmitglieder haben gar nicht lange darüber diskutiert. Der Name ist Programm für das, was der Verein tut. Marlo Zirr beschreibt ihr gemeinsames Handeln so: „Wir tun Dinge, mit vollster Überzeugung und mit vollstem Bewusstsein für die Konsequenzen. Die Quintessenz: Was ist ok? Was ist nicht ok? Was ist Ausbeutung und was ist keine Ausbeutung? Und das ist eigentlich die einzige Regel. Von 1.000 Anfragen für Veranstaltungen haben wir eine mal abgelehnt. Aber 999 Veranstaltungen waren im Sinne von Was mit Herz e.V. Das ist das einzige Kriterium. Es muss gut sein und anderen Leuten wohl tun.“

Finanziert wird dieser Verein zu 83 Prozent von Fördermitgliedern, aber auch durch Vermietungen für Menschen, die gern regelmäßig in einem coworking space arbeiten wollen. Und durch diesen Support ist es möglich, dass der Raum auch an Gruppen und Menschen kostenfrei für Projekte gegeben werden kann, die wiederum ganz im Sinne von Was mit Herz e.V. der Gesellschaft zu Gute kommen. „Außerdem wurden 2019 3.200 Stunden an Selbsthilfegruppen und Projekten geleistet und wir können trotz Corona durch die Fördermitglieder aktiv weiterarbeiten und müssen nicht um unsere Existenz bangen. Zurzeit kann der Verein durch Support und einen kostenfreien Online-Workshop zur Erstellung von Webinaren viele Menschen selbst ermächtigen.“

Alle Beiträge aus der Reihe „Leben im Ihmezentrum“:

Teil 1 / Teil 2 / Teil 3 / Teil 4 / Teil 5 / Teil 6

Lindenspiegel 06-2020 – Ilka Theurich