Im August 2021 hatte uns ein Leser auf den desolaten Zustand der Kanalbrücke der Wunstorfer Straße über den Stichkanal Linden aufmerksam gemacht. Das als Bestandteil der Bundesstraße 441 stark frequentierte Bauwerk zeigt an der Unterseite deutliche Rostschäden und Beton-Abplatzungen. Auf Anfrage von Punkt-Linden teilte seinerzeit das für die 1912 gebauten Brücke verantwortliche Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Mittellandkanal / Elbe-Seitenkanal mit, man sehe „keine akute Versagensgefahr“. Die aktuelle Schadensentwicklung würde von Brückeningenieuren regelmäßig normgerecht untersucht und bewertet.
Doch ein bisschen Versagensgefahr?
Anfang November 2021 sperrte man dann überraschend den nördlichen der beiden Fußwege der Brücke und sicherte die Verkehrsfläche mit einem Bauzaun gegen Betreten. Eine durchhängende, eiserne Rohrleitung, deren Halterungen nachgegeben hatten, wurde kurzerhand provisorisch mit einem Spanngurt angebunden.
Verkehrssituation problematisch
Inzwischen dauert die Teilsperrung schon über ein Jahr an, ohne dass sich hier etwas tut und zunehmend werden verärgerte Stimmen aus der Bevölkerung laut. Insbesondere für Radfahrende ist die Sperrung nicht nur hinderlich, sondern auch gefährlich. Bisher konnten sie in Richtung Ahlem die Brücke auf dem Fußweg passieren. Nun müssen sie sich dazu direkt vor der Brücke über einen provisorisch abgesenkten Bordstein in den fließenden Verkehr auf der Fahrbahn einordnen. Dort werden sie vom Autoverkehr teils mit viel zu geringen Abstand überholt. Eigentlich ist das hier nicht erlaubt, die Fahrbahn ist mit einer durchgezogenen Mittellinie gekennzeichnet. An die zum Schutz von Radfahrenden hier vorgeschriebene 30 km/h Geschwindigkeitsbegrenzung hält sich kaum ein Autofahrer.
Diese Situation wird sich voraussichtlich noch verschärfen. In Kürze werden die Bauarbeiten zur Verlegung neuer Fernwärmeleitungen im Limmer Teil der Wunstorfer Straße abgeschlossen. Die Sperrung für KFZ-Verkehr in Richtung stadteinwärts wird dann aufgehoben. Aktuell wird die Brücke fast ausschließlich von stadtauswärts fahrenden Autos genutzt. Künftig wird hier aber wieder mehr Gegenverkehr rollen. Es besteht die Gefahr, dass Autos beim Überholen von Fahrrädern in den Gegenverkehr geraten.
Thema im Bezirksrat
Im Bezirksrat war die Sperrung am 16.11.2022 Gegenstand der Beratung. Bezirksratsherr Michael Klenke (CDU) initiierte eine Anfrage an die Stadtverwaltung, wann die Sperrung wieder aufgehoben würde. Erwartungsgemäß teilte der Fachbereich Tiefbau mit, mangels Zuständigkeit dazu keine Aussage treffen zu können und verwies allgemein an die obere Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes.
Sanierung in Sicht
Bereits Anfang Oktober hat Punkt-Linden beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt um ein Update zur Planung gebeten, jedoch keine Antwort erhalten. Nun stellte die Behörde laut eines Presseberichts die Instandsetzung der Brücke bis Ende März 2023 in Aussicht. Hierzu befände man sich derzeit in der Planungs- und Vergabephase. In der Antwort auf die ursprüngliche Anfrage von Punkt-Linden sah man übrigens einen kompletten Neubau des Bauwerks vor, eine Sanierung wäre zu unwirtschaftlich.
Die Kanalbrücke und die Wasserstadt
Stadtbaurat Thomas Vielhaber und der Leiter des Fachbereichs Planen und Stadtentwicklung, Thorsten Warnecke, stellten am 16.11.2022 bei einer Präsentation für Medienvertreter unter anderem das geplante Verkehrskonzept für die Wasserstadt vor. Diese Planung sieht vor, entlang des Stichkanals auf dessen Ostseite Rad- und Fußwege anzulegen. Dafür soll der Damm, auf dem die Wunstorfer Straße derzeit verläuft, geöffnet werden. Als Beispiel hierfür nannte man das Brückenbauwerk des Bremer Damms in Höhe des Zentrums für Hochschulsport. Auch ist eine Stadtbahnstation an der Kanalbrücke vorgesehen. Insgesamt sieht das Konzept erhebliche Eingriffe in das Landschaftsbild zwischen Lindener Hafenschleuse und den früheren Continental-Gebäuden vor. Dass die alte markante Stahlbrücke über den Kanal dabei erhalten bliebe, ist mehr als unwahrscheinlich.