Die Fannystraße ist eine der legendären, historischen Straßen Lindens. Noch vor der offiziellen städtebaulichen Sanierung in den 60er- und 70er-Jahren wurde diese abgerissen. Viele meinten damals „zu Recht“, weil die hundert Jahre alten Häuser völlig heruntergekommen waren.
Die Fannystraße bestand aus mehreren unterschiedlichen Siedlungen. Da war zum einen die erste Wohnstraße in Linden-Nord, die 1854 vom Großindustriellen Adolph Meyer für Werkswohnungen seiner Mechanische Weberei (heute Ihme-Zentrum) angelegt und nach seiner Ehefrau Fanny benannt wurde. Dazu kam dann 1872 eine neue Siedlung an der Straßenseite zur Mathildenstraße: die „Arbeiterkolonie“ der Hannoverschen Baumwollspinnerei, die noch durch die Pavillonstraße in einen „Oberhof“ und „Unterhof“ unterteilt war. Die Bebauung bestand aus zweigeschossigen Kleinstreihenhäusern (35 qm Wohnfläche). Typisch war in dieser Zeit das Mittelflurhaus, entweder mit Eingang zur Straße (Wohnfläche pro Geschoss ca. 80-90 qm) oder an der Seite (dann Doppelhaus, ca. 40-50 qm pro Etage).
In den kleinen Wohnungen der früheren Lindener Fannystraße lebten immer arme Leute. Sie wurden oft sogar vom Rest Lindens ausgegrenzt, entwickelten aber vielleicht gerade deshalb nach und nach eine eigene Kultur des Zusammenlebens. Dazu gehörten auch die Fannystraßen-Schützenfeste für die kleinen Butjer. Ein großer Festumzug durch Linden läutete traditionell die Kinderfeste ein, die Innenhöfe waren festlich durch die Anwohner geschmückt, Kuchentafeln und Spiele dauerten bis in den Abend. 1965 wurden die Feste eingestellt. In den 70er-Jahren wurde dieses vom Freizeitheim Linden als Butjerfest bis in die 90er-Jahre als zentrales Lindener Stadtteilfest veranstaltet.
Die Häuser der Fannystraße wurden Ende der 1960er-Jahre von einer großen Versicherung aufgekauft, gegen den Willen und z.T. Widerstand der Bewohner leer geräumt – die Bewohner wurden in die neuen Hochhausgebiete in Garbsen-Havelse umgesiedelt – und dann abgerissen. Die Straße ist damit völlig verschwunden. Hier stehen heute die sogenannten „Toblerone-Häuser“, die Hochhäuser an der Limmerstraße im Lindenkarree zwischen Fortunastraße und Mathildenstraße. Die ursprüngliche Stadtplanung sah vor, die Häuser der nebenliegende Viktoriastraße ebenfalls abzureißen. Dieses konnte jedoch durch die Bürgerinitiative „Rettet die Viktoriastraße“ verhindert werden.
Film: Kennen Sie die Fannystraße?
Auf Spurensuche im Sanierungsgebiet Linden-Nord 1977
Auf der Suche nach Zeitzeugen der Arbeiterkultur und der legendären Fannystraßen-Kinderfeste. Diese entstanden zwischen den Weltkriegen und sind seit 1949 bis zum Abriss der Fannystraße im Jahr 1968 neu belebt worden. Das Freizeitheim Linden griff diese Tradition mit Unterstützung der ehemaligen Bewohner Annie und Fritz Röttger Ende der 1970er-Jahre mit dem Butjerfest auf.
Das Video lebt von der Oral-History des Zeitzeugen Fritz Röttger, der sich lebhaft an die Aktivitäten seiner Kindheit erinnert: „Das Wichtigste war, dass das eine organisierte Gemeinschaft war und es nicht nur nach dem Lust- und Laune-Prinzip ging“.
Erhältlich über die Medienwerstatt Linden e.V.