Westschnellweg: Großer Bahnhof für Empfehlungen des Bürgerrats

Im Beisein von Niedersachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister Grant Hendrik Tonne, dem Regionspräsidenten, Steffen Krach, dem Oberbürgermeister von Hannover, Belit Onay, sowie dem Präsidenten der Niedersächsischen Landesstraßenbaubehörde (NLStBV), Timo Quander, überreichen Jessica Stössel und Rico Towe unter großem Medieninteresse stellvertretend für den Bürgerrat an diesem Dienstagmittag Empfehlungen zur Sanierung des Westschnellwegs.

Bei der Ausbauplanung wird Partizipation großgeschrieben

Sieben Grundsätze und 31 Empfehlungen hat der 35-köpfige Bürgerrat in seinen drei Sitzungen seit Jahresbeginn 2025 zusammengetragen. „Das hat Spaß gemacht“, sagte dazu Jessica Stössel. Der erste Grundsatz lautet: „Für die Zukunft des Westschnellwegs ist es uns wichtig, dass die Klimaziele, die Anpassung an den Klimawandel sowie der Umwelt- und Naturschutz nicht beeinträchtigt werden dürfen“. Es solle keinen zusätzlichen Flächenverbrauch für den motorisierten Individualverkehr geben. Dieser sei zu „reduzieren und das ÖPNV-, Fuß- und Radverkehrsnetz attraktiver zu gestalten.“

Die Empfehlungen des Bürgerrats

Der Bürgerrat empfiehlt eine ganzheitliche Modernisierung des Westschnellwegs, die Klimaschutz und Naturschutz in den Mittelpunkt stellt, zusätzlichen Flächenverbrauch unterbindet und den motorisierten Individualverkehr zugunsten eines attraktiveren ÖPNV-, Rad- und Fußverkehrsnetzes reduziert. Er fordert intelligente Verkehrssteuerung und klare Geschwindigkeitsbegrenzungen, maßgeschneiderte Lärmschutz-, Wasser- und Grünkonzepte sowie die Erhaltung und Verbesserung von Kaltluftschneisen und Querungsmöglichkeiten für alle Verkehrsteilnehmenden. Überdies sollen Planung und Bau in engem Schulterschluss von Bund, Land, Region und Stadt erfolgen, in kleinere Abschnitte mit jeweils passgenauen Lösungen untergliedert und während des gesamten Prozesses offen und kontinuierlich mit Anwohnenden und dem Bürgerrat kommuniziert werden.
Link: Alle Empfehlungen zum Download

„Die Arbeit hat sich gelohnt“, meinte dazu Steffen Krach. Jetzt gelte es darum, möglichst viel davon auch umzusetzen. Ähnlich äußerte sich Belit Onay: „Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass sich Menschen so einbringen!“ Bürger*innenbeteiligung sei für ihn „immer wieder gut.“ Landesminister Grant Hendrik Tonne ergänzte: „Die Mitglieder des Bürgerrates haben ihre Lebensrealität, ihr Wissen und ihre Belange direkt und engagiert in das Vorhaben eingebracht. Das wird die Planung und das gesamte Projekt verbessern. Die Planungen stehen noch ganz am Anfang – es gibt keine Vorfestlegungen.“

Tigris
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Wilhelm-Bluhm-Straße 40
30451 Hannover
Linden-Nord

Nach den schlechten Erfahrungen mit Polizeieinsätzen gegen Protestcamps von „Leinemasch bleibt“ und Klimaschützern beim Südschnellweg haben die Verantwortlichen für die Planung des Westschnellwegs zwischen Linden und Herrenhausen auf Partizipation gesetzt. Eine intensive Beteiligung hatte bereits der heutige Ministerpräsident Olaf Lies – damals Verkehrsminister – am 18. Oktober 2023 auf einer Auftaktveranstaltung im Gymnasium Limmer den Bürger*innen versprochen. Abzuwarten bleibt, ob die dafür geschaffenen Formate konkreten Einfluss auf die Ausbauplanung der B 6 nehmen können oder es im Bürgerdialog bei einer symbolischen Gratifikation bleibt.

„Die Arbeit des Bürgerrats ist Teil eines umfassenden Beteiligungsprozesses, der von der NLStBV gemeinsam mit dem Niedersächsischen Verkehrsministerium initiiert wurde“, heißt es dazu in einer heutigen Pressemitteilung des Ministeriums: „Dabei erarbeitet der Bürgerrat übergeordnete Empfehlungen. Das zweite Gremium, das Dialogforum, setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern aus Verbänden, Anwohnenden, Initiativen, Gewerbe, Vereinen und Politik zusammen. Das Dialogforum befasst sich mit konkreten Fragen der Planung und kann Hinweise für die Planung geben. Es bindet die Interessengruppen über mehrere Jahre hinweg in die Planung ein.“

Statements zu den Empfehlungen erfolgten umgehend

„Die Grundsätze und Empfehlungen des Bürger*innenrates zeigen das große Bewusstsein für Klima- und Naturschutz sowie den Bedarf nach einer entschlossenen Mobilitätswende. Diese Ergebnisse müssen nun ernst genommen und umgesetzt werden.“ so Marit Kukat für die Initiative WESTprotest: „Dazu gehören vor allem die Beachtung der Klimaziele, die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs, die Förderung des ÖPNV-, Fuß- und Radverkehrs sowie eine ressourcenschonende Planung unter größtmöglicher Beteiligung der Betroffenen.“ WESTprotest fordert Politik und Verwaltung auf, zu erläutern, wie die Ergebnisse des von ihnen eingesetzten Bürger*innenrats nun verbindlich in den Rahmenbedingungen der Modernisierung des Westschnellwegs berücksichtigt werden.

Eine weitere Stellungnahme kam schon Dienstagmittag von Swantje Michaelsen, Grüne Bundestagsabgeordnete für Linden/Limmer: „Die Ergebnisse des Bürger*innenrats zeigen eindrücklich, dass die Menschen in Hannover die Verkehrswende nicht nur als abstraktes Versprechen verstehen, sondern konkrete Umsetzungen erwarten. Klima- und Umweltschutz stehen dabei an erster Stelle.“

WESTprotest bleibt kritisch – Tunnelpläne fragwürdig

„Mitglieder des Dialogforums hatten darum gebeten, vorab über die Empfehlungen des Bürgerrats informiert zu werden, um darauf reagieren zu können. Das wurde abgelehnt“, so Marit Kukat weiter. Ebenso sei die letzte Sitzung des Dialogforums am 23. Juni kurzfristig abgesagt worden. „Statt Kommunikation & Information gibt es Presseberichte und eine krude Online-Umfrage der Hannoverschen Allgemeinen (HAZ) zur Tunnellösung.“

Haben die Kolleg*innen der HAZ mit den groß aufgemachten Artikeln zur angeblichen Tunnelplanung das Sommerloch der Zeitung gefüllt? Eine Stellungnahme der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLSTBV) legt das nahe. „Offen gesprochen habe ich keine Ahnung, wie diese Berichterstattung zustande gekommen ist“, antwortet NLStBV-Pressesprecher Andreas Moseke auf Anfrage von Punkt-Linden. „Nach wie vor gilt das, was wir schon von Beginn des Dialogprozesses an sagen. Es gibt nicht viel mehr als grobe Überlegungen. Von einer Planung kann keine Rede sein.“

Bildnachweis: Wolfgang Becker

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