Theater im Zug – Das letzte Kleinod spielt am Güterbahnhof Linden

Theater kennt viele Bühnen – klassisches Schauspielhaus, Freiluftbühnen im Großen Garten oder sogar im Schwimmbecken im Freibad. Doch, ein Theaterstück in einem Zug? Das klingt ungewöhnlich – und ist genau das, was das freie Theaterensemble „Das letzte Kleinod“ ausmacht. Seit 1991 bespielt die Gruppe einen umgebauten Eisenbahnzug als mobile Bühne und bringt dokumentarisches Theater an historische und außergewöhnliche Orte. Aktuell ist das Ensemble mit seinem neuen Stück „Reibholz“ in Hannover am Güterbahnhof Linden zu Gast.

Eigentlich hätte das Stück über das Leben und Arbeiten in der Binnenschifffahrt am besten in den Lindener Hafen gepasst – so sah es auch das Ensemble selbst. Doch die Leitung der Städtischen Häfen Hannover verweigerte die Zustimmung. Kurzerhand wich „Das letzte Kleinod“ auf ein Abstellgleis am Güterbahnhof Linden aus – ein symbolträchtiger Ort, der den industriellen Charakter des Stücks dennoch aufgreift.

„Reibholz“ ist ein dokumentarisches Theaterstück, das sich intensiv mit dem Alltag von Binnenschiffern auseinandersetzt. Die Idee dazu entstand bei einem früheren Projekt, als Ensemblemitglieder in den Dialog mit Schiffern traten und deren persönliche Geschichten aufnahmen. In „Reibholz“ geht es um harte Arbeitsbedingungen an Bord, das enge Familienleben auf engstem Raum, wirtschaftliche Unsicherheiten und die Herausforderungen der modernen Logistik – von Staus vor Schleusen bis zur Wartung maroder Infrastruktur.

Die Aufführung selbst ist ebenso ungewöhnlich wie die Bühne: Die Zuschauer werden in Gruppen aufgeteilt und erleben in vier verschiedenen Waggons vier unterschiedliche Geschichten über Transporte von Zellulose, Getreide, Bier und Kohle. Jeder Waggon ist detailreich gestaltet und vermittelt eine eigene Atmosphäre – realistisch, intensiv und mit großer Nähe zu den Darstellern.

Regisseur und Autor Jens-Erwin Siemssen stammt aus Schiffdorf-Geestenseth im Landkreis Cuxhaven und hat mit „Das letzte Kleinod“ eine feste Größe im deutschen Dokumentartheater geschaffen. Das Ensemble tritt überwiegend im norddeutschen Raum auf, ist aber auch bundesweit unterwegs. Gespielt wird immer an authentischen, oft historischen Schauplätzen – ob Werften, Bunker oder verlassene Bahnhöfe. Der Eisenbahnzug, in dem gespielt wird, wurde vor rund 13 Jahren aufwendig saniert und dient nicht nur als Bühne, sondern auch als Unterkunft für das Ensemble auf Tour.

Mit dem Stück „Reibholz“ verfolgt das Ensemble erneut sein Ziel, gesellschaftlich relevante Themen aus dem Schatten ins Licht zu rücken. Es sensibilisiert das Publikum für ein Leben und eine Branche, die häufig übersehen werden – obwohl sie unverzichtbar für Wirtschaft und Infrastruktur sind.

Das Eisenbahntheater gastiert noch bis zum 29. Mai 2025 in Hannover, Linden-Süd (Fischerhof 17), bevor es weiterzieht nach Braunschweig, Haldensleben, Magdeburg, Dessau-Roßlau und Halle.

Webseite: https://www.das-letzte-kleinod.de/