Halim Dener – Gefoltert. Geflüchtet. Verboten. Erschossen.

Fünf Jahre Kampagne für ein Gedenken an den von einem SEK Polizisten erschossen 16-jährigen Kurden

Hanna Legatis auf Halim-Dener-Platz
Ehemalige NDR-Redakteurin Hanna Legatis moderiert auf „Halim-Dener-Platz“

Für den 24. Juli 2020 hatte die „Kampagne Halim Dener“ zur Buchvorstellung auf den Halim-Dener-Platz in Linden eingeladen. Durch die Veranstaltung führte die frühere NDR-Redakteurin Hanna Legatis. In einer von Text- und Musikbeiträgen begleiteten 90-minütigen Open-Air-Veranstaltung vor gut 130 Teilnehmern wurden die historischen Ereignisse in faktischer, juristischer und politischer Sichtweise dargestellt.

Kritik gab es vor allem an der deutschen Türkei-Politik in den 90er-Jahren sowie der aktuellen, von faschistoiden Elementen geprägten innenpolitischen Situation in der Türkei, in der Andersdenkende als „Terroristen“ verfolgt und Kurden als Ethnie unterdrückt bzw. gleichgeschaltet werden.

Bezirksratsherr Dave Müller berichtete von dem vor knapp zwei Jahren von Grünen und Linken initiierten Versuch, den Platz an der Velvetstraße „Halim Dener Platz“ zu benennen. Dieser Beschluss wurde vom damaligen SPD-OB Schostok mit der Begründung unterbunden, dass es Konflikte zwischen nationalistischen Türken und Kurden in der Stadtgesellschaft geben könnte. Jetzt wurde die Frage in den öffentlichen Raum gestellt, wie ein nunmehr grüner, türkischstämmiger OB Belit Onay sich zu diesem Thema verhalten wird.

Da die Stadt Hannover sich in den vergangenen mehr als zwei Jahrzehnten wenig bis gar nicht kooperativ bezüglich einer Erinnerungsstätte für Halim Dener gezeigt hat, hat die Kampagne Halim Dener mit der Erstellung des Buches vorläufig ihre Aktivitäten eingestellt; was aber eine Rückkehr bei veränderter politischer Situation nicht ausschließt.

Vom Vertreter der demokratischen Kurdenvereinigung wurde 26 Jahre nach dem Tod Halim Deners als wichtigstes politisches Ziel für die heutige Jugend eine ausgewogene Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit als Alternative zu den demagogischen Darstellungen der faschistischen Türkei benannt.

Das Buch handelt von einem 16-jährigen Jugendlichen, der 1994 aufgrund von Kolonisation und Verfolgung gegen die kurdische Bevölkerung aus Nord-Kurdistan nach Deutschland fliehen musste. Er floh an einen Ort, an dem er noch im selben Jahr durch eine Kugel eines SEK-Beamten getötet wurde. Das Buch dokumentiert die Geschehnisse und politischen Aktivitäten seit jener Zeit. Damit wird zum einen ein würdevolles Gedenken an Halim geschaffen und zum anderen ein Beitrag zur Bedeutung von Erinnerungskultur, Protest und Widerstand geleistet. Die Beiträge widmen sich sowohl dem Tod Halim Deners 1994 und den darauffolgenden Reaktionen, als auch einer Reflexion der politischen Arbeit der „Kampagne Halim Dener“.

Die Dokumentation der Geschehnisse und die Aufarbeitung der politischen Aktivitäten seit jener Zeit sollen zum einen zum Gedenken an Halim beitragen und zum anderen die Bedeutung von Erinnerungskultur, Protest und Widerstand hervorheben.

Der erste Teil beschreibt die Geschichte des kurdischen Jugendlichen und seines Todes im Kontext der damaligen politischen Verhältnisse in Kurdistan und Halims Flucht vor politischer Verfolgung, die Reaktionen auf seinen Tod sowie das Prozessgeschehen um den SEK-Polizeibeamten, der Halim Dener 1994 erschossen hat. Neben dem Bericht einer Prozessbeobachterin beschreibt Rechtsanwalt Rolf Gössner seine Erfahrungen und Eindrücke aus diesem „denkwürdigen Strafprozess“, in dem der Beamte freigesprochen wurde.

Der zweite Teil des Buches befasst sich mit den Aktivitäten und Erfahrungen der Kampagne Halim Dener in den Auseinandersetzungen mit der Stadt Hannover um ein würdevolles Gedenken an Halim Dener, den auch auf juristischem Wege ausgefochtenen Streit um die Benennung eines Platzes in Hannover-Linden nach Halim Dener, den mannigfaltigen Versuchen, die Kampagne zu kriminalisieren sowie dem Verhältnis zwischen der kurdischen Bewegung und der Linken.

Halim Dener – Gefoltert. Geflüchtet. Verboten. Erschossen. Hrsg. von der Kampagne Halim Dener; erschienen im Verlag Gegen den Strom, München, Juni 2020, ISBN 3-9809970-0-6, Broschur, 200 × 200 mm, 226 Seiten, 10,-€
Das Buch ist auch im Lindener Annabee-Buchladen in der Stephanusstraße, im Infoladen des UJZ Kornstraße, bei NAV-DEM Hannover sowie bundesweit in weiteren kurdischen und linken Buch-/ und Infoläden und über den Literaturvertrieb der Roten Hilfe e.V. für 10 Euro zu erhalten. In Gedenken an alle Menschen, die Schutz vor Krieg und Gewalt gesucht haben und Opfer von Fremdenhass und staatlicher Gewalt geworden sind.

Bildnachweis: Lindenspiegel