Ihmezentrum: Hannoversche Lösung oder fliegende Teppiche?

Ihmezentrum
Wird das Betonfundament nicht bald saniert, verwandeln sich die oberen Stockwerke des Ihmezentrums in fliegende Teppiche.

WEG Versammlung des Ihmezentrums nach Kündigung der Stadt

Die Wohnungseigentümerversammlung des Ihmezentrums am 23. März 2023 im benachbarten Capitol versprach Brisanz: Die Stadt hatte tags zuvor von ihrem mehrfach angekündigten Sonderkündigungsrecht für die großflächige Anmietung von Büroflächen Gebrauch gemacht. Die Begründung: Großeigentümer Windhorst hat seit 2019 weder die angekündigten Investitionen getätigt, noch die vertraglich vereinbarten Sanierungs- oder Vermietungsfortschritte erzielt. Statt der vollmundig angekündigten Investitionen im dreistelligen Millionenbereich kleckern seit Jahren nur Kleinbeträge von Windhorsts Gesellschaft PIZ (Projekt Ihme-Zentrum Hannover) bei der Hausverwaltung des Ihmezentrums ein.

Die begonnene Betonsanierung im Sockel stockt, weil Windhorst seine Anteile schuldig bleibt. Weiterhin muss die Hausverwaltung seit mehreren Monaten die Hausgeldzahlungen der PIZ mit gerichtlichen Zwangsmaßnahmen eintreiben. Inzwischen beläuft sich der aktuelle Rückstand der PIZ auf über 8,0 Millionen Euro. Vor diesem Hintergrund mutet der Gewinn eines Lotto-Jackpots am nächsten Wochenende als wahrscheinlicher an, als dass die PIZ ausgerechnet diesmal ihre nun zum x-ten Mal angekündigte Millioneninvestition wahr macht.

Ganz verabschieden wollten sich die Optimisten in der Eigentümerversammlung von der Hoffnung auf den Lotto-Gewinn jedoch diesmal noch nicht: Der Antrag auf Zwangsversteigerung der PIZ wurde mit einer knappen Mehrheit der Stimmberechtigten abgelehnt. Die Diskussion über die weitere Entwicklung wurde auf die nächste Eigentümerversammlung am Donnerstag, 29. Juni verschoben.

Dabei wird die Situation für die PIZ immer bedrohlicher: Derzeit ziehen die letzten Mitarbeitenden der Stadtverwaltung aus. Im Mai folgen die Mitarbeitenden von enercity. Dann stehen für die PIZ nur noch minimale Mieteinnahmen den beachtlichen Hausgeldzahlungen von ca. 400.000 Euro im Monat gegenüber. Außerdem hat sie eine Sanierungsverpflichtung von 50 Millionen für den Sockel und hohe grundbuchliche Belastungen zu tragen.

Neue Mietverträge sind nicht zu erwarten. Das vorliegende Konzept der PIZ für den Sockel setzt auf Einzelhandel. Das ist aufgrund deutlich gestiegener Zinsen und der katastrophalen Situation bei der Nachfrage von Einzelhandelsflächen allerdings vollkommen unrealistisch. Ähnlich unrealistisch sind die Redebeiträge einiger Wohnungseigentümer in der WEG-Versammlung. Sie glauben, die Probleme des Ihmezentrums ohne die Unterstützung aus der Stadtgesellschaft allein lösen zu können. Doch ohne Betonsanierung des Sockels und neue, seriöse Investoren, die die Bausubstanz der Gewerbeflächen unterhalten, müssten sich ihre Wohnungen in den oberen Etagen rein bauphysikalisch gesehen demnächst in fliegende Teppiche verwandeln.

Hans Mönninghoff – der ehemalige Wirtschafts- und Umweltdezernent der Stadt, stellte der Versammlung das unter www.ihmezentrum.info/denkschrift veröffentlichte Konzept einer Gruppe von Planenden (der LINDENSPIEGEL berichtete in der Februarausgabe) um die Zukunftswerkstatt Ihmezentrum vor. „Wenn die politischen und gesellschaftlichen Kräfte in Hannover an einem Strang ziehen, gibt es eine realistische Chance für eine Hannover-Lösung, um das Ihmezentrum zu revitalisieren“, so Mönninghoff. Das Konzept sieht die Übernahme der PIZ-Anteile durch einen öffentlich kontrollieren Sanierungsträger oder Sanierungstreuhänder vor. Der verschafft sich mit einer „vorbereitenden Untersuchung“ einen Überblick über die wirtschaftliche Situation. Er entwickelt unter Beteiligung von Bewohnenden und EigentümernInnen sowie NachbarInnen aus den Stadtteilen Linden und Calenberger Neustadt ein städtebauliches Konzept für die Sanierung und Integration des Ihmezentrums in die Nachbarstadtteile. Er wirbt auf dieser Grundlage Bundes- und Landesmittel für unrentierliche Kosten ein. Die Gewerbeflächen werden durch öffentlich gewidmete Wege neu unterteilt und einzelne Teilflächen an hannoversche Investoren weiter verkauft. Diese entwickeln ihre Teilflächen mit unterschiedlichen Schwerpunkten: ca. 300 zusätzliche Wohnungen durch Umwandlung von derzeitigen Büroflächen, ein Mobilitäts- Hub und eine Gewerbeflächen als „produktive Stadt“.

Das Echo der Eigentümerversammlung auf diese Vorschläge war ganz überwiegend positiv. Viele EigentümerInnen unterschrieben spontan die unter https://www.openpetition.de/!sgsbs veröffentlichte Petition zur Revitalisierung des Gebäudekomplexes. Diese wurde bereits von über 700 Personen unterschrieben und kann gerne zusätzlich von Lesenden des LINDENSPIEGELS unterstützt werden.

Lindenspiegel 04-2023 – gr

Bildnachweis: Lindenspiegel - Foto: Barkhoff