Anwaltsplaner der Wasserstadt Limmer Sid Auffarth steigt aus

Anwaltsplaner Sid Auffarth vor dem umstrittenen Spengler-Plan
Sid Auffarth vor dem umstrittenen Spengler-Plan

„Nun ist das Maß voll“ schreibt der Architekt und Bauhistoriker Sid Auffarth und kündigt sein Engagement für die Wasserstadt Limmer auf. 19 Jahre lang war der heute 85-jährige als Anwaltsplaner für Stadtteilinitiativen in Limmer tätig. Jetzt reicht es ihm. In seinem Fazit erhebt er schwere Vorwürfe gegen die städtischen Planer: „Die Verwaltung bestimmt allein die Ziele, die Regeln und den Weg der Durchführung, um danach die Öffentlichkeit zu informieren. Die Bürgerbeteiligung ist am Ende. Anwaltsplanung ist darin nur ein Schnörkel.“ so Auffarth.

Die „Wasserstadt Limmer“ geht baden – oder Ärger mit der Bürgerbeteiligung

Ich begleite die Planungen auf dem Gelände der ehemaligen Conti-Werke Limmer von Anfang an. Seit 2003 berate ich den Stadtteil-Arbeitskreis Limmer und ab 2015 auch die BI Wasserstadt Limmer. Offiziell arbeite ich seit 19 Jahren als Bürgeranwalt/Anwaltsplaner in Limmer. Im Laufe der Zeit hakte der Dialog immer mal wieder und stolperte so vor sich hin, aber nun ist das Maß voll. Die Verwaltung bestimmt allein die Ziele, die Regeln und den Weg der Durchführung, um danach die Öffentlichkeit zu informieren.

  1. Die Bürgerbeteiligung ist am Ende. Einst galt Hannover als heimliche Hauptstadt der Bürgerbeteiligung, nachdem sie bei den frühen Stadtteilsanierungen neue Formen, Verfahren und Methoden erprobt hatte. Bei der Beteiligung im Verfahren zum zweiten Bauabschnitt der Wasserstadt Limmer wurden die BürgerInnen nur mit Inszenierungen in sogenannten Plangesprächen und mit wortreichen Präsentationen auf öffentlichen Veranstaltungen konfrontiert, wo abgefragt wurde, statt auf Augenhöhe zu kooperieren. So wie es durchaus erfolgreich in den Runden-Tisch-Gesprächen zum ersten Bauabschnitt passiert ist. Zurzeit verfolgt die Verwaltung hart ihre Ziele, und gibt sich nur weich im Nebensächlichen. So gewinnt man kein Vertrauen und erreicht auch keine Akzeptanz für Inhalte. Anwaltsplanung ist darin nur ein Schnörkel. Es wird Zeit, die Bürgerbeteiligung in Hannover neu zu denken!
  2. Die bauliche Dichte steigt und steigt. Nach dem Wettbewerb plante die Verwaltung mehr Geschosse, die Häuser werden breiter, und dadurch die Straßen und Höfe enger. Der überzeugende, räumlich differenzierte Städtebaubeitrag wurde gegen jede Vernunft zusammengedrückt, indem die Gebäude zu den Innenhöfen hin von 12,5 m auf 14,0 m verbreitert wurden. Zusätzlich wurden nach einem Prüfauftrag verwaltungsintern höhere Geschosszahlen festgesetzt. Die investoren- und kapitalfreundliche Verdichtung schränkt spürbar die im Wettbewerb belobigte Qualität ein. Zum Vergleich: Die 2022 baurechtlich beschlossene Gartenstadt Hannover Nord verfügt über mehr Fläche, bekommt aber nur ein Drittel so viel Wohnungen – warum?
  3. Entsprechend steigt die Zahl der geplanten Wohneinheiten. Der Rat hatte 2015 die Höchstzahl von 1.600-1.800 Wohnungen für das gesamte Areal beschlossen, heute rechnet die Stadt mit 2.600 Wohnungen, in die hochgerechnet 6.000 BewohnerInnen einziehen werden. Zum Vergleich: Der gesamte Stadtteil Limmer zählt aktuell 6.300 EinwohnerInnen. Was macht das mit einem Stadtteil? Wird die Infrastruktur wie Läden, Dienstleistungen, Kitas auch verdoppelt? Wird der Verkehrsfluss gewährleistet?
  4. Der Verkehr ist nicht zu bändigen. Je mehr BewohnerInnen, desto mehr Verkehr, aber die Stadtbahn kommt erst in dreißig Jahren oder überhaupt nicht mehr, zusätzliche Busse stehen im Stau auf der Wunstorfer Straße und in Linden: Der Pkw-Anteil wird so nicht reduziert. Und für weiterführende, breite Radwege fehlt’s an Geld.
  5. Die Altgebäude am Kanal werden zerstört, weil keiner Verantwortung übernehmen will. Dazu werden Gutachten zur aktuellen Nitrosamin-Belastung unter Verschluss gehalten und die Vorschläge von Meinhof/Felsmann nicht ernsthaft geprüft. Die geplante Wiederherstellung der charakteristischen Industriefassaden am Kanal als Neubau belegt die Fantasielosigkeit der Zuständigen.

Zum Schluss: Das großartige Wettbewerbskonzept wird durch den stadtpolitischen Schlachtruf nach „mehr Wohnungen“ und das Investorengeschrei nach rentierlicher Verdichtung wissentlich zugrunde gerichtet.
Sid Auffarth

Sid Auffarth im Interview

Bildnachweis: Wolfgang Becker