Am Anfang stand eine Haltung: auf der Seite der Schwachen und Benachteiligten zu stehen. Pastor Joachim Günther, den hier alle Jochen nannten, prägte mehr als drei Jahrzehnte lang die evangelische Bethlehemkirche in Linden-Nord und weit darüber hinaus. Nun ist er am 25. April 2025 verstorben.
Jochen Günther, geboren 1941 in Ostbrandenburg, wuchs in Fallingbostel (Lüneburger Heide) auf. Nach dem Theologiestudium in Göttingen, Heidelberg und Berlin sowie einem prägenden Praktikum bei den Pionieren der Gemeinwesenarbeit in einer der Mainzer Trabantenstädte entschied er sich bewusst, nicht den bequemen Weg zu gehen. Am 16. Juli 1971 trat er seinen Dienst als Pastor in Linden-Nord an, damals noch einem Arbeiterstadtteil, der ihm schnell ans Herz wuchs.
Er, den sie bald den „Arbeiterpastor“ oder „roten Jochen“ nannten, veränderte die Kirchenarbeit von Grund auf: Er öffnete die Türen für diejenigen, die die Kirche bislang kaum erreichte. Er integrierte politisch bewusste Arbeiter in den Kirchenvorstand, initiierte 1. Mai-Gottesdienste mit Gewerkschaftsvertreterinnen und -vertretern und kämpfte für eine Kirche, die mitten im Leben der Menschen stand.
Jochen Günther war ein Mann der Tat: Er mietete Räume in der Selmastraße 6 an, schuf dort einen Treffpunkt für Gemeinwesenarbeit, unterstützte die Bürgerinitiative gegen die Kahlschlagsanierung und engagierte sich für die städtebauliche Sanierung in Linden-Nord – immer aufseiten der Bewohnerinnen und Bewohner.
1988 ging er einen für Pastoren ungewöhnlichen Schritt: Er tauschte die Kanzel gegen den Blaumann und arbeitete ein Jahr in einem Metallbetrieb, um das Leben der Arbeiterinnen und Arbeiter besser zu verstehen. Die Erfahrungen dieser Zeit verarbeitete er gemeinsam mit Gerhard Wegner im Buch „Gottes Sache im Betrieb“, in dem die „Theologie auf Augenhöhe“ lebendig wird.
Sein Engagement zeigte sich auch in vielfältigen Projekten: Er gründete die Bethlehem-Kicker, initiierte die Kreativgruppe und Kochgruppe, baute den Jugendtreff „BethlehemKellerTreff (BKT)“ mit eigener Kegelbahn auf, förderte Partnerschaften nach Simbabwe und unterstützte Kinder und Jugendliche mit neuen Angeboten wie dem „Domino“-Projekt.
Für seine konsequente Vertretung von Arbeitnehmerinteressen und seine unermüdliche Gemeinwesenarbeit wurde Jochen Günther bei seinem Abschied mit der Hans-Böckler-Medaille des Deutschen Gewerkschaftsbundes ausgezeichnet – eine seltene und besondere Ehre für einen Pastor.
Auch nach seiner Pensionierung im Jahr 2001 blieb er Linden verbunden, besuchte das Café in der Selmastraße und blieb in engem Kontakt mit vielen Weggefährten. Zuletzt zog er in ein Seniorenwohnstift in Kleefeld in die Nähe seiner Familie, die ihm in seinen letzten Jahren besonders wichtig war.
Jochen Günther war ein Pastor, der nicht in der Kirche auf Menschen wartete, sondern der ihnen auf Augenhöhe begegnete. Er glaubte daran, dass die Liebe Gottes sich konkret im Alltag zeigen müsse – in Solidarität, Respekt und Gemeinschaft.
Wir werden ihn vermissen. Sein Wirken bleibt in Linden lebendig.
Trauerfeier: Freitag, 9. Mai, 14 Uhr in der Bethlehemkirche
Danke Jochen!
Ein tiefer Kniefall vor all Deinem Wirken und dafür, dass Du immer Brücken geschlagen hast, zwischen den Generationen.
Wir werden Dich und das Käsekuchen essen mit Dir vermissen.
Ich ziehe meinen Hut vor Dir und verneige mich.
Chapeau.
Ruhe in Frieden