Wer offenen Auges durch Linden geht, merkt manchmal die kleinen Veränderungen. Erst die Handwerker, dann ein neues Gesicht. Freundliche neue Nachbarn finden schnell Anschluss und geben selbst ihren Teil für ein gutes Miteinander im Stadtteil Linden-Nord. Das macht den Stadtteil so liebens- und lebenswert. Doch leider hören wir immer wieder von Ungereimtheiten beim Wohnungsübergang, der gar nicht so schön war, wie wir es uns eigentlich eingestehen wollen. Nicht immer ist die Wohnung freiwillig frei geworden.
So traf ich Klaus wieder, den ich bereits lange kenne und der mit seinem großen Hund zum Stadtbild dazugehört. Er hat seine Wohnung in der Kochstraße verloren, sie ist ihm wegen Mietschulden weggekündigt worden. Erst waren es 180 Euro Rückstand und schließlich zwei Monatsmieten. Eigentlich kam er mit seinen beiden Vermietern ganz gut klar, gibt aber unumwunden zu, zum Schluss nicht mehr die Kraft für den Ausgleich der Miete gehabt zu haben. Zu sehr hat das Schicksal an ihm gerüttelt. Er erkrankte schwer und musste vorletztes Jahr seinen Job als Altenpfleger aufgeben. Die Nachsicht der Vermieter ließ ausgerechnet jetzt nach. Mahnung, Kündigung, Räumungsklage. Er wurde, statt sich auf seine Krankheit zu konzentrieren, plötzlich mit Rechtsanwaltsschreiben, Gerichten und Vorwürfen konfrontiert. Er kümmere sich nicht um eine neue Wohnung und solle endlich seinen Hausrat auslagern.
Klaus fühlte sich doppelt schuldig, Schuld an dem Mietrückstand, Schuld an seiner beruflichen Situation und irgendwie sogar an seiner Krankheit. Er unternahm mehrere Anläufe, sich aus seiner ausweglosen Situation zu befreien. Er bekam Hilfe von der Arbeits- und Sozialberatungs- Gesellschaft, die aus der Bethlehem-Kirchengemeinde hervorgegangen ist, ging auf Wohnungssuche. Er versuchte in der Ottenstraße eine Altenwohnung zu bekommen. Er sei mit 59 Jahren zu jung dafür. Er bot den Vermietern 2.000 Euro an, die hätte er mit Unterstützung von Freunden zusammenkratzen können. Die Vermieter bestanden auf 2.800 Euro, da sich nun auch Rechtsanwaltskosten angehäuft hatten.
Klaus kapitulierte und wohnt jetzt in seiner Gartenlaube, nun hat er große Sorge, dass er nicht einmal mehr seine Stromrechnung für seinen Radiator bezahlen kann. Er muss ja irgendwie auch noch für sich und seinen Hund etwas zu Essen kaufen. Durch die Chemotherapie ist er immer wieder geschwächt, obwohl er eigentlich ein positiv denkender Mensch ist und seine Freundin Bine ihm hilft. Man muss klar sagen, wer in so einer Situation keine Hilfe hat, dem bleibt nur die Obdachlosigkeit. Als ich Klaus besuchte, um genauer zu erfahren, weshalb es so gekommen ist, spricht er nicht einmal von Existenzangst. Das finde ich ganz schön erstaunlich. Ich finde auch, dass sich niemand erheben sollte, ihm den moralischen Vorwurf der Mietschuld zu machen. Nur wenige können Geld zurücklegen. Klar, er sieht das auch als Fehler, wollte diesen ja auch heilen, war vielleicht auch nicht immer geschickt und schnell genug. Aber kündigt man einem schwerkranken Menschen?
Eine letzte Bemerkung machte mich dann stutzig. Seine Wohnung sei sofort wieder vermietet worden, angeblich zu 11 Euro Kaltmiete den Quadratmeter. Anschließend sei das ganze Haus verkauft worden, zeitgleich mit seinem Auszug. Mir drängt sich dabei der Verdacht auf, dass die Vermieter mit dem Käufer genau diese Kündigung eines aus ihrer Sicht unzuverlässigen Mieters vereinbart hatten. Sobald der Mieter draußen ist, wird der Verkauf abgewickelt. So steht der Käufer gar nicht erst für die Kündigung in der Verantwortung und die Verkäufer haben den Ertragswert des Gebäudes durch den solventeren neuen Mieter gesteigert. Der Verkaufserlös dürfte damit sicherlich mindestens zehnfach höher ausgefallen sein als die angebotenen 2.000 Euro, die Klaus versucht hat zusammenzubringen. Dazu passt die Einschätzung von Klaus, die ehemaligen Vermieter hätten das angebotene Geld wohl gar nicht mehr haben wollen. Dafür spricht auch die schnelle Kündigung drei Tage nach Fälligkeit. Für Klaus allerdings gibt es kein Zurück mehr. Es bleibt ihm nur die Hoffnung auf eine neue Wohnung. Möglichst in Linden- Nord, wo er sein soziales Umfeld hat, möglichst Erdgeschoss oder I. Obergeschoss, denn er kann nicht mehr viel Treppen steigen. Mit Erwerbsminderungsrente, ohne Wohnung, mit Einträgen in der Schufa und mit Hund ist das kein leichtes Unterfangen. Wer etwas weiß, jemanden kennt oder selbst eine Wohnung frei hat oder erst einmal auch nur einen trockenen Raum für die Lagerung des Hausrats, möge sich bitte vertraulich an Marion wenden, von der ich auf das Schicksal von Klaus aufmerksam gemacht wurde. Sie ist persönlich am besten unter 0511-445681 oder auf ihrem Anrufbeantworter zu erreichen. Ich hoffe sehr, dass Klaus seine Gesundheit zurück erhält und seinen Optimismus behält. Ganz herzlichen Dank an Bine und Marion, die Klaus stützen und seine Geschichte weitertragen.
Eine ausführliche Fassung mit einer Einordnung in die Entwicklung Lindens findet sich auf meinem blog linden#hannover unter: blog.gardemin.de