2011 ist für die Stadtbibliotheken in Hannover ein Jahr der Jubiläen. Nachdem die Stadtbibliothek im Freizeitheim Linden Anfang des Jahres ihren 50. Geburtstag feiern konnte, wird die Stadtbibliothek im Rathaus am Lindener Marktplatz Ende Juni 75 Jahre alt. Es folgen zwei weitere Jubiläen: die Schul- und Stadtbibliothek Badenstedt blickt im September auf 20 Jahre, die Stadtbibliothek Döhren im November auf 50 Jahre erfolgreiche Arbeit zurück.
Die Lindener Bibliothek lädt anlässlich des 75-jährigen Jubiläums in der Woche vom 27. Juni bis zum 1. Juli zu einem bunten Veranstaltungsprogramm für Kinder und Erwachsene ein. Die offizielle Feierstunde findet am Mittwoch (29. Juni) um 18 Uhr statt. Der KSD-Chor wird die Veranstaltung musikalisch begleiten. Im Anschluss liest Heiko Postma ab 19 Uhr unter dem Titel „Das Buch hat dich vergiftet!“ und nennt erlesene Beispiele der Bibliothek als Tatort im klassischen Krimi.
Am Montag, 27. Juni, beginnt um 16 Uhr ein besonderes Bilderbuchkino für Kinder ab drei Jahren unter dem Motto „So ein Fest“ und am Donnerstag, 30. Juni, um 16 Uhr ein Mitmachtheater mit dem Titel „Märchenallerlei“ vom Theater Löwenherz. Die Kinderveranstaltungen werden durch die freundliche Unterstützung der Freunde der Stadtbibliothek e.V. ermöglicht.
Erwachsene und Kinder können sich am Montag, 27. Juni, ab 15 Uhr von den Mitarbeitern des Lindener Buchdruckmuseums Einblicke in die „Schwarze Kunst“ geben lassen und von 18 bis 20 Uhr auf Schnäppchensuche beim „Flohmarkt Schnupperabend“ gehen.
„Spaß mit der Wii“ gibt es am Dienstag, 28. Juni, und Freitag, 1. Juli, jeweils von 13 bis 17 Uhr in der Kinderbibliothek. Es können unter Anleitung verschiedene Konsolenspiele ausprobiert werden.
Aktuelle Daten und Fakten
Die zentral gelegene Bibliothek im Rathaus am Lindener Marktplatz verzeichnete 2010 rund 168.000 Entleihungen, 2.850 aktive LeserInnen und zählte knapp 50.000 BesucherInnen. Damit liegt die Bibliothek bei der Nutzungsintensität im städtischen Vergleich der insgesamt 18 Stadtteilbibliotheken an vierter Stelle. Sie wird besonders gut von Kindern im Alter von zehn bis 15 Jahren angenommen. Mehr als 60Prozent der Lindener Kinder in dieser Altersgruppe haben eine für sie kostenlose Lesekarte.
Das aktuelle Medienangebot deckt mit circa 30.000 Einheiten ein breites Spektrum ab: Bücher, Zeitschriften, CDs und DVDs für alle Altersgruppen und zu nahezu allen Themengebieten, außerdem Schülerhilfen, Sprachkurse, Spiele und vieles mehr. Gemäß der multikulturellen Struktur des Stadtteils hat die Stadtbibliothek auch fremdsprachige und zweisprachige Medien im Bestand.
Die Medienauswahl wird auf zwei Etagen mit 384 Quadratmetern Publikumsfläche im historischen Egestorff-Flügel des Lindener Rathauses vorgehalten, in dem die Bibliothek seit 1955 untergebracht ist. Im Erdgeschoss mit seinem Galeriebereich finden sich die Medien für Erwachsene, die Literatur für Jugendliche und Kinder im ersten Obergeschoss des Gebäudes. Dort gibt es auch einen separaten Veranstaltungsraum mit einer Spiel- und Leseecke, der „Insel der Leselust“, in der jeden Montag und Donnerstag um 16 Uhr Bilderbuchkino stattfindet. 1.678 Kinder nahmen 2010 an 97 Terminen teil, die auf Wunsch auch mehrsprachig angeboten werden.
Ein besonderer Schwerpunkt der Bibliotheksarbeit ist die Zusammenarbeit mit den umliegenden Schulen und Kindertagesstätten. Neben einer Medienversorgung mit Handapparaten und Klassensätzen werden – auch außerhalb der Öffnungszeiten – regelmäßig Einführungen in die Bibliotheksnutzung für Schulklassen und Kita-Gruppenangeboten. 2010 fanden 50 Klassenführungen und 102 Bibliotheksbesuche durch Kitas in Linden statt.
Im Rahmen der Erstklässleraktion besucht die Bibliothek zum Schuljahresbeginn alle ersten Schulklassen, übergibt den GrundschülerInnen ein Erstlesebuch und vereinbart einen Bibliotheksbesuch. Ziel ist, allen GrundschülerInnen von Anfang an Spaß am Lesen zu vermitteln.
Auch das Projekt Lesementoring wird in Linden realisiert. Jugendliche MentorInnen der IGS Linden treffen sich ein Schulhalbjahr lang wöchentlich mit SchülerInnen der Grundschule am Lindener Markt, mit der die Bibliothek kooperiert. Die Kleinen lernen dabei von den Jugendlichen Textverständnis und Sprachvermögen. Die Jugendlichen können den Kompetenznachweis Kultur erwerben.
Seit 1996 wird die Ausleihe in der Stadtbibliothek Linden durch ein EDV-gestütztes Verfahren abgewickelt. BibliotheksnutzerInnen können von Zuhause aus den elektronischen Katalog der Stadtbibliothek Hannover einsehen, Leihfristen verlängern und Medien vorbestellen. Wer keinen Internetzugang hat, kann die drei öffentlich zugänglichen Internetarbeitsplätze kostenfrei nutzen.
Die Stadtbibliothek Linden bietet ihren LeserInnen seit gut zwei Jahren auch die Möglichkeit, elektronische Medien über die sogenannte per Download für einen begrenzten Zeitraum auf den heimischen Rechner zu laden. Es handelt sich um eine Auswahl von rund 16.000 E-Books, E-Papers, E-Musik, E-Audios und E-Videos. Besonders beliebt ist dieses moderne Ausleihverfahren für Tageszeitungen und Zeitschriften.
Ausblick
2004 hat der Rat der Landeshauptstadt Hannover die Zusammenlegung der beiden Bibliotheken im Stadtbezirk Linden-Limmer beschlossen, um jährliche Kosten in Höhe von 244.000 Euro einzusparen, die vor allem durch Personalreduzierung erzielt werden. Davon sind die Bibliothek im Freizeitheim Linden und die Stadtbibliothek im Lindener Rathaus betroffen.
Anfang 2009 wurde entschieden, dass der neue Standort der fusionierten Bibliothek im Lindener Rathaus sein wird. Dort soll zusammen mit der Volkshochschule, einem Selbstlernzentrum und dem Bürgeramt ein modernes Bildungszentrum entstehen, das vielseitige kommunale Dienstleistungen unter einem Dach anbietet und für die Lindener Bevölkerung ein integraler Lern- und Informationsstandort sein wird. Zuvor wird das Lindener Rathaus umgebaut und energetisch saniert.
Vorgesehen ist, die neue Bibliothek mit 890 Quadratmetern im Schwalenberger Flügel des Rathauses auf drei Ebenen unterzubringen. Neben einem barrierefreien Zugang, den es derzeit im Lindener Rathaus für die Bibliothek nicht gibt, erhält die Bibliothek auch einen allgemeinen Gruppen- und Veranstaltungsraum und Selbstbedienungsgeräte für die Buchausleihe und -rückgabe. Insgesamt wird sich die räumliche und technische Ausstattung deutlich verbessern und zu einer Steigerung der Aufenthaltsqualität führen.
Mit dem Beginn der Baumaßnahmen ist nach derzeitigem Planungsstand im Frühjahr 2012 zu rechnen. Zunächst wird der Schwalenberger Flügel für die Bibliothek hergerichtet. Bis zu seiner Fertigstellung, die für 2013 vorgesehen ist, wird der Betrieb in der alten Bibliothek im Lindener Rathaus und der Bibliothek im Freizeitheim Linden unverändert fortgeführt.
Geschichtlicher Hintergrund
Am 30. Juni 1936 wurde die heutige Stadtbibliothek Linden als „Weststadtbücherei“ im alten Lindener Rathaus in der Deisterstraße eröffnet. Sie war nach der Oststadt- (1921), Nordstadt- (1927) und Südstadtbücherei (1932) die vierte städtische Volksbücherei in Hannover. Die damalige Bibliotheksentwicklungsplanung, die neben dem 1931 erfolgten Ausbau der Zentrale in der Hildesheimer Straße ein strahlenförmiges Netz von Zweigstellen in den Stadtteilen vorsah, fand mit der Gründung der Lindener Volksbücherei ihren vorläufigen Abschluss.
Die „Weststadtbücherei“ begann ihre Arbeit mit einem Buchbestand von circa 5.000 Bänden. Es gab einen Lesesaal für Kinder mit 100 Plätzen im Erdgeschoss und einen Lesesaal für Erwachsene im Obergeschoss. Die Ausleihe war streng reglementiert und Kinder mussten sich vor dem Betreten des Lesesaals die Hände waschen. Damals war es den LeserInnen nicht möglich, ihre Literatur im Regal selber herauszusuchen. Bücher wurden vom Bibliothekspersonal aus dem dreigeschossigen Magazin geholt und an einem Thekenschalter ausgegeben. Die heute übliche Freihandaufstellung der Literatur in öffentlich zugänglichen Regalen wurde in Linden zuerst 1940 im neu gegründeten Jugendbereich eingeführt, der 1.000 Bände für zehn- bis 16-Jährige umfasste.
Der Buchbestand der „Weststadtbücherei“ war bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges stark vom Nationalsozialismus geprägt. Werke von geächteten Schriftstellern wie Heinrich Mann oder Erich Maria Remarque befanden sich nicht unter den ausleihbaren Bänden, stattdessen gab es eine große Auswahl zu Themengebieten wie „Wehrmacht“ und „HJ“ sowie Werke von Autoren der sogenannten Blut-und-Boden-Literatur.
Ein Jahr nach ihrer Gründung hatte die „Weststadtbücherei“ 774 LeserInnen, davon waren 579 männlich. Die Bibliothek wurde hauptsächlich von gelernten Arbeitern und Handwerkern genutzt. Bei den Frauen machten die Hausfrauen die größte Nutzergruppe aus. Die Hälfte des Buchbestandes, der 1937 auf 6.286 Bände angestiegen war, waren Romane.
Im Oktober 1943 wurde die Lindener Bibliothek bei einem heftigen Bombenangriff schwer beschädigt und musste geschlossen werden. Erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde sie im August 1945 am alten Standort wieder geöffnet. Allerdings erwiesen sich die Räume bald als zu klein, sodass die Bibliothek 1955 in das neue Lindener Rathaus am Lindener Marktplatz umzog, wo sie sich heute noch befindet.