Linden und die Calenberger Neustadt sollen mit „vielfältigen Wegebeziehungen (…) über zwei Fußgängerbrücken (…) als Verlängerungen der Calenbergerstraße und der Lenaustraße miteinander verbunden werden. (…) Der Uferraum soll so angelegt und gestaltet werden, dass die Bürger ihn als neuen Erholungsraum erleben können“. So der Auslobungstext des städtebaulichen Wettbewerbs zum Bau des Ihme-Zentrums von 1966. Derselbe Text würde heute als Sanierungskonzept taugen: Die Einbindung in den Fernradweg am Ihme-Ufer endet heute an einer langen Treppe. Nirgendwo sonst in Hannover ist die Ihme als Naturraum so wenig zugänglich und erlebbar wie entlang des Ihme-Zentrums.
Es lohnt also ein Blick zurück, weshalb die städtebaulichen Zielsetzungen so komplett verfehlt wurden: Die leere städtische Kasse zwang Ende der 1960er-Jahre zur Vergabe des Baus des Ihme-Zentrums an einen privaten Investierenden. Heute würde das als PPP-Verfahren (public private partnership) bezeichnet. Die Investorin – die City Bau KG und die Stadt Hannover schlossen den Stadtmitte-Vertrag. Der „sichert der Stadt die Durchsetzung ihrer städtebaulichen und planungsrechtlichen Konzeptionen“ (aus „Die City-Bau und Ihr Konzept“). „Es ist das erste Mal in Hannover, dass ein Stück Stadt durch einen Privatunternehmer entsteht. Wir brauchen es und bejahen die Privatinitiative, aber das Vorhaben bleibt in der öffentlichen Verantwortung“ so der damalige Stadtdirektor Martin Neuffer bei der Grundsteinlegung des Ihme-Zentrums am 11.11.1971.
Von dieser öffentlichen Verantwortung war schon bald nicht mehr viel zu spüren: Während der Verkauf der Wohnungen lief, wurde die lange geplante Verlegung der Ihme in Richtung Glocksee gestrichen. Diese ist noch in der alten Ausgabe des B-Plan 554 und in den Plänen zur Teilungserklärung dargestellt. In der Verkaufsbroschüre für die Wohnungen hieß es: „Durch die Anlage einer Uferpromenade und der damit geschaffenen Verbindung zu den Herrenhäuser Gärten und dem Maschsee wird das Ihme-Zentrum auch ein Anziehungspunkt für Freizeit und Erholung sein“. Durch die städtische Entscheidung ging der öffentliche Uferbereich und die Einbindung in das Fuß- und Radwegnetz verloren.
Das setzt sich im Inneren des Ihme-Zentrums fort: In der Teilungserklärung vom 14. Juli 1971 erklärten alle Miteigentümer – zu denen auch die Landeshauptstadt Hannover gehört – „Ihre Zustimmung zur öffentlich-rechtlichen Widmung des Verkehrsbereiches“. Diese Verkehrsbereiche sollten nach den Standards des Tiefbauamtes der Stadt Hannover hergerichtet werden. Auch aus dieser vertraglichen Verpflichtung verabschiedete sich die Stadt Hannover. So entstand ein 600 m langer, weitgehend undurchdringlicher, unhandlicher Klotz im Privatbesitz zwischen unzugänglichem Ihme-Ufer und Stadtteil. Dieser Klotz wird zusätzlich durch riesige Verkehrsflächen von Linden abgetrennt. Die sind noch erheblich breiter als der Südschnellweg nach dem Ausbau zur Autobahn. Auch hierfür ist die Ursache ein Streichungsbeschluss der Stadt. Die D-Linie wurde nicht im Tunnel mit Station unter dem Ihme-Zentrum geführt. Deshalb wurde der Küchengarten von 3 geplanten Verkehrsebenen auf eine komprimiert und funktioniert seitdem nicht einmal für den Pkw-Verkehr brauchbar. Das Ihme-Zentrum wurde also hauptsächlich durch drei stadtplanerische Fehlentscheidungen von den umliegenden Stadtteilen isoliert. Seit Jahren trägt die Stadtverwaltung vor, das Ihme-Zentrum sei ein privates Problem – und vergisst dabei die eigene Verantwortung für Ursachen und Lösungen.
Nach 20 Jahren Stillstand durch Investierende, die nicht investiert haben, führt jetzt ein konstruktiver Insolvenzverwalter die Geschäfte des Großeigentümers. Rechtsanwalt Wilhelm V will sich – wie von der Zukunftswerkstatt Ihme-Zentrum vorgeschlagen – nach unterschiedlichen lokalen Investierenden aus Hannover umsehen. Ob er dabei erfolgreich ist, entscheidet über die Zukunft des Ihme-Zentrums. Wie sollen Nutzungen und Nutzende für Flächen gefunden werden, die vom öffentlichen Wegesystem, von Nutzungszusammenhängen und Lagequalitäten des Grundstückes abgeschnitten sind? Deshalb muss die private Revitalisierung im Ihme-Zentrum Hand in Hand mit städtebaulichen Maßnahmen zur Integration des Ihme-Zentrums in die Stadtteile gehen. Für die Beseitigung der städtebaulichen Fehler und Missstände um das Ihme-Zentrum herum müssen öffentliche Mittel bereitgestellt werden.
Dafür gibt es nach dem Baugesetzbuch ein abgestuftes Instrumentarium, das Eigentümer*Innen, Politik und Stadtteil einbezieht. Nur auf dieser Grundlage kann die Kommune finanzielle Unterstützung von Bund und Land erhalten. Politik und Stadtverwaltung müssen sich endlich der Verantwortung stellen und ihren Beitrag leisten. Wir müssen schnellsten mit einer vorbereitenden Untersuchung die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen zur Sanierung zusammentragen! Wir dürfen das Zeitfenster von vielleicht zwei Jahren, das jetzt durch positive Entwicklungen unter den Eigentümer*Innen des Ihme-Zentrums entstanden ist, nicht tatenlos verstreichen lassen!