Entmietung & Luxusmodernisierung – Beispiel Badenstedter Str. 6

„Ich stehe leer“, haben Aktivist*innen schon vor längerer Zeit an den Sockel des um 1900 herum erbauten Gebäudes in Linden-Mitte gepinselt. Der Leerstand dauert nun schon länger als fünf Jahre an. Anfang Oktober 2025 zeigt sich das stattliche Wohnhaus Badenstedter Straße 6 im Erdgeschoss eingerüstet, davor liegen in einem Bauschuttcontainer Holzbalkenreste und kaputte Fallrohre. Im ersten Stock steht eines der vielen gardinenlosen und dunklen Fenster weit offen. Ein Handwerker einer Sanitärfirma schaut kurz heraus. Alles nur Show oder tut sich hier endlich was? An der Haustür hängt ein „Baustellenschild“. Demnach hat die städtische Bauaufsicht dem Eigentümer am 2. Juli 2025 den Ausbau einer Dachgeschosswohnung genehmigt,

Das Haus gehört der „ARC Real Estate 5 GmbH“

In einer gemeinsamen Recherche von Punkt-Linden und dem TV-Magazin 0511 im hannoverschen Bürgerfernsehen h1 konnte die Geschichte von Entmietung und jahrelangem Leerstand des Gebäudes Badenstedter Straße 6 erhellt werden. Im Herbst 2017 wurde das um 1900 erbaute, viereinhalbgeschossige Mietshaus im Rahmen eines steuernsparenden „Share-deals“ vom Unternehmen ARC Real Estate 5 GmbH erworben. Zu diesem Zeitpunkt waren alle zehn Wohnungen vermietet. Schon beim vorherigen Eigentümer, der Family Wohnmarkt GmbH, hatten einige Mieter Mängel wie Risse in den Wänden, Wasserschäden und Schimmelbildung geltend gemacht.

Noch im Jahr 2017 erfolgten Begehungen mit dem neuen Vermieter. „Dieser versprach, die Mängel zu beseitigen“, erinnert sich Ex-Mieterin Siri K. Die Landesbeamtin lebte vom Ende 2007 bis Juni 2020 im Haus. In ihrer persönlichen Chronik notierte sie: „Im Dezember 2017 wurden in den beiden oberen Etagen in jede Wohnung Stützbalken eingezogen, um das Einstürzen der Decken etc. zu verhindern. Weitere konkrete Maßnahmen fanden nicht statt.“

Kündigungen wegen erheblicher Mängel am Gebäude

Stattdessen erhalten alle Mieter des Hauses per Einwurf in den Briefkasten das am 3. März 2018 verfasste Kündigungsschreiben der ARC Real Estate 5 GmbH zum 30. November 2018. In diesem Schreiben betont deren Geschäftsführer, Herr Arash Ranjhar Moshtagin, die erheblichen Mängel am Gebäude würden eine Entmietung und Sanierung des Hauses erforderlich machen. „Aufgrund umfassender Wasserschäden ist die Bausubstanz derart geschädigt, dass eine Kernsanierung des Objektes erforderlich ist“, so der Wortlaut.

diebewegungsstrategen – Andreas Schmitz & Team
diebewegungsstrategen – Andreas Schmitz & Team
Nedderfeldstraße 9
30451 Hannover

Zwei Mietparteien, Siri K. und ihr Nachbar Cemal Y., wehren sich und widersprechen der Kündigung. Diese sei ihrer Meinung nach nicht ausreichend begründet und damit unwirksam. Mit dieser Haltung wurden sie vom Deutschen Mieterbund unterstützt: Vor Gericht wird eine Klage auf Instandsetzung und gegen die Kündigung auf den Weg gebracht.

„Man hat immer wieder versucht, alle Mieter zum Auszug zu bewegen. Angeblich aufgrund akuter Einsturzgefahr“, notiert sich Frau K. „Jede Partei wurde Anfang 2018 einzeln von einem Verwalter besucht. Dabei hat er dann von den angeblichen Gefahren berichtet.“ Unter dem Druck des Eigentümers ziehen nach und nach fast alle Mieter aus, einer nach dem anderen. Einer studentischen Wohngemeinschaft sollen dafür – quasi als „Schmerzensgeld“ – vom Vermieter 300 € gezahlt worden sein.

„Als Mieter hat man leider nur wenig Möglichkeiten …“

Einen von der ARC Real Estate 5 im Jahr 2019 formulierten „Mietaufhebungsvertrag“ lehnen die letzten verbliebenen Mieter, K. und Y., ab. Dieser sah einen sofortigen Auszug und dafür eine Abfindung von jeweils 3.000 € vor. Beide Mietparteien beschritten weiter mithilfe des Mieterbundes den Rechtsweg. Nach vielen beidseitigen Anwaltsschreiben kommt es schließlich für Frau K. am 21. Februar 2020 im Amtsgericht Hannover zur mündlichen Verhandlung. Diese endet mit einem Vergleich: Die Klägerin erhält vom Eigentümer eine Abfindung von 10.000 € und zieht dafür bis Ende Juni 2020 aus. Auch im parallel laufenden Klageverfahren von Herrn Y. wird ein entsprechender Vergleich geschlossen.

„Aus unserer Sicht ist das ein typisches Beispiel für Gentrifizierung und Profitmaximierung über den Immobilienmarkt“, so ein an die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) gerichtetes Schreiben der beiden Mietparteien vom Januar 2020. „Wir fragen uns, wie es sein kann, dass solche Machenschaften möglich sind und warum politisch – bzw. von der gesetzgeberischen Seite her – nicht eingegriffen wird. Als Mieter hat man leider nur wenig Möglichkeiten und Chancen, sich gegen solche Investoren zu wehren.“

Real Estate bedeutet echtes Anwesen

Büros der ARC-Group An der Börse 3
Firmenschild der ARC-Group, An der Börse 3

„Real Estate“ bedeutet im Deutschen wörtlich „echtes Anwesen“. In der Branche ist das ein zentraler Begriff zur Vermarktung von Immobilien. Eine Firmenauskunft für ARC Real Estate 5 GmbH bei Creditreform ergab: Gegenstand des Unternehmens sind der „Erwerb und Handel mit Immobilien, der Besitz von Immobilien zum Zwecke der Vermietung, die Umwandlung von Wohnhäusern in Wohneigentum und die Verwaltung von Immobilien.“

Ansässig ist die ARC Real Estate – Unternehmensgruppe unter der Adresse An der Börse 3 im hannoverschen Bankenviertel. Laut Klingelschild residieren hier ein halbes Dutzend verschiedene ARC-GmbHs. Von der dortigen Verwaltungskraft ist am Telefon zu erfahren, das Haus in der Badenstedter Straße werde derzeit „kernsaniert“. Außer den tragenden Wänden und der historischen Holztreppe bleibe nichts erhalten. Entstehen würden in dem Gebäude Mietwohnungen, der kalkulierte Quadratmeterpreis würde etwa 14,50 € betragen. „Das ist sicher hochpreisig, das sind die Sanierungskosten allerdings auch“, so die Auskunft. Der ARC-Geschäftsführer Moshtagin stünde leider für ein angefragtes Interview nicht zur Verfügung.

„Wir schaffen bleibende Werte!“

„Wir schaffen bleibende Werte!“ – so der Werbeslogan des Unternehmens auf der Website. Die Firma engagiert sich nicht nur in der Immobilienbranche. Insgesamt werden von einer ARC Invest GmbH 16 Firmenbeteiligungen gehalten und 280 Wohneinheiten bewirtschaftet, so die Information bei Creditreform im Internet. Am Haus in der Badenstedter Str. 6 seien „wegen der Corona-Pandemie und Handwerkermangel weitere Maßnahmen wirtschaftlich nicht möglich“ gewesen, antwortet Senior Facility Manager Murat Kayran im Mai 2024 auf Anfrage der HAZ. Sein Unternehmen – die ARC Invest GmbH mit Sitz in Laatzen – wolle das Gebäude energetisch sanieren und 2025 mit der Vermietung beginnen.
Die ARC-Unternehmensgruppe mit „mittelständischer Größe, familiärem Gesellschafterkern und einer schlanken Führungsstruktur“ richte ihre Aktivitäten auf den Erwerb von Grundstücken und Objekten aus, die „ausschließlich nach Ertragsgesichtspunkten bewertet“ werden, heißt es auf der Website. „In der Regel weisen die übernommenen Objekte ein Wertsteigerungspotential auf, das mithilfe eines optimierten Nutzungskonzeptes weiterentwickelt, verfeinert und ausgeschöpft werden kann.“

„Dringender Handlungsbedarf“ gegen spekulative Zweckentfremdung

Eine derartige, nur auf Wertsteigerung zielende Spekulation mit Wohnraum auf Kosten der Mieter scheint mit rechtlichen Mitteln kaum zu verhindern. Auch die seit Juli 2025 in Hannover eingeführte „Zweckentfremdungssatzung“ greift hier offenbar nicht. „Langfristiger Leerstand kann verschiedene Gründe haben“, antwortet die städtische Pressesprecherin Janine Herrmann auf eine Interview-Anfrage: „Einer der Hintergründe kann durchaus spekulativer Art sein.“
Zukünftig könne „die bewusste Zurückhaltung von Wohnraum als Verstoß gegen die Zweckentfremdungssatzung durch das Verhängen von Bußgeldern bis zu einer Höhe von 100.000 EUR geahndet werden“, so Herrmann. Bei der Landeshauptstadt seien für dieses Thema drei zusätzliche Stellen geschaffen worden, die zuständigen Mitarbeitenden bearbeiteten derzeit etwa 120 zweckentfremdungsrechtliche Verwaltungsverfahren.

„Hier besteht aus unserer Sicht dringender Handlungsbedarf auf gesetzlicher und politischer Ebene! Sollen sie gerne das Haus sanieren, wir wollen nur nach der Sanierung wieder in unsere Wohnungen einziehen dürfen,“ so Siri K. und Cemal Y: „Es kann doch aber nicht sein, dass ein Investor einfach daher kommt, den Mietern kündigt, sie herauswirft und er hinterher den fetten Geldregen macht. Und das alles vor dem Hintergrund des angespannten Wohnungsmarktes, welcher einfach eigennützig zur Kapitalmaximierung genutzt werden soll für einige Reiche.“

h1 Beitrag zur Badenstedter Straße 6 von Wolfgang Becker

Bildnachweis: Wolfgang Becker

3 Gedanken zu „Entmietung & Luxusmodernisierung – Beispiel Badenstedter Str. 6“

  1. Habyt ist zum Beispiel ein Anbieter, der im Auftrag von Eigentümern Wohnungen maximal gewinnbringend vermietet.

    Mit möblierten Wohnungen und nur befristeten Mietverträgen lässt sich (besonders in Uni-Städten) mehr verdienen als mit einfachen Wohnungen.

    Es geht eben einfach nur um Profit!

  2. Wo soll das enden? Es wird immer schlimmer und Lösungen werden verweigert!!
    Wie viele Wohnungen werden massiv gewinnbringend vermietet, indem Mehr-Zimmer-Wohnungen überteuert an Zwangs-WGs vermietet werden??

    Wo das enden kann? Schaut nach Berlin! Da werden Wohnungen für über 3000 Euro vermietet, Mietmängel vom Vermieter nicht beseitigt und die Mieter ( gerne auch ausländische, die ihre Rechte nicht kennen und somit nicht durchsetzen können) werden im Stich gelassen!

    Es gibt mehrere Firmen die dieses Geschäftsmodell – Vermietung mit höherer Rendite! – für sich entdeckt haben und einfach nur kassieren. Für Schäden/Mietmängel wird der Eigentümer verantwortlich gemacht, der aber nicht aktiv wird- dann ist ja sein GEWINN in Gefahr.

    Dann gibt es noch Firmen die die Heizungsabrechnung für sich als lukrative Einnahmequelle entdeckt haben. Da werden dann völlig überzogene Heizkosten abgerechnet.

    Hilfe? Fehlanzeige!

    Kein Wunder, dass sich das auf dem Wahlzettel bemerkbar macht!

  3. Es ist einfach nur traurig und die Politiker unternehmen nichts. In den 70er Jahren erhielten Leute, die sich auf diese Weise bereichert haben, Morddrohungen. Ich kenne persönlich jemanden, der in solche Machenschaften verstrickt war und sich in seiner wunderschönen Villa versteckt hat. Es ist also kein Phänomen dieses Jahrhunderts.

Die Kommentare sind geschlossen.

3 Gedanken zu „Entmietung & Luxusmodernisierung – Beispiel Badenstedter Str. 6“

  1. Habyt ist zum Beispiel ein Anbieter, der im Auftrag von Eigentümern Wohnungen maximal gewinnbringend vermietet.

    Mit möblierten Wohnungen und nur befristeten Mietverträgen lässt sich (besonders in Uni-Städten) mehr verdienen als mit einfachen Wohnungen.

    Es geht eben einfach nur um Profit!

  2. Wo soll das enden? Es wird immer schlimmer und Lösungen werden verweigert!!
    Wie viele Wohnungen werden massiv gewinnbringend vermietet, indem Mehr-Zimmer-Wohnungen überteuert an Zwangs-WGs vermietet werden??

    Wo das enden kann? Schaut nach Berlin! Da werden Wohnungen für über 3000 Euro vermietet, Mietmängel vom Vermieter nicht beseitigt und die Mieter ( gerne auch ausländische, die ihre Rechte nicht kennen und somit nicht durchsetzen können) werden im Stich gelassen!

    Es gibt mehrere Firmen die dieses Geschäftsmodell – Vermietung mit höherer Rendite! – für sich entdeckt haben und einfach nur kassieren. Für Schäden/Mietmängel wird der Eigentümer verantwortlich gemacht, der aber nicht aktiv wird- dann ist ja sein GEWINN in Gefahr.

    Dann gibt es noch Firmen die die Heizungsabrechnung für sich als lukrative Einnahmequelle entdeckt haben. Da werden dann völlig überzogene Heizkosten abgerechnet.

    Hilfe? Fehlanzeige!

    Kein Wunder, dass sich das auf dem Wahlzettel bemerkbar macht!

  3. Es ist einfach nur traurig und die Politiker unternehmen nichts. In den 70er Jahren erhielten Leute, die sich auf diese Weise bereichert haben, Morddrohungen. Ich kenne persönlich jemanden, der in solche Machenschaften verstrickt war und sich in seiner wunderschönen Villa versteckt hat. Es ist also kein Phänomen dieses Jahrhunderts.

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