Der derzeitige Vorstand von Quartier e.V., der sich seit 2002 um den Küchengartenpavillon Am Lindener Berge 44 kümmert, heißt: Elsbeth Wildhagen, Matthias Riemann, Ulrich Barth. Letzterer zieht hier Bilanz über die letzten fünf Jahre beim Verein.
Seit fünf Jahren gibt es jetzt bereits die Ausstellungsreihe „Feine Kunst aus hannoverschen Ateliers“ im Küchengartenpavillon auf dem Lindener Berg. Ein Angebot von Quartier e.V. an Hannover und seine Kunstszene. Ziel ist es, hannoverschen Künstlerinnen eine Plattform zu bieten und somit das Ausstellungsangebot unserer Stadt zu bereichern.
Es passt alles gut zusammen. Quartier e.V. hat 2002 den Küchengartenpavillon von der Stadt Hannover zur Verfügung gestellt bekommen. Zu viel Vandalismus hatte das arme Gebäude bereits hinter sich – es stand zu lange leer. Jetzt wurde es wiederbelebt und meist mit historischen Ausstellungen über Linden bestückt und für die Allgemeinheit geöffnet. Unser Verein hat seitdem über Linden geforscht, publiziert und in Rundgängen und Ausstellungen veröffentlicht, was von unseren Soziologen und Historikern herausgefunden wurde. Kunst gab es gelegentlich auch zu sehen, das war aber eher das Stiefkind des Vereins. Die Ausstellungen waren nur so schön, wie der jeweilige Künstler oder die Künstlerin es leisten konnte.
Veränderungen beim Küchengartenpavillon waren nötig
Mit der Zeit machten die Historiker sich rar auf dem Lindener Berg und das Scillafest, ihre Jahreshauptattraktion, brachte zunehmend seinen erschlagenden Moment mit sich, da der Besucherstrom, auf einen Tag konzentriert, nicht abriss. Die wenigen Verbliebenen des Vereins kamen an den Rand der Zumutbarkeit, der Küchengartenpavillon drohte jedes Mal zu platzen. Veränderungen wurden nicht diskutiert. Jonny Peter, als einem der letzten Gründungsmitglieder, stand für die Verwaltung des Vereins und des Gebäudes nur noch allein da. Er brauchte unbedingt Entlastung und wollte das Engagement wieder auf mehrere Köpfe verteilen.
Mein Beitritt 2017 zum Verein Quartier e.V. brachte Entlastung für Jonny Peter. Als bildender Künstler wollte ich nicht in seinen Fußstapfen wühlen und konnte es auch nicht. Eine neue Ära kündigte sich an, die der Kunst mehr Aufmerksamkeit bringen sollte. „Wenn die Stadt die Belebung bezahlt, soll sie auch etwas davon haben“, so war vorher die Zielsetzung des Vereins und sie sollte auch so bleiben. Die geschichtlich erarbeiteten Bücher und Hefte waren bald vergriffen, Plakate und Postkarten werden nur noch zur Scillablüte im März herausgeholt und angeboten. Jetzt sollte in den Räumen der Blick frei werden für die gezeigten kunstvollen Arbeiten.
Neue Ideen fingen an, zu funktionieren
Durch den Einstieg engagierter Leute waren sechs Einzelausstellungen im Jahr mit unserer Ehrenamtlichkeit zu leisten. Eine Buchhalterin war nötig, organisatorische Aufgaben und künstlerische Betreuung wurde auf mehrere Köpfe verteilt, eine Grafikerin für die Außendarstellung, neue Rednerinnen brachten andere Gedanken hinein und Mitglieder, die nur für die Öffnungszeiten Dienst schieben wollten, meldeten sich. Obwohl scheinbar nichts ohne mich ging, funktionierte der Laden plötzlich wieder. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle bei allen bedanken.
Die neue Ausstellungsreihe ist erfolgreich
Der Name „Feine Kunst aus hannoverschen Ateliers“ ist Programm. In unserer ersten Ausstellung nach dem neuen Konzept wurde Dieter Kist in den Küchengartenpavillon eingeladen. Seine Ausstellung wurde aufwendig besprochen und hat uns erste Erfolge und Begrenzungen der Möglichkeiten aufgezeigt. Der Raum unter der Kuppel des Küchengartenpavillons ist nicht einfach zu gestalten. Jedes Mal deutete sich eine neue Herausforderung an.
Es gibt Kunst mit viel Anspruch zu zeigen aus Hannover. Eine gesunde Abwechslung der unterschiedlichen Ausdrucksweisen von jüngeren und älteren Künstlerinnen sollte das Programm vervollständigen. Bei sechs Einzelausstellungen im Jahr erscheint die Umsetzung bei einer solchen Künstlerschar, die Hannover zu bieten hat, recht mager. Wonach wählt man eine Künstlerin aus? In den Genuss sollen alle kommen, zumindest einmal. Um den Ansturm überschaubar halten zu können, haben wir festgelegt, dass wir uns die Künstler suchen und auf sie zugehen. Gerade auf diejenigen, die in Vergessenheit geraten könnten, legen wir besonderen Wert.
Die Räumlichkeiten im Pavillon sind nur begrenzt
Für eine Retrospektive im großen Stil ist unser Platzangebot wirklich nicht zu gebrauchen. Ein Thema aus der jeweiligen künstlerischen Arbeit heraus, auf den Raum zugeschnitten, erscheint uns sehr klug. Auch sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass sich unser Ausstellungsort auf einem Friedhof befindet, dass wir ein denkmalgeschütztes Haus aus dem Barock beleben und so mit gewissen Einschränkungen leben müssen. Gleichzeitig ist das ganze Ambiente dermaßen eindrucksvoll, dass es etwas Besonderes ist, hier ausstellen zu dürfen. Viele der Künstlerinnen engagierten sich übermäßig, unterstützten die Aufsichten oder boten Führungen, brachten Interessierte außerhalb der Öffnungszeiten vorbei und bedankten sich für die gute Betreuung durch die Vereinsmitglieder. Andere waren begeistert, endlich dran zu sein, etwas vorzeigen zu können und waren dann auch wieder verschwunden. Jeder hat die Geschicke mit in seinen Händen.
Die Digitalisierung hilft bei der Außendarstellung
Die Pandemie hat uns behindert, aber nicht bedroht. Im Zuge der Schließung reagierten wir nach Außen: mit einer strahlenden Installation von Helmut Hennig. Zoom-Meetings als neue Form der Ausstellungseröffnung waren für uns das reinste Experiment. Und es ist gut gegangen, dank unserer erfahrenen Helfer, die wir mobilisieren konnten. Wir hatten das Glück, in diesem Moment die Richtigen zu kennen und niemand hat uns hängen lassen. So konnten sich Kunstinteressierte für die Ausstellungseröffnung von Katrin Uthe aus ganz Deutschland zuschalten, bei Jorge La Guardia hatten wir sogar reichlich Besuch aus Spanien.
Die Besuchszahlen haben wir gesteigert, der Verein ist als Kunstort in Hannover akzeptiert und wird bewusst aufgesucht. Dabei hilft uns die Scillapflanze im Frühjahr, die geöffneten Kunstorte zu Zinnober oder das Wiederaufleben des Weihnachtsmarktes am Lindener Turm. Jede Jahreszeit hat ihren Besucherstrom und wir garantieren mit unserem Personal die Öffnungszeiten. Dementsprechend sind die Eintragungen in unserem Ausstellungsbuch. Eigentlich viel zu viel der Belobigungen und trotzdem so wichtig. Da fällt dann so ein einzelner Satz aus unserem Buch: „Teilweise sind die Fische gut getroffen, die Präsentation ist leider sehr lieblos“ doch etwas aus dem Rahmen. Aus welchen Beweggründen es auch immer geschrieben wurde, wir machen uns unsere Gedanken.
Verschiedenste Künstler, tolle Erlebnisse
Über dreißig Künstlerinnen haben wir in den fünf Jahren ausgestellt und ich könnte zu jedem Ereignis eine Geschichte erzählen: Bei Ulrike Enders war der Ausstellungsraum zu voll gestellt, Birgit Wehmhoyer hat unsere Wendeltreppe berühmt gemacht, Michael Kiener hat seine Kunst durch die Nase spüren lassen, Hela Woernle hat uns mit Heiko Postma bekannt gemacht, Michaela Hanemann und Helmut Hennig taten sich schwer, das Friedhofsamt ernst zu nehmen, Christiane Mauthe war als erste von der Schließung betroffen und bei Nigel Packham durften wir wieder feiern, wir hatten seine Eröffnung auf seinen 70. Geburtstag gelegt. Ralf Hansen ist für Karl Johaentges eingesprungen und Andreas Petow hat für seine Ausstellung vierzehn Portraits von Fischen gemalt. Auch wenn jetzt nicht alle erwähnt worden sind. Wir hatten ein gemeinsames Erlebnis, weil es um eine Ausstellung ging und jeder Künstler, so ist jetzt mein Gefühl, zur richtigen Zeit da war. Für manch einen gab es mit etwas Verhandlungsgeschick einen Katalog von unserer Grafikerin Melanie Rochow aus dem Vereinsverlag im Küchengartenpavillon.
Ob sie Kunst mögen oder sie belächeln, sie sich von ihr provoziert fühlen oder sie ihnen zu abgehoben vorkommt; ob sie ihnen wertvoll erscheint oder sie die Preise für unerhört halten, Kunst ist zu nichts zu gebrauchen, es sei denn, sie empfinden sie als schön.
Quartier e.V. = Kunst aus Hannover
Wir wollen ihnen etwas bieten und haben uns auf hannoversche Künstlerinnen festgelegt. Das ist kein Qualitätsverlust, es ist ein Angebot, und zwar das Beste was Hannover zu bieten hat. Dabei haben wir alle großes Glück. Sie können sich die Bilder leisten und wir können die Versicherungsprämien bezahlen. Der Verein Quartier e.V. gibt der Kunst ihren Raum. Dabei ist er an der verkauften Kunst nicht beteiligt und der Eintritt ist frei. Quartier e.V. wird für sein Engagement von der Stadt Hannover unterstützt. Ohne dies können wir es nicht leisten und wir würden es begrüßen, wenn es noch ein paar Jahre so weitergeht. Ich jedenfalls habe mir noch fünf Jahre vorgenommen.
Wir von Quartier e.V. wünschen Ihnen ein ruhigeres, gesundes und zufriedenes neues Jahr. Auf dass Gerechtigkeit und Demokratie wieder auf der Welt vorherrschen. Daran müssen wir alle arbeiten. Jeder von uns sollte sich beteiligen und manchen müssen wir es noch zeigen.
Der Küchengartenpavillon ist ab dem 6. Januar 2023, dienstags, freitags und sonntags von 14 bis 16 Uhr wieder für sie geöffnet. Die Ausstellung über das Lindener Buchdruckmuseum geht noch bis zum 29. Januar 2023. Am 5. Februar eröffnen wir die Ausstellung mit der Malerei von Eva-Maria Stockmann. Ab dann sind unsere Öffnungszeiten wieder von 15 bis 17 Uhr.
Wir freuen uns auf ihren Besuch.
Ulrich Barth