
Vor dem Amtsgericht Hannover ist am 9. Oktober 2025 ein 26-Jähriger Neonazi glimpflich davon gekommen. Strafmildernd wertete ein Schöffengericht unter Vorsitz des Richters Künnen das vollständige Geständnis des Angeklagten und dessen geäußerten Vorsatz, nunmehr aus den rechtsextremistischen Kreisen auszusteigen. “Ich bereue meine Taten und möchte abschließen mit dem allen“, so das Schlusswort des Angeklagten.
Sachbeschädigung in Ahlem und Waffenbesitz zu Hause
Angelos L. hatte am 29. Januar dieses Jahres Kränze an der Gedenkstätte Ahlem geschändet. „Dabei warf er vier von acht Gedenkkränzen um – bzw. weg, welche zum ‚Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus‘ abgelegt worden waren“, so die Anklage. Teilweise soll er gegen die Kränze getreten haben, wodurch diese beschädigt wurden. Die Schandtaten wurden von einer Videoüberwachung gefilmt. Der Sachschaden betrug 700 €, der immaterielle, ideelle Schaden war unermesslich..
Im Morgengrauen des 5. Februar rückten Polizeibeamte in L.’s Wohnung in Seelze zur Hausdurchsuchung an. „Dabei wurden neben einer geringen Menge Betäubungsmittel eine vollautomatisch schießende Maschinenpistole mit einem Magazin und 27 Stück passender Patronenmunition aufgefunden. Zudem konnten ein Springmesser, eine Schreckschuss- und Druckluftwaffe sowie Munition und eine Box mit Gaskartuschen sichergestellt werden“, so die Anklageschrift. L. tauchte im März in Ungarn unter und wurde später mit internationalem Haftbefehl in Budapest festgenommen. Danach kam er in der JVA Hannover in Untersuchungshaft.
Als Jugendlicher rechtsextrem sozialisiert und nun geläutert

Im voll besetzten Gerichtssaal und bei großem Medieninteresse gab sich der von zwei Verteidigerinnen flankierte Angeklagte reumütig. Er sei immer nur „Mitläufer“ in einem rechten Netzwerk gewesen, so eine seiner Anwältinnen: „Gottseidank ist der Absprung jetzt geschafft!“. Am 24. September 2025 habe ihr Mandant Kontakt zu einem Aussteiger-Programm für Neonazis aufgenommen und sich bereits am 12. August schriftlich bei der Gedenkstätte Ahlem entschuldigt.
Dabei ist das Register seiner rechtsextremistischen Straftaten lang. „Aus Judenhaut, da wird der Lampenschirm gebaut“, postete er in einschlägigen Chats. Ebenso verbreitete er Fotos von Adolf Hitler und Hakenkreuze, auch als Aufkleber. Schon als Jugendlicher geriet er damit ins Visier der Sicherheitsbehörden, die ihn bald als „gewaltbereiten Neonazi“ einschätzten. Er sei Mitglied der im Raum Hannover und Ronnenberg agierenden „Calenberger Bande“ geworden, so ein Zeuge vom polizeilichen Staatsschutz im Prozess.
Am 27. November 2023 stand L. wegen von 2014 bis 2018 begangener Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund schon einmal vor einem Amtsrichter in Hannover. Nach Jugendstrafrecht wurde der damals Arbeitslose hier wegen Volksverhetzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen verurteilt. „Trotz alledem ist er immer wieder auffällig geworden“, wertete Richter Künnen jetzt die Taten.
2024 wurde vom Amtsgericht Hannover gegen L. ein Waffenbesitzverbot verfügt. Zuvor musste er sich in Bielefeld wegen diverser Straftaten vor Gericht verantworten. Dort äußerte er bereits den Vorsatz, aus der Nazi-Szene aussteigen zu wollen. Schon dort wurde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
Lieferte ein „Agent provocateur“ die Maschinenpistole für den „Tag X“ ?

Völlig im Dunkeln und von keinem der Prozessbeteiligten nachgefragt blieb die Herkunft der bei der Wohnungsdurchsuchung sichergestellten Tokarev-Maschinenpistole nebst Munition vom Kaliber 7,62 mm. Die habe ihm vor zwei bis drei Jahren ein Mann übergeben, so L. Dieser habe dafür kein Geld gewollt, aber um „Gefälligkeiten“ gebeten. „Ich sollte Ausschau halten nach Leuten, die Waffen kaufen wollten“, so die Aussage des Angeklagten. Über diesen „Mann“ wurde im Prozess nicht weiter gesprochen.
Die Tokarev aus polnischer Produktion sei ein „Zufallsfund“ gewesen, betonte der als Zeuge geladene Staatsschutzbeamte. Die Herkunft der Waffe sei nicht weiter ermittelt worden, räumte Kriminalhauptkommissar Hofmann auf Nachfrage von Journalisten ein. Bei der späteren Prüfung im Landeskriminalamt fiel auf, dass die Waffe zwar funktionsfähig war, dass aber die zugehörigen 27 Patronen zum wesentlichen Teil unbrauchbar waren. L. gab an, die von dem mysteriösen Unbekannten erhaltene Waffe für den „Tag X“ eines anarchistischen Aufstands aufbewahrt zu haben: „Damit wollte ich mich und meine Familie schützen!“