Stadt lehnt hannoversche Lösung nach wie vor ab
Bis auf den letzten Platz besetzt waren die Stuhlreihen bei der Veranstaltung der Zukunftswerkstatt Ihmezentrum am 16. Mai 2023 im Capitol. Verständlich wird das, weil sich vor allem für die rund 540 EigentümerInnen ein düsteres Szenario abzeichnet – wie Gerald Maas aus dem Vorstand der Zukunftswerkstatt Ihmezentrum in seinem Impulsreferat vorstellte: Die Sockelsanierung ist inzwischen fast völlig eingestellt, weil die Projektgesellschaft Ihme-Zentrum (PIZ) des Herrn Windhorst ihre Anteile nicht einzahlt und mit Millionenbeträgen rückständig ist. Noch brisanter ist, dass auch die monatlichen Hausgeldzahlungen verspätet und zu niedrig eintrudeln. Deshalb pfändet die Hausverwaltung aktuell die eingehenden Mieten zugunsten der PIZ für das enercity-Gebäude sowie aus dem Mietvertrag mit der Stadtverwaltung und füllt damit das Hausgeld auf. Allerdings findet dieses Verfahren im Sommer sein Ende, weil beide Verträge dann auslaufen.
Kaum einer im Saal erwartet, dass Windhorst die Zahlungen dann wieder vollständig aufbringen kann und leistet. Wenn das so eintritt, muss die Hausverwaltung die für den Gebäudebetrieb notwendigen Hausgelder in Höhe von monatlich rund 400 000 Euro auf die übrigen EigentümerInnen umlegen. Diese müssten dann – je nach Wohnungsgröße – zwischen 500 und 1000 Euro zusätzlich zu ihrer bisherigen Belastung im Monat aufbringen.
Genauso brisant ist die Situation bei den Sanierungskosten für die Gemeinschaftsflächen in den Sockelgeschossen. Gemäß einem ausgehandelten gerichtlichen Vergleich müssten diese allein von den GewerbeeigentümerInnen bezahlt werden. Damit würden beispielsweise die Kneipe „Bei Elena“ an der Blumenauer Straße und das Kampfsportstudio Lee in den wirtschaftlichen Ruin getrieben. Einzig die Landeshauptstadt Hannover bleibt dann als zahlende Gewerbeeigentümerin übrig; denn sie ist mit ihrer Kita selbst Gewerbeeigentümerin. Der Leiter des Stadtplanungsamtes, Thorsten Warnecke, der als Vertretung des eingeladenen Oberbürgermeister Belit Onay erschienen war, verwies die EigentümerInnen mit Ihrer Sorge des wirtschaftlichen Ruins an Windhorsts Firma. Genau die Firma also, der die Stadt Hannover alle Verträge gekündigt hat, weil diese kaum eine Vertragsbestimmung zur vereinbarten Sanierung des Sockels des Ihmezentrums erfüllt hat.
Vorschläge, wie das Ihmezentrum mit einer hannoverschen Lösung im Sinne der Stadtgesellschaft gerettet werden kann, hatte eine Gruppe von Fachleuten um den ehemaligen Umwelt- und Wirtschaftsdezernenten Hans Mönninghof vorgelegt (vgl. https://www.ihmezentrum.info/denkschrift/). Der Lindenspiegel berichtete in der Aprilausgabe. Diese Vorschläge wurden vom Podium und den Anwesenden diskutiert. Der erste Vorschlag – die Beauftragung einer vorbereitenden Untersuchung – fand im Saal breite Zustimmung. Das ergab die Abfrage des HAZ-Redakteurs Conrad von Meding, der die Veranstaltung sehr umsichtig moderierte.
Mit der Untersuchung werden die aktuell fehlenden wirtschaftlichen, rechtlichen und bausubstanziellen Ergebnisse zusammengetragen. Gleichzeitig wird die Voraussetzung für das Einwerben von Landes- und Bundesmitteln gelegt. Auch die Kosten des Gutachtens zwischen 100 000 und 200 000 Euro sind angesichts der zu erwartenden Hausgeldzahlungen von 400 000 Euro im Monat akzeptabel.
Das Stadtplanungsamt lehnt die Untersuchung weiterhin ab, weil der Antrag auf Fördermittel angeblich nicht Erfolg versprechend sei und der Eindruck entstehen könnte, die Stadt übernehme Verantwortung. Außerdem könne es sein, dass die PIZ davon profitiere, weil die erarbeiteten Lösungsperspektiven den potenziellen Verkaufserlös der PIZ steigern könnte und somit Windhorst auch noch belohnt würde.
Die weiteren Vorschläge der AutorInnengruppe fußen auf dem Rechtsgutachten einer namhaften Immobilienrechtskanzlei aus Hannover. Einig war der ganze Saal in der Einschätzung, dass Windhorsts Gesellschaft weiter nichts zur Sanierung beitragen wird. Nach Konkurs oder Zwangsversteigerung der PIZ soll ein öffentlich kontrollierter Sanierungsträger die Anteile übernehmen. Dann sind die Einrichtung öffentlich gewidmeter Wege möglich. Einzelne Gebäudekomplexe werden vom Treuhänder an lokale Investoren weitergereicht. Diese errichten in den umfangreichen, leer gefallenen Büroflächen dringend benötigte Wohnungen sowie Flächen für kulturelle Nutzungen. Der Sockel wird zu einem Gewerbegebiet als digitalisierte, produktive Stadt und zu einem Mobilitäts-Hub.
All diese Umbauarbeiten sind gänzlich ohne Änderung der Eigentumsordnung rechtlich umsetzbar – so die AutorInnengruppe. Dem widersprach Herr Warnecke als Vertreter des Stadtplanungsamtes: „Unser Einfluss endet an der Grundstücksgrenze […] Wir haben die Ideen der Zukunftswerkstatt geprüft. Es geht nicht.“ Diese Einschätzung überrascht, weil einer der Autoren des Rechtsgutachtens, dass das Gegenteil aussagt, selbst zu den Unterzeichnern der Denkschrift zählt.
Es gibt also noch erheblichen Klärungsbedarf. Da niemand mehr auf den Großeigentümer hoffen kann, ist die Stadtgesellschaft gefragt. Das komplexe Problem des Ihmezentrums wird sich nur lösen lassen, wenn sich Stadtpolitik, Stadtverwaltung mit Mietenden und EigentümerInnen sowie Vertretende der umliegenden Stadtteile an einen Tisch setzen. Dafür ist es nach vielen Jahren der ergebnislosen Verhandlungen mit dem Großeigentümer im Hinterzimmer höchste Zeit, denn der Beton im Sockel bröckelt immer schneller vor sich hin.