Otto Bank („Pastor Bank“), Großstadtpfarrer der katholischen Arbeitergemeinde St. Benno in Hannover-Linden (Nord), späterer Dechant und Organisator der praktischen Nächstenliebe
Von Heide Kramer, Hannover, 2009
Geschichtliches zur St.-Benno-Kirche in Hannover-Linden (Nord)
Pastor Friedrich Henniges (1842 bis 1902), der seit 1881 (bis 1902) die Aufgaben in St. Godehard in Hannover-Linden wahrnimmt, plant den Bau einer neuen Kirche in Linden und realisiert dieses Vorhaben. Bedingt durch seine schwere Krankheit überträgt Pastor Henniges schließlich seinem Kaplan und Nachfolger Carl Neisen (1869 bis 1936) die Bauleitung. 1902 ist der Bau der Bennokirche im neogotischen roten Backstein-Stil in Linden-Nord abgeschlossen (Architekt: Christoph Hehl).
Christoph Hehl (1847-1911): St. Benno-Kirche in Hannover-Linden (1901)
Turm: Grundrisse, Ansichten, Schnitt
Lichtpause auf Papier
90.3 x 89.2 cm (s) Inv.-Nr. 18259
© Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin in der Universitätsbibliothek. Bereit gestellt am 17.02.2009 um 19:41 Uhr.
Hinweis: © Nutzung nur zum privaten und wissenschaftlichen Gebrauch.
Carl Neisen übt ab 1902 sein Amt als erster Pastor in der neuen Bennogemeinde aus. Pastor Henniges wird nach seinem Tod im Jahre 1902 vor dem Hochaltar in der Bennokirche beigesetzt.
In den kommenden Jahren steht es schlecht um die Existenz der armen Lindener Arbeitergemeinde, und die Pfarrarbeit entwickelt sich für Pastor Neisen zunehmend schwer. Er ist immer wieder auf Spenden und Hilfen zu Gunsten seiner Kirche angewiesen. 1911 verlässt Carl Neisen die Bennogemeinde und wirkt in Gieboldehausen. Seine Nachfolger setzen die Gemeindearbeit nicht minder engagiert fort, aber auch sie müssen nach wie vor mit wirtschaftlichen Defiziten kämpfen. Im April 1912 erhält St. Benno den Status der selbstständigen Pfarrei. Die Bennogemeinde bekommt die Nachwirkungen des verlorenen ersten Weltkrieges 1918 deutlich zu spüren.
Die Bennogemeinde Linden-Nord als Ort des katholischen Widerstands gegen Hitler
Im Februar 1928 übernimmt Pastor Dr. Wilhelm Offenstein (1889 bis 1964) die Bennogemeinde. Der pragmatische Pfarrer aus Linden stellt sich dem unverändert gebliebenen finanziellen Minusstand durch radikale Sparmaßnahmen.Anfang der dreißiger Jahre entstehen Schwierigkeiten mit den aufstrebenden Nazis. Der politisch engagierte und im Reichstag vertretene Pastor Dr. Offenstein macht aus seiner Abneigung gegen das braune Regime keinen Hehl, indem er sie in seinen Predigten auch nach Hitlers Machtübernahme im Jahre 1933 äußert. Repressalien folgen: Die Faschisten verhindern, dass Pastor Dr. Offenstein die Leitung eines Priesterseminars übernimmt und vereiteln seinen Aufstieg als Domkapitular. Er folgt 1936 dem Ruf des Bischofs von Hildesheim und verlässt die Bennogemeinde in Linden, um in der Diözese Hildesheim das Amt des Generalvikars anzutreten.
Am 1. September 1939 beginnt der zweite Weltkrieg. Pastor Dr. Offensteins Nachfolger Pastor Karl Voss führt ab 1936 sieben Jahre die Bennogemeinde und einen zermürbenden Kampf gegen die braunen Machthaber. Er gerät immer mehr unter psychischen Druck. 1943 stirbt Pastor Voss nach schwerer Krankheit.
Otto Bank, Pfarrer und späterer Dechant
Vita
Der am 22. August 1900 in Achtum bei Hildesheim geborene Otto Bank stammt aus einer katholisch geprägten elfköpfigen Familie.
Sein Studium absolviert er in Münster und Hildesheim. Am 24. Februar 1923 erhält Otto Bank in Hildesheim die Priesterweihe, drei seiner Brüder werden ebenfalls katholische Priester. Ab 1923 nimmt er bis 1932 in Hannover als Kaplan die Aufgaben in den Gemeinden St. Godehard Linden und St.-Clemens wahr. Ab 1932 amtiert Otto Bank als zweiter Pastor (Kompastor) in der Gemeinde St. Godehard Hildesheim. 1933/34 engagiert er sich im Sportverband „Deutsche Jugendkraft“ und leistet zur Betreuung der Sportjugend Beachtliches. 1941 bis 1943 wird Pfarrer Bank in der Pfarrei St.-Konrad in Hannover eingesetzt.
Persönlich erlebter Terror während der Hitler-Diktatur
Ein Spitzel denunziert Pastor Otto Bank, weil er sich öffentlich gegen den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich ausgesprochen hat. Seine Grundsatztreue wird ihm zum Verhängnis: Die Gestapo Hildesheim verhaftet den Pastor im März 1938 und überstellt ihn in das Gerichtsgefängnis Hildesheim, wo er bis Oktober 1938 in Untersuchungshaft bleibt. Nach weiterer Untersuchungshaft im Polizeigefängnis Hannover verurteilt ihn das Sondergericht Hannover im Sommer 1939 wegen Vergehens gegen das sogenannte Heimtückegesetz zu einer einjährigen Gefängnisstrafe, die er trotz ergangener Amnestie „verbüßen“ muss. Nach seiner Haftentlassung 1940 setzt sich die Gestapoüberwachung gegen Otto Bank über mehrere Jahre mit schikanösen Freiheitseinschränkungen fort.
Kriegsjahre, Kriegsende 1945, Einsatz und Wiederaufbau während der Nachkriegszeit
Otto Bank kommt am 16. September 1943 in der schwersten Zeit des zweiten Weltkrieges in die Benno-Gemeinde Linden (Nord). In der Diaspora geht seine große Pfarrei anfangs weit über den Stadtrand Hannovers hinaus.
Kriegszerstörungen und weitere Schikanen durch die Nazis nach „Verbüßung“ seiner Haftzeit belasten auch das kirchliche Leben. Unmengen von Ereignissen strömen auf die Gemeinde ein. Aber der Pfarrer und seine Kapläne beweisen durch ihr couragiertes Verhalten immer wieder Durchhaltevermögen und große Stärke.
Bei den Bombenangriffen im März 1945 werden das Seitenschiff der Kirche und Teile des Pfarrhauses zerstört. Otto Bank beteiligt sich zupackend an den Aufräumarbeiten: Er legt nach durchgestandenen Bombennächten mit einem Stahlhelm auf dem Kopf selbst Hand bei den Aufräumarbeiten an. Gemeinsam mit vielen engagierten ehrenamtlichen Helfern auch aus der Gemeinde gelingt in Selbsthilfegruppen noch während der Hungermonate des Sommers 1945 der Wiederaufbau der Kirche. Parallel dazu setzt sich Pastor Bank für das dringend umzusetzende Reparaturprogramm der zerbombten Wohnungen ein, obgleich der Stadtteil Linden in der demolierten Stadt am wenigsten unter Zerstörungen leidet.
Unter Einbeziehung der vielen eingetroffenen Ost-Flüchtlinge und -vertriebenen ist die Wohnungsbewirtschaftung in Hannover stark überbelegt. Gleichzeitig baut Otto Bank über die Grenzen Hannovers hinaus Seelsorgeeinrichtungen für traumatisierte Betroffene unterschiedlicher Gruppen auf. Inbegriffen ist die Betreuung zahlreicher armer Alter und Kranker, die im Stadtteil Hannover-Linden am Rande leben müssen und besonderer Zuwendung bedürfen.
Unter Aufsicht der Britischen Militärregierung baut Pastor Bank eine Caritas-Hilfs-Organisation auf und integriert freie Wohlfahrtsverbände. Dabei wird er den mittellosen Flüchtlingen, Nazi- und Bombengeschädigten sowie später den Heimkehrern zum lebenswichtigen Ansprechpartner. Als einflussreiches Unitas-Mitglied ist es dem Pfarrer möglich, finanzielle Hilfen, aber auch Unterkünfte und freie Verpflegung in seiner Arbeitergemeinde zu organisieren. Er ist außerdem Mitbegründer der Wohnungsbaugenossenschaft „Heimatwerk“ und setzt sich intensiv für den sozialen Wohnungsbau ein. Ein besonderes Anliegen sind ihm der Kinderhort und Kindergarten der Benno-Gemeinde.
Pastor Bank erntet nicht allein in kirchlichen Kreisen große Hochachtung.
Entnazifizierungsfragebogen von Pastor Bank (Seiten 1 und 2 mit Anlage) der Britischen Militärregierung (Military Government Of Germany), 1945.
(Entnazifizierungsfragebogen Teil 1 und Teil 2 in Originalgröße)
Pastor Otto Bank setzt sich für Überlebende des Nazi-Terrors, Flüchtlinge, Ausgebombte und Notleidende ein und verfasst Briefe und Behördenanträge (im Folgenden: Einblicke).
Petition einer Not leidenden Frau an die Pfarrsekretärin Maria Thiem.
Der Fortschritt
Im Februar 1947 begeht Otto Bank sein 25jähriges Priesterjubiläum. Zum 50jährigen Bestehen der Benno-Gemeinde 1952 erfährt er gerade am Kirchenjubiläumstage eine besondere Würdigung: Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes II. Klasse durch den Bundespräsidenten Professor Theodor Heuss. Vertreter des Kirchenvorstandes der Bennogemeinde und der Politik haben im Deutschen Bundestag diese Auszeichnung für den aufopferungsvollen Einsatz und die Verdienste Otto Banks in der frühen Nachkriegszeit erwirkt. Es ist ein äußeres Zeichen des Dankes der Benno-Gemeinde an ihren Pastor.
1959 gelingt Otto Bank die Umstrukturierung der Volksschule Hennigesstrasse in Linden (Nord) zur katholischen Bekenntnisschule („Eichendorffschule“). Am 15. Januar 1959 wird er zum ersten Dechanten des neu errichteten Dekanates Hannover-Linden ernannt, das er ab Februar 1959 leitet. Durch seine Tatkraft kann sich in St. Benno das katholische Verbandsleben positiv entwickeln. In den sechziger Jahren setzt sich Dechant Bank tatkräftig und erfolgreich für den neuen Kirchbau in Ahlem und die Entstehung eines Pfarrheimes ein.
Die unermüdliche Gemeindearbeit des Dechanten innerhalb der vergangenen Jahrzehnte macht sich gesundheitlich bemerkbar. Mitte der sechziger Jahre bittet Otto Bank immer häufiger bei den Generalvikariaten Hannover und Hildesheim wegen Verschlechterung seiner Zuckerkrankheit auf dringendes Anraten des Arztes um Erholungsurlaub.
Am 30. September 1968 verlässt Dechant Otto Bank auf Empfehlung seiner Ärzte die Bennogemeinde und geht in den Ruhestand. Oberbürgermeister Holweg sowie Sprecher der im Stadtrat vertretenen Fraktionen würdigen das Wirken Otto Banks in einem Empfang und betonen die gute Zusammenarbeit zwischen Stadt und Kirche. Ein Vertreter der Evangelischen Kirche dankt Dechant Bank „für die faire ökumenische Bereitschaft und die brüderliche Zusammenarbeit im Dienste am Menschen“.
Otto Bank widmet sich im Ruhestand als Hausgeistlicher noch lange den Aufgaben der Frauenseelsorge im Caritas-Müttergenesungsheim Gertrudenberg bei Salzdetfurth (Kreis Hildesheim) und im Dekanat Bockenem-Detfurth (Kreis Hildesheim).
Am 12. Oktober 1983 stirbt Dechant Otto Bank. Er wird auf dem Friedhof in Wesseln bei Bad Salzdethfurth beigesetzt.
Anhang
Pastoren an der St. Benno-Kirche vor Pastor/Dechant Otto Bank:
- Pastor Friedrich Henniges, der Erbauer von St. Benno Hannover-Linden-Nord (1842 – 1902), bestattet vor dem Hochaltar in St. Benno.
- Pastor Karl Neisen (1869 – 1936),
- Pastor Gustav Becker (1875 – 1927),
- Pastor Dr. Wilhelm Offenstein (1889 – 1936).
- Pastor Karl Voß (1889 – 1943).
Wilhelm Offenstein wird als Kind des Arbeiters Johann Offenstein geboren. Seine Eltern sterben früh. Er besucht die Volksschule in Linden bei Hannover und mit Unterstützung seines Schulleiters das Kaiserin Auguste-Viktoria Gymnasium Hannover, wo er 1909 das Abitur ablegt. Wilhelm Offenstein studiert Theologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Ab 1915 nimmt Offenstein als Feldgeistlicher am ersten Weltkrieg teil.
Nach dem Krieg engagiert sich Offenstein als Domlektor und Konviktsinspektor in Hildesheim und geht 1920 als Kaplan nach Göttingen. Ab 1. April 1924 erfolgt seine Beurlaubung für die Tätigkeit als Referent an der Zentralstelle der Katholischen Schulorganisationen Deutschlands in Düsseldorf. Ende 1925 wird Offenstein Pfarrer von St. Bonifatius in Hamburg-Wilhelmsburg. 1928 wechselt er auf Wunsch seiner Bistumsleitung als neuer Pfarrer für die Industriearbeitergemeinde St. Benno nach Hannover-Linden, hier gilt sein besonderes Interesse der Bildungs- und sozialkaritativen Arbeit. Seit 1923/24 lässt sich Offenstein regelmäßig als Zentrumskandidat für den Preußischen Landtag aufstellen, dem er von 1930 bis 1933 angehört.
In der Weimarer Republik betätigt sich Offenstein verstärkt politisch in der katholisch geprägten Zentrumspartei. Mit der Reichstagswahl im September 1930 zieht er als Kandidat des Zentrums für den Wahlkreis 16 (Südhannover-Braunschweig) in den Reichstag ein. Nachdem sein Mandat bei den folgenden drei Reichstagswahlen bestätigt wird, gehört Offenstein dem Reichstag knapp drei Jahre lang bis zu der Wahl vom November 1933 an.
1933 bis 1945
Nach Hitlers Antritt gerät Offenstein wegen seiner früheren Tätigkeit in der Zentrumspartei sowie eines anonymen Hinweises, jüdischer Abstammung zu sein, in das Visier des Regimes. In den Jahren bis 1945 ist er anhaltenden Schikanen ausgesetzt. Seine Ernennung im Jahre 1935 zum Regens des Priesterseminars wird von staatlicher Seite verhindert. Als Nachfolger des wegen angeblicher Devisenvergehen verhafteten Otto Seelmeyers kommt Offenstein am 14. März 1936 unter Ernennung zum Generalvikar der Diasporadiözese Hildesheim durch Bischof Joseph Machens nach Hildesheim und wird hier zum Domvikar berufen. In den nachfolgenden Jahren richtet Offenstein sein Augenmerk auf den seelsorgerischen Betrieb innerhalb der sich schnell anwachsenden Großstädte Salzgitter und Wolfsburg.
Offenstein erhält 1942 den Titel eines Ehrendomherrn. Er wird von Papst Pius XII. zum päpstlichen Hausprälaten ernannt. Die Ernennung zum Domkapitular ist 1940 von der deutschen Regierung verhindert worden.
1945 bis 1964
1946 erfolgt die lange geplante Ernennung Offensteins zum Domkapitular. In den folgenden Jahren wirkt er in erster Linie am Ausbau der Diözesanstrukturen und der Integration der zugewanderten Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten in die Gemeinden seines Bistums.
Nach dem Tod von Bischof Machens am 14. August 1956 bekleidet Offenstein das Amt des Kapitularvikars. Am 9. Mai 1957 wird er als Machens Nachfolger von Bischof Heinrich Maria Jansen als Generalvikar bestätigt. Vor seiner Pensionierung im Dezember 1960 wirkt Offenstein noch an der Vorbereitung für das Niedersachsenkonkordat mit. Er erhält im Alter für seine Lebensleistung unter anderem die Medaille des Landes Niedersachsen und das Bundesverdienstkreuz. Nach seinem Tod im Februar 1964 wird er auf dem St. Annen-Friedhof am Dom zu Hildesheim beigesetzt.
© Heide Kramer, Hannover, Februar 2009
Quellen:
- © Christoph Hehl (1847-1911): Architekt der: St. Benno-Kirche in Hannover-Linden)
Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin in der Universitätsbibliothek, Inv. Nr. 18259. Bereit gestellt am 17.02.2009 um 19:41 Uhr.
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©Nutzungen mit freundlicher Genehmigung der St.-Benno-Gemeinde in Hannover-Linden (Nord), Februar 2009. - © Freizeitheim Linden: „Linden zu Fuß – Ein Stadtteilspaziergang auf den Spuren der Lindener Geschichte gestern und heute“
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