„Handelt es sich tatsächlich um eine Welle und was sind Ihrer Meinung nach die Hintergründe dieser Häufung von Gentrifizierungsfällen?“, war unsere Frage an den Stadtbaurat. „Die genannten Fälle sind sicher ernst zu nehmen, stellen sich ‚über alles‘ aber als Einzelfälle dar“, so die Stellungnahme aus dem Baudezernat. Denn die Stadt könne aktuell trotz der angesprochenen Fälle keinen signifikanten und messbaren Anstieg von Gebäudeabrissen, künstlich herbei geführten Leerständen oder sog. Luxussanierungen im Bestand gegenüber der seit Jahren bestehenden Situation erkennen, welche durch die insgesamt angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt geprägt ist. Dabei sei zu berücksichtigen, dass gegenüber 2013 ca. 40.000 Menschen zusätzlich in dieser Stadt wohnen, die alle adäquaten Wohnraum beanspruchen. „Daher gibt es auch keine relevante Leerstandsthematik, d. h. wir erkennen eher eine sehr niedrige Fluktuationsreserve, obwohl im gleichen Zeitraum ca. 16.000 neue Wohnungen errichtet wurden.“
Was können städtebauliche Erhaltungssatzungen bringen?
„Ist die Aufstellung einer Erhaltungssatzung – wie unlängst für den Bereich am Anfang der Davenstedter Straße beschlossen – ein geeignetes Instrument, um spekulative Abrisse und Neubauten zu verhindern und was kann die Stadt konkret tun, um Mieter*innen bei Luxusmodernisierungen im Stadtbezirk Linden-Limmer beizustehen?“, wollten wir weiterwissen. Antwort: „Mit dem § 172 Baugesetzbuch werden zwei Möglichkeiten zur Aufstellung von Erhaltungssatzungen mit dem Ziel der Erhaltung baulicher Anlagen und der Eigenart von Gebieten gegeben.“
- Zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebietes aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt (Städtebauliche Erhaltungssatzung)
Voraussetzung für die Aufstellung einer städtebaulichen Erhaltungssatzung ist eine begründete besondere und erhaltenswerte städtebauliche Situation. Modernisierungsmaßnahmen oder auch ein Abriss können jedoch mit einer städtebaulichen Erhaltungssatzung nicht vollständig ausgeschlossen werden. Eine Satzung erweitert die Genehmigungspflicht für Vorhaben bzw. legt gesonderte Genehmigungstatbestände fest. Durch eine städtebauliche Erhaltungssatzung wird kein erweiterter Mieter*innenschutz begründet. Eine Modernisierung der Wohnungen kann dadurch nicht beeinflusst werden.
- Zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung (Soziale Erhaltungssatzung)
Mit Drucksache Nr. 2384-2020 bestand der Ratsauftrag an die Verwaltung, die Voraussetzungen für die Einführung von Sozialen Erhaltungssatzungen nach § 172 Baugesetzbuch in Teilgebieten der Stadt zu prüfen. Diesem Auftrag ist die Verwaltung nachgekommen und hat dieses Instrument zudem in die ausführliche Diskussion mit der Politik zu den wohnungspolitischen Instrumenten im Wohnkonzept 2035 eingebracht.
Instrument gegen Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum?
Dabei kann das zentrale Ziel, die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum zu begrenzen, durch eine Gesetzesänderung mittlerweile auch einfacher erreicht werden. So wurde mit dem Baulandmobilisierungsgesetz der § 250 im Baugesetzbuch ergänzt, durch den ein Genehmigungsvorbehalt bei der Bildung von Wohneigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten besteht. Die Genehmigungspflicht für die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen besteht in der Stadt Hannover, seitdem die Niedersächsische Verordnung zur Bestimmung von Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten am 24. September 2022 in Kraft getreten ist. Nun gehen die Vorschriften des § 250 Baugesetzbuch den Sozialen Erhaltungssatzungen vor. Daher gilt bereits ein stadtweiter Genehmigungsvorbehalt für die Teilung und Umwandlung von Mietwohnraum in Eigentum.
In der Abwägung zwischen Aufwand und Nutzen sind daher Verwaltung und Politik im Rahmen der Beschlussfassung zum Wohnkonzept 2035 überein gekommen, zunächst den Vollzug und die daraus resultierende Wirkung der Neuregelungen im Baulandmobilisierungsgesetz auf die Entwicklung des Wohnungsbestandes in den Quartieren abzuwarten und den Einsatz von Sozialen Erhaltungssatzungen solange nicht weiterzuverfolgen.
Wohnkonzept 2035: Zweckentfremdungssatzung soll kommen
Mit dem Wohnkonzept 2035 wurden als Drucksache S 1733/2023 „Fortschreibung des Wohnkonzeptes der Landeshauptstadt Hannover bis 2035“ am 30.11.2023 vom Rat eine ganze Reihe weiterer wohnungspolitischer Instrumente beschlossen, auf die an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen wird. Dazu gehören neben der Ausübung des Genehmigungsvorbehalts bei der Bildung von Wohnungseigentum zum Beispiel die Ausübung von Vorkaufsrechten, der Erlass einer Zweckentfremdungssatzung sowie die Förderung bezahlbaren Wohnraums. Damit beschäftigt sich die LHH intensiv mit den Entwicklungen des Wohnungsmarktes auf verschiedenen Handlungsfeldern mit dem Ziel, möglichst allen Gruppen bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen und Fehlentwicklungen wie der Gentrifizierung auch in Linden/Limmer vorzubeugen.