Unterstützung bei der Wohnungssuche, bezahlbarer Wohnraum, mehrsprachige Beratung, medizinische Versorgung sowie eine bessere Übersicht über die sozialen Angebote: Diese Aspekte sind von entscheidender Bedeutung für Wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen in Hannover, wie eine Online-Umfrage der Landeshauptstadt zum Thema Wohnungslosigkeit ergab.
Sozialdezernentin Sylvia Bruns präsentierte die Ergebnisse am 20. September 2021 im Sozialausschuss zusammen mit den Ergebnissen des Bürger*innen-Panels, das sich ebenfalls mit dem Thema Wohnungslosigkeit befasste. Beide Umfragen, die auch Bausteine des Innenstadtdialogs sind, führte die Stadt im April und Juli durch.
„Es wird deutlich, dass die neueren Angebote, beispielsweise Housing-First-Projekte, das Modellprojekt „Plan B OK“ und Straßensozialarbeit speziell für Frauen, in die richtige Richtung gehen“, kommentiert Oberbürgermeister Belit Onay die Ergebnisse. „Wohnraum und Unterbringungsangebote zu schaffen – diesen Weg werden wir mit Hochdruck weitergehen. Gleichzeitig wird aber auch der Handlungsbedarf sichtbar, etwa beim Thema ‚Mehrsprachigkeit‘ von Beratungs- und Unterstützungsangeboten.
Größte Probleme: Mietpreise, Schulden, Ablehnung
Die Online-Umfrage „Wohnungslosigkeit“ ergab, dass fast drei Viertel der befragten Betroffenen (73 Prozent) eine Wohnung sucht. Als größte Probleme wurden dabei der Mietpreis, Schulden- oder Schufa-Einträge, ein Gefühl der Überforderung oder Ablehnung des Vermieters angegeben. Ein Fünftel der Befragten gab an, keinen Anspruch auf eine Wohnung in Hannover zu haben. Zwei Drittel der Befragten wünscht sich generelle Unterstützung bei der Wohnungssuche, ein Viertel auch „sprachliche Hilfen“.
Auf die Frage nach Hilfen in der aktuellen Pandemie-bedingten Situation, entfielen die meisten Antworten – abgesehen von einer „eigenen Wohnung“ (73 Prozent) – auf Soziale Arbeit (51 Prozent), medizinische Versorgung (44 %) Unterkünfte mit Einzelzimmer (42 %) sowie Information und Beratung (32 Prozent), Essensausgaben / Tafeln (32 Prozent), Therapieplätze – etwa für Sucht- oder Psychotherapie (31 Prozent).
Wohnungslosigkeit auch in Stadtteilen sichtbar
Nehmen Sie Wohnungslosigkeit wahr und wenn ja, wo? Das war eine Frage, die sich vornehmlich an die Befragten mit festem Wohnsitz richtete. Mehr als die Hälfte der Antwortenden nannte den Stadtteil Mitte als Ort, an dem Wohnungslosigkeit wahrgenommen wird. Angegeben wurden Standorte rund um den Kröpcke, am Opernplatz und in Bahnhofsnähe. Einen Stadtteil außerhalb der Innenstadt nannten ebenfalls mehr als die Hälfte – beispielsweise Linden, List, Oststadt, Nordstadt oder Südstadt.
Sozialdezernentin Sylvia Bruns unterstreicht: „Die Ergebnisse ergänzen bereits vorhandenes Wissen und Erkenntnisse über die Situation und Lebenslage wohnungsloser Menschen sowie über die Vielfalt der Haltungen zum Thema Wohnungslosigkeit. Die Angaben zur Wohnungslosigkeit in den Stadtteilen sind von besonderer Bedeutung. Wir prüfen hier eine Verstärkung der Straßensozialarbeit über den Stadtteil Mitte hinaus. Auch die Notwendigkeit der medizinischen sozialen Beratung beispielsweise in den Tagesaufenthalten liegt klar auf dem Tisch. Hierzu führen wir bereits intensive Gespräche über die Neuausrichtung des Mecki-Ladens gemeinsam mit der Region Hannover und der Diakonie.“
Große Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement
Das Bürger*innen-Panel ergab, dass über 90 Prozent es wichtig oder sehr wichtig finden, dass es Hilfen und Unterstützung für wohnungslose Menschen in Hannover gibt. Rund 44 Prozent der Befragten geben an, dass sie sich ein Engagement in der Wohnungslosenhilfe vorstellen können. Insbesondere Sach- und Geldspenden, aber auch Zeitspenden sind für mehr als die Hälfte der Befragten vorstellbar. Meistgenannte Ehrenamtsfelder sind „Essens- und Kleiderausgaben“, „Nachbarschaftshilfe“, „Begleitung zu Ämtern oder Ärzt*innen“ und „organisierte Unterstützung im Rahmen von „Vereinen/Initiativen.“ Zielgruppen, für die sich die Befragten besonders einsetzen möchten, sind vor allem Kinder und Jugendliche sowie Familien/Eltern.
In der Online-Umfrage gab jede*r sechste Befragte an, sich bereits ehrenamtlich in der Wohnungslosenhilfe zu engagieren, gut ein weiteres Viertel kann es sich vorstellen, ehrenamtlich für wohnungslose Menschen tätig zu sein. Beide Umfragen zeigen deutlich das Potential in Hannover für ehrenamtliches Engagement in der Wohnungslosenhilfe.
„Dieses Potential gilt es zu nutzen und mit den Wünschen der Betroffenen nach Unterstützung und Begleitung zusammenzuführen“, so Oberbürgermeister Onay. Dazu brauche es professionelle Strukturen, die Ehrenamtliche über die Lebensrealität von Wohnungslosen informierten und mögliche Zugangsbarrieren für den direkten Kontakt abbauten.
In der Quartiers- und Gemeinwesenarbeit der Stadt liegt schon jetzt ein Fokus darauf, Bewohner*innen in Miet- und Ämterangelegenheiten zu unterstützen, um Wohnungslosigkeit zu vermeiden. „Dieser präventive Ansatz könnte durch einen wohnortnahen Einsatz Ehrenamtlicher noch intensiviert werden“, erläuterte Dezernentin Bruns.
Informationen zu Hilfsstrukturen bündeln und sichtbarer machen
Die Ergebnisse der Online-Umfrage wurden durch das, zusätzlich durchgeführte, repräsentative Bürger*innen-Panel im Wesentlichen bestätigt. Deutlich wurde hier allerdings auch, dass Zweidrittel der Befragten in Notsituationen (z.B. drohender Wohnungsverlust, Mietschulden) die städtischen Anlaufstellen nicht kennt. Viele Befragte geben an, dass sie sich mehr Informationen und Aufklärung zum Thema Wohnungslosigkeit wünschen: Ursachen, Anlaufstellen, Ansprechpartner*innen, Hilfsstrukturen und Möglichkeiten, sich zu engagieren. „Hier müssen wir mit Informationsangeboten nachbessern, denn die Landeshauptstadt Hannover bietet umfangreiche soziale Hilfen an“, so Bruns.
Eckdaten zu den Umfragen:
Online-Umfrage
Knapp 1.400 Menschen haben im April an einer städtischen Umfrage zur Wahrnehmung von Wohnungslosigkeit in Hannover teilgenommen.
Die Umfrage richtete sich sowohl an Menschen mit festem Wohnsitz als auch explizit an wohnungslose Menschen. Um auch nicht deutschsprachigen, wohnungslosen Menschen die Teilnahme zu ermöglichen, wurde die Befragung durch 16 mehrsprachige* Interviewer*innen unterstützt, Mit Tablets ausgestattet konnten auf diese Weise auch Menschen erreicht werden, die über kein eigenes Smartphone oder Internet verfügen.
Teilgenommen haben 1.030 Personen mit festem Wohnsitz und 331 Personen ohne festen Wohnsitz. Unter den 331 wohnungslosen Menschen waren 211 Männer, 59 Frauen und 4 diverse Menschen. Die Teilnehmenden waren überwiegend im Alter von 35 bis 54 Jahren. Es handelte sich dabei zum großen Teil um alleinlebende Männer, aber auch um Paare oder Familien mit minderjährigen Kinder.
Unter den 1.030 Teilnehmer*innen mit festem Wohnsitz waren vorwiegend Frauen, im Alter von 25 bis 64 Jahren und ohne Migrationshintergrund.
* Sprachen (neben Deutsch): Polnisch, Russisch, Rumänisch, Bulgarisch, Englisch, Spanisch
Bürger*innen-Panel
Das Bürger*innen-Panel ist ein Online-Beteiligungsinstrument der Landeshauptstadt Hannover und besteht seit 2012. Von 2012 bis 2018 haben sechs Befragungen stattgefunden. Dabei wurden folgende Themen behandelt: Mobilität, außerschulische Bildung, Sport, Hannover 2020, freiwilliges und ehrenamtliches Engagement sowie Sicherheit und Ordnung. Das Bürger*innen-Panel umfasst derzeit rund 1600 Personen, von denen rund 1000 am aktuellen Panel „Wohnungslosigkeit in Hannover“ teilgenommen haben. Das Bürger*innen-Panel ist hinsichtlich Altersgruppen und Geschlecht repräsentativ für die Einwohner*innen der Landeshauptstadt Hannover ab 16 Jahren.