Das Alter zwischen 13 und 18 Jahren bringt viele neue Herausforderungen für Jungen, Eltern und Lehrkräfte. Jungen sind in der Pubertät oft anstrengend, denn sie stehen im Übergang ins Erwachsenenleben vor vielen Veränderungen. Dazu gehört vor allem die Entwicklung von Geschlechtsidentität, Geschlechtsrolle und sexueller Orientierung. Insbesondere Jungen mit Migrationshintergrund sind in dieser Phase vor besondere Herausforderungen gestellt. Sie befinden sich häufig im Spannungsfeld von familiären und gesellschaftlichen Erwartungen. Das Projekt Free Can von Via Linden e.V. – Verein für interkulturelle Arbeit setzt genau hier an und richtet sich an Jungen aus dem Stadtteil Linden. „Männlich und frei“ heißt das Credo, frei von einengenden, konventionellen Männerbildern und hin zu selbstbestimmtem Mann-Sein.
Das dreijährige Modellprojekt startete im April 2014 mit einer Qualifizierung von Männern aus sozialpädagogischen Berufen in der interkulturellen Männer- und Jungenpädagogik. Die Teilnehmer lernen, wie sie Jungen und das Jungenverhalten in der Pubertät verstehen können und mit Hintergrundwissen und Methoden ausgestattet werden. Insbesondere auf die Aspekte Interkultur und die zusätzlichen Faktoren der Migrationserfahrung, die auf die Jungen wirken, werden thematisiert. Via Linden e. V. möchte durch diese Fortbildung die Fachkräfte in der Jugendarbeit unterstützten , den Druck zu erkennen, dem Jungen durch Männlichkeitsanforderungen ausgesetzt sind, Jungen in ihrer Unterschiedlichkeit wahrzunehmen, problematische Verhaltensweisen zu verstehen und sinnvolle geschlechterreflektierte Angebote zu entwickeln.
Ab Januar 2015 beginnt die Arbeit mit Lindener Jungen mit Migrationshintergrund. Vorurteils- und diversitätsbewusstes Denken und Handeln stehen dabei im Mittelpunkt. In verschiedenen Themenblöcken werden die Projektmitarbeiter bisherige Ansätze der Jungenarbeit durch Einbezug interkultureller geschlechterreflektierender Perspektiven erweitern. Free Can bietet männlichen Jugendlichen nicht nur die Möglichkeit, zusätzliche soziale und pädagogische Kompetenzen zu erwerben, sondern eröffnet gleichzeitig den Blick für Berufsfelder, die nicht zu den ‚klassischen’ Männerberufen gehören. Über das Jahr verteilt werden die Seminare zu den Themen „Jungen und Männlichkeit“, „Jungen in Schule und Beruf“ sowie „Jungen und Radikalisierung, bzw. Rechtsextremismus“ angeboten. Darüber hinaus werden praktische Projekte und Freizeitangebote entwickelt, erprobt und gemeinsam bearbeitet.
Der Hintergrund für das Projekt „Free Can“ ist, dass spätestens seit PISA Jungen als Bildungsverlierer, gewalttätig und kriminell dargestellt werden. Aktuell werden insbesondere Jungen mit Migrationshintergrund mit der muslimisch verorteten Splittergruppe der Salafisten in Verbindung gebracht. Auch wenn die öffentlichen Debatten verkürzt sind, zeigen sie doch geschlechtsspezifische Phänomene für das Verhalten von Jungen, beispielsweise die Orientierung an idealisierten und überhöhten Männerbildern und die Suche nach Halt und Zugehörigkeit. Jungen stehen unter einem erheblichen Druck der eigenen Peer-Gruppe, sich wie ein „richtiger“ Junge verhalten zu müssen; also cool und stark zu sein, keine Schwächen zu zeigen und gegenüber Mädchen -sowie den anderen Jungen- überlegen sein zu müssen. Auf der anderen Seite sind Jungen selbst häufig Opfer von Gewalt und Diskriminierung. Free Can möchte die Jungen dabei unterstützen, die Gewaltspirale zu durchbrechen und Raum für alternative Männlichkeitsvorstellungen und eigene Wege bieten, wie sie als Junge oder Mann leben wollen. Das Projekt wird von Aktion Mensch gefördert und ist für die Teilnehmer kostenfrei.
Interessierte Jugendliche, Eltern und Lehrkräfte können mit Via Linden e.V. (www.via-linden.de) Kontakt aufnehmen.