
Wer an der Göttinger Straße 14 in Linden-Süd vorbei kommt, steht unvermittelt vor einem kraftstrotzenden Mann mit erhobenem Hammer. Der „Hammermann“, 1941 geschaffen und vor dem ehemaligen Haupttor der Hanomag platziert, ist weit mehr als bloße Dekoration: Er ist ein Denkmal, das industriellen Stolz, politische Instrumentalisierung und heutige Erinnerungskultur in sich vereint.
Entstehung im Schatten der NS-Zeit

Der überlebensgroße Arbeiter wurde 1941 vom Lindener Bildhauer Georg Herting (1872–1951) entworfen (Link: Mehr über Herting bei Wikipedia). Als Material wählte Herting Muschelkalk, einen in Deutschland weitverbreiteten Kalkstein mit warm-gelblicher Tönung und rauer, steiniger Anmutung. Die Figur folgt dem Monumentalstil der NS-Zeit mit heroischer Körperlichkeit, klaren Konturen und demonstrativer Stärke. Sie glorifiziert die „ehrliche“ körperliche Arbeit – ein Motiv, das im Nationalsozialismus ideologisch aufgeladen und propagandistisch genutzt wurde.
Warum genau hier?
Die Hannoversche Maschinenbau AG (Hanomag) war jahrzehntelang einer der wichtigsten Industriebetriebe der Region. Mit der Figur am Werkseingang inszenierte sich das Unternehmen als Ort produktiver Kraft und als Heimstatt einer stolzen Belegschaft. Der Standort ist deshalb kein Zufall, sondern Teil einer bewussten Symbolpolitik: Der „Hammermann“ markiert den Übergang vom öffentlichen Raum ins industrielle Herz des Viertels.

Vom Firmenemblem zum geschützten Denkmal
Heute ist die Skulptur Teil des denkmalgeschützten Hanomag-Ensembles. Ihr Schutz begründet sich sowohl durch die bau- und kunsthistorische Bedeutung als auch durch die Urheberschaft Hertings. Das Werk steht damit in einer Reihe weiterer erhaltener Arbeiten des Künstlers – darunter das Egestorffdenkmal im Volkspark Linden (1935), das ebenfalls die lokale Geschichte prägt.
Zwischen Kritik und Bewahrung
Der „Hammermann“ lädt zur Auseinandersetzung ein: Wie gehen wir mit Kunstwerken um, die in einer Diktatur entstanden sind und deren Bildsprache bewusst Ideale dieser Zeit transportierte? Der Erhalt bedeutet keine unkritische Bewunderung, sondern eröffnet den Raum, Produktionsgeschichte, Sozialpolitik und Propaganda zu reflektieren. Das Denkmal ist somit Lern- und Mahnmal zugleich – ein steinerner Gesprächsanlass über Arbeit, Macht und Erinnerung. Er ist ein sichtbarer Ankerpunkt lokaler Industriegeschichte, Ausdruck einer problematischen Ästhetik und heute ein wichtiges Zeugnis, um sich der Vergangenheit kritisch zu nähern. Wer stehen bleibt, liest zwischen den Zeilen des Muschelkalks: von harter Arbeit, von Vereinnahmung – und von der Verantwortung, Geschichte nicht zu verklären, sondern zu verstehen.