Leben im Ihmezentrum Teil I – Erika Winger

Freier Blick über das benachbarte Hannover - Erika Winger lebt noch heute gern im Ihmezentrum.
Freier Blick über das benachbarte Hannover – Erika Winger lebt noch heute gern im Ihmezentrum.

„Wir fühlten uns wie in einer großen Gemeinschaft“

Ihmeplatz 8, Hannover- Linden: Hier ist Erika Winger mit ihrem Mann und zwei Töchtern 1976 eingezogen. Da war Einiges im Gebäude noch nicht fertig. Trotzdem – Erika Winger hat mit ihrem Mann auf dem Balkon gesessen, gern über die Stadt geschaut und sich gefreut. Ihre Kinder konnten hier die Helene- Lange-Schule besuchen, wie die Eltern sich das wünschten. Das Ihmezentrum war groß und populär in den Medien – Begeisterung von allen Seiten. Arbeit und Wohnen, Einkaufen und Freizeitmöglichkeiten ganz dicht beieinander, so hat auch Erika Winger das Ihmezentrum erlebt und gleich nebenan bei den Stadtwerken gearbeitet. Sie wohnt bis heute gern hier – und das sagt sie auch jedem, der es wissen will.

„Ich bin ein politischer Mensch“, sagt Erika Winger. „Ich bin aktiv bei der AWO und in der SPD. Wir fühlten uns hier im Ihmezentrum wie in einer großen Gemeinschaft, in der Beschlüsse gemeinsam diskutiert und getroffen werden. Am Anfang war hier noch Rohbau und wir mussten aktiv werden: Wir trafen uns in unserer Wohnung und haben gemeinsam mit Marianne Adrian vom Ihmeplatz 6 eine Bürgerinitiative gegründet. Ich weiß noch genau, es war der Geburtstag meines Bruders und ich saß in der Versammlung und schrieb Protokoll. Unter uns waren Architekten und Rechtsanwälte, die uns beraten konnten. Wir haben ein Treuhandkonto eröffnet, um Geld zurückzuhalten, damit der Bau zügig fertig gestellt wird. Wir waren erfolgreich. Mir war wichtig und das ist mir auch heute noch wichtig, dass alle politischen Seiten vertreten sind im Ihmezentrum. Jede Partei im Stadtrat sollte von uns informiert werden und uns unterstützen können. In vielen der Wohnungen lebten Familien, die Wohnungen sind ja auch groß. Die Hermann-Ehlers-Stiftung hatte hier tolle Konferenzsäle, in denen wir Eigentümerversammlungen durchführten. Es gab Apotheke, Schreibwarenhändler, Möbel- und Schuhgeschäfte, Huma, den Kaufhof und vieles mehr. Es gab im Parkdeck 2 sogar ein Schwimmbad und darüber eine Kegelbahn. Das weiß heute keiner mehr. Das Schwimmbad wurde leider nie in Betrieb genommen. Die Stadtwerke haben es umgenutzt und es ist wohl mit Sand zugeschüttet. Aber gekegelt habe ich hier im Ihme- Zentrum. Silvester sind wir im Haus rumgegangen mit unseren Sektgläsern und haben miteinander angestoßen.“

Erika Winger lebt seit dem Tod ihres Mannes allein in ihrer Wohnung: „Heute sind die Kinder natürlich ausgezogen und wir sind alt geworden“, erzählt sie. „Viele von ganz früher leben heute nicht mehr. Heute wäre es für die vielen älteren Leute toll, wenn das Schwimmbad und Fitness-Möglichkeiten hier eröffnet würden. Und es gibt eine ganz große Dachterrasse mit Schachspiel und allem. Ein guter Ort für Seniorenwohnungen – für Demenzkranke, die da in der Sonne sitzen könnten.

Erika Winger fühlt sich auch mit ihren 80 Jahren sehr wohl im Ihmezentrum, auch wenn die Eigentümerversammlung manchmal Sachen beschließt, die sie gern anders hätte. „So ist eben Demokratie. Und ich kann hier immer noch einen Traum leben: Zweimal im Jahr, wenn der Baum in meinem Blick vor dem Rathaus keine Blätter hat, geht die Sonne rot hinter dem Rathaus unter. Dann habe ich mein rotes Rathaus! Aber ich wünsche mir auch, dass alle Parteien gut zusammen arbeiten und nicht gegeneinander, auch für das Ihmezentrum.“

Lindenspiegel Ausgabe 10-2019

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