Rollstuhlkind soll nicht mit seinen Freunden in die gleiche Schule

Stadt Hannover lehnt den Ausbau der GS Am Lindener Markt im Hinblick auf Barrierefreiheit in naher Zukunft ab Hannover, 5. Juli 2011:
Vergangene Woche war es offiziell, Rollstuhlkind Anton soll nach dem Willen der Stadt Hannover, Fachbereich Bibliothek und Schule nicht zusammen mit seinen Freunden zur Schule gehen. Hintergrund ist die fehlende Barrierefreiheit der Grundschule am Lindener Markt, in deren Schulbezirk Anton wohnhaft ist. „Da das Gebäude vor wenigen Jahren grundlegend saniert wurde, ist nicht davon auszugehen, dass in absehbarer Zeit die Barrierefreiheit an diesem Standort hergestellt werden kann.“ Heißt es seitens der Behörde. Statt zusammen mit seinen Freunden aus Nachbarschaft und Kindergarten eigenständig in die gleiche Schule zu gehen, soll Anton nach Vorschlag der Stadt täglich mit dem Fahrdienst in eine andere (barrierefreie) Schule gebracht und dort abseits seines gewohnten Umfeldes beschult werden.

Anton ist seit seiner Geburt querschnittsgelähmt und vor allem außerhalb seiner häuslichen Umgebung auf den Rollstuhl angewiesen. Trotz dieser starken Beeinträchtigung meistert er aber sein Leben in einem „normalen“ Umfeld, er geht in einen integrativen Kinderladen und hat dort und in der Nachbarschaft viele Freunde. Anton ist natürlich wegen seiner Behinderung oft unsicher, aber der Rückhalt seiner Freunde gibt ihm viel Sicherheit. „Wir denken, dass Anton in einer integrativen Schule mit Erfahrung inmitten seiner Freunde am besten aufgehoben wäre“, sagt Mutter Alexandra. „Es wird schwierig sein, Anton zu erklären, warum er nicht gemeinsam mit seinen beiden Freunden hier aus unserem Haus zur gegenüberliegenden Schule gehen darf, die er ja ohne Hilfe eigenständig erreichen könnte.“

Würde er in die GS Am Lindener Markt gehen können, bliebe nicht nur sein soziales Umfeld erhalten. Er wäre dann auch nicht das einzige Kind mit einer Behinderung, weil die GS Am Lindener Markt bereits seit 1992 integrativ arbeitet und beeinträchtigte Kinder zusammen mit allen anderen Kindern des Stadtteils unterrichtet. Anton würde dort genau das erfahren, was er aus seinem integrativen Kinderladen kennt. „An unserer Schule sind Kinder und Erwachsene es gewohnt, auf Menschen mit Behinderungen Rücksicht zu nehmen “ sagt Anne Wolters, Rektorin der GS Am Lindener Markt. „Als ich anlässlich der üblichen Sprachfähigkeitsüberprüfung von Anton erfuhr, habe ich, entsprechend unserem Leitbild und Selbstverständnis, umgehend bei der Stadt angefragt, ob für Anton. Beschulung Barrierefreiheit hergestellt wird Leider sieht man sich bei der Stadt Hannover zurzeit dazu, aber nicht in der Lage, obwohl dies für die Schule (und insbesondere für Anton) nicht nur jetzt wichtig, sondern auch langfristig so sinnvoll wäre.“ Volker Buchholz, Lehrer an der Schule und Vater zweier auch auf den Rollstuhl angewiesenen Kindern sagt: „Keine andere Grundschule in Hannover verfügt auf dem Gebiet der integrativen Beschulung über eine so große Erfahrung wie wir. Es ist zum verrückt werden, dass ein behindertes Kind aus unserem Schulbezirk nicht auf unsere Schule gehen soll, bloß weil Umbaumaßnahmen nötig wären.“

Die Elternschaft der Schule geht sogar noch weiter: „Es ist zum einen nicht nachvollziehbar, dass bei der vor wenigen Jahren durchgeführten Sanierung des Schulgebäudes einer Schule mit diesem Profil auf die Herstellung der Barrierefreiheit verzichtet wurde. Zum Anderen erscheint es aber jetzt umso irrsinniger, diesen Anlass jetzt nicht zu nutzen, um dies nachzuholen … der Fahrdienst über 4 Jahre in eine andere Schule ist doch sogar teurer als der Einbau eines Fahrstuhls und einer rollstuhlgerechten Toilette!“ meinen Barbara Wevering und Ralf Popp vom Förderverein der GS Am Lindener Markt und Sprecher des Schulelternrats. Besonders interessant wird der ganze Vorgang durch die im März 2009 von der Bundesrepublik ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention, nach der alle Behinderten wie Anton das Recht auf eine integrative Beschulung haben. Diesem Recht will die Stadt zwar grundsätzlich nachkommen, sie verweist aber ein Kind dazu von seiner (für integrative Beschulung sogar viel besser qualifizierten) Regelschule an eine nicht integrativ arbeitende (barrierefreie) Schule, anstatt an der integrativ arbeitenden Schule eine Verbesserung der Gegebenheiten herbeizuführen und damit für Nachhaltigkeit zu sorgen. Ob man so die von der UN beabsichtigte Inklusion von Behinderten erreichen kann, ist fraglich.

Pressemitteilung Förderverein der Grundschule am Lindener Markt