10 Denkanstöße für ein Hannover ohne Büchereischließungen

3. Integration und Förderung Schwacher

Fakt ist, dass in den 60iger Jahren die allein regierende SPD und die damalige Bibliotheksleitung im bevölkerungsreichen und lebendigen Arbeiterstadtteil Linden bewusst zwei Büchereien eingerichtet hat, weil sie es für notwendig erachtete. Das war damals gut und richtig und ist es auch heute noch.
Wenn Integration und die Förderung Schwacher nicht zu leeren Worthülsen verkommen sollen, so darf es keine weitere Schließung geben.
Nicht seriös hingegen ist es, fast 50 Jahre später den Ausbau der einen Bücherei mit der Schließung der anderen zu begründen. Uns diese Streichung als „Zusammenlegung“ oder „Fusion“ auch noch als Fortschritt zu verkaufen, das ist ein fiskalischer Taschenspielertrick.

4. Streichkonzert
Jahrzehntelang hat Rot-Grün die wachsende Raumnot und fortschreitende bauliche Mängel tatenlos hingenommen, gaukelt nun aber der Öffentlichkeit mit der „Zusammenlegung“ eine Verbesserung vor; verschweigt aber, dass die neue Bibliothek um 9000 Medieneinheiten kleiner werden soll als die beiden bisherigen. Außerdem muss die neue Bibliothek mit 4,5 Personalstellen weniger den immensen Aufgabenzuwachs für dann 4 – 5 Stadt-teile (Linden- Mitte, Linden-Süd, Linden-Nord, Limmer und Teile von Ahlem) bewältigen. Wie das von dem ohnehin überlasteten Personal noch geleistet werden soll, ist selbst Fachleuten ein Rätsel.
Ein weiterer Personalabbau im gesamten Büchereisystem soll durch die Einführung von Selbstverbuchungsautomaten (RFID/Identifizierung der Medien über Radiowellen) statt-finden. Das heißt, bis zu 20 Personalstellen im Büchereihelferbereich der Stadtbibliothek Hannover sollen gestrichen werden.
Die Bibliotheksleitung verspricht sich damit eine Verbesserung der Angebotsqualität für die Nutzer/innen – eine durchaus zweifelhafte Annahme, denn das weg-rationalisierte Personal fehlt als Ansprechpartner für die Leser/innen, für die Arbeiten in der Bibliothek sowie für alle Arbeiten in der Zusammenarbeit mit den Bildungseinrichtungen der Stadtteile.
Die Nutzer/innen erwarten Menschen in der Bibliothek und keine Automaten! Außerdem bezweifeln wir, dass der Datenschutz gewährleistet ist.

5. Vollmundige Versprechungen
Die bislang vorliegende Konzeption für das Lindener Rathaus ist unausgegoren und unausgereift. Angebliche Ziele verbindet die Stadtverwaltung mit dem Lernzentrum: Demnach sollen nach der Lissabon-Strategie 2000 „ neue Lernorte entwickelt“, mehr Investitionen in „Humankapital“ und eine „Verbesserung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit“ erreicht werden.
Es grenzt schon an Zynismus, wenn einerseits die Parolen der Stadtverwaltung „Zugangserleichterungen fördern“, „Zugangsschwellen senken“ und „wohnortnah“ vollmundig verkünden, andererseits aber gleichzeitig drei Stadtteile mit tausenden von Menschen von Bildung durch Bibliotheken abgehängt werden sollen. Eine „Verbesserung des Zugangs zu Bildungsangeboten“ und eine „qualitative Entwicklung der Bildungsinfrastruktur“ erreicht man jedenfalls nicht durch Büchereischließungen.

6. PPP als Politisch-Peinliche Provokation
„Die Finanzierung dieser Maßnahmen ist nicht gesichert“, schreibt die Verwaltung der Stadt Hannover u.a. in ihrer Informationsdrucksache (Nr. 2184/2009) im Herbst 2009 zum Umbau des Lindener Rathauses. 9,5 Millionen Euro soll er kosten, wobei 1 Million Euro aus EU-Quellen erhofft werden. Für die Finanzierung wollen Ratsmehrheit und Verwaltung auf private Investoren zurückgreifen: PPP (Public Private Partnership) bzw. ÖPP (Öffentlich-Private Partnerschaft), so der Name des angestrebten Finanzierungsmodells. Das Lindener Rathaus soll durch Investoren saniert und einem finanzkräftigen Betreiber für Jahrzehnte überlassen werden. Über teure Mieten wird das Gebäude durch die Verwaltung anschließend zurück erworben.
PPP/ÖPP ist eine weit in die Zukunft verlängerte, zusätzliche Verschuldung der Stadt mit möglichem Raubbau am öffentlichen Eigentum. In der Regel sind damit Steuerverluste, Abbau von Arbeitsplätzen, der Einsatz von Niedriglöhnern und Billigfirmen sowie eine Verschlechterung des Standards der öffentlichen Dienstleistungen verbunden. Die Mitbestimmung von Bürger/innen bei der Lösung gemeinschaftlicher Aufgaben wird abgebaut zugunsten der privaten Finanzakteure. Aus diesen Gründen warnen auch die Gewerkschaften vor PPP-Projekten.

7. Breites Bündnis der Büchereibefürworter
25 000 Bürger/innen fordern mit der Bürgerinitiative den Erhalt der Stadtbibliothek Limmerstraße. 25 000 Unterschriften, das sind doppelt so viel wie Wahlberechtigte bei der Kommunalwahl 2006 den Bezirksrat Linden-Limmer mit allen seinen Parteien gewählt haben.
Ermöglicht wurde dieses in der jüngeren hannoverschen Geschichte beispiellose Ergebnis durch die riesige Unterstützung der Bevölkerung. Tausende Unterschriften wurden im Stadtbezirk von Geschäftsleuten gesammelt – zum Beispiel beim Gemüsehändler, im Sonnenstudio oder in der Apotheke. In nahezu jedem Geschäft der Limmerstraße wurde die Forderung nach Erhalt der Bibliothek durch Unterschriftenlisten oder Aushänge zum Ausdruck gebracht.
Unübersehbar auch das Engagement zahlreicher Verbände und Organisationen: Die Stadtelternräte der Kindertagesstätten und der Schulen, der Stadtschülerrat ebenso wie der DGB und zahlreiche Personal- und Betriebsräte aus Großbetrieben wehren sich gegen den Bildungsabbau. Ob Sport- und Kulturverein Günes, der Deutsch-Türkische Freundschaftsverein, der Kulturverein der Iraner oder der Schachclub der Polizei Hannover – gemeinsam erheben sie ihre Stimme gegen die Schließungsabsichten. Viele Wähler und Mitglieder der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen treten für das Fortbestehen und die Modernisierung der Bücherei Limmerstraße ein. Von der CDU-Ratsfraktion bis zur DKP reicht das Spektrum der Büchereibefürworter. Im Rat und an anderer Stelle bringen die Gruppe Hannoversche Linke und Die Linken die Forderungen der Bürger/innen zum Ausdruck – ebenso wie das Bündnis für Soziale Gerechtigkeit (BSG) im Bezirksrat Linden-Limmer.
Kuriosum am Rande: Der Bezirksrat Ahlem-Davenstedt-Badenstedt beschloss einstimmig den Erhalt der Bibliothek Limmerstraße.

8. Ignoranz und vorauseilender Gehorsam
Leider ignorieren die Ratsfraktionen SPD und Bündnis 90/ Die Grünen bislang den Bürgerwillen und können bei ihrem Bildungsraubbau noch nicht zu einer Kursänderung bewegt werden. Trotz einzelner Sympathiebekundungen zeigt man sich dort mehrheitlich unflexibel und hält an der Schließung fest. Es ist schon ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet zwei Lindener Stadtpolitiker, die SPD-Fraktionsvorsitzende Kastning und der grüne Fraktionsvorsitzende und Kulturausschussvorsitzende (!) Schlieckau, die Schließung der Bücherei im Lindener Freizeitheim vorantreiben.
Enttäuschend ist bislang auch das Verhalten der Mehrheitsfraktionen und der Bezirksbürgermeisterin im Bezirksrat Linden/ Limmer. Dort, wo eigentlich eine gemeinsame Verteidigung der Stadtbibliothek Limmerstraße erwartet wird, bleibt man im wesentlichen bisher ohne eigene Position und ordnet sich kritiklos den Vorgaben des Oberbürgermeisters und dem Fraktionszwang unter.

9. Das Märchen vom Geldmangel
Wir haben kein Geld, hört man landauf, landab aus vielen Politikermündern und manchem Rathaus. Hannover bildet da keine Ausnahme. „Bibliotheken sind wichtiger als Kasernen“, stellt der hannoversche Kabarettist Dietrich Kittner fest. Zumindest dem Militär scheint es an Geld nicht zu mangeln: Für 100 Millionen Euro erhielten die Feldjäger der Bundeswehr ein neues Domizil im Norden Hannovers und die Ausbaukosten für den Militärflughafen Wunstorf erhöhten sich in nur 12 Monaten von220 Millionen Euro auf 325 Millionen Euro.
Wie viele Büchereien (oder auch andere wichtige kulturelle und soziale Einrichtungen)könnten allein mit der Ausgabe von jährlich über 1 Milliarde Euro für den Afghanistankrieg gesichert werden?
Diese Kriegskosten belasten den Bundeshaushalt, sodass weniger Steuermittel auch für die Länder und Kommunen vorhanden bleiben.
Trotzdem wurde der Messe-AG mit 125 Millionen Euro alleine von der Stadt Hannover unter die Arme gegriffen. Unlängst sprach sich Oberbürgermeister Weil für einen Landtagsumbau(ca. 45 Millionen Euro) aus und Pläne für einen weiteren Rathausneubau wurden sicherlich nicht für die Schublade entwickelt.
Auch für einen Schlossneubau in Herrenhausen sind offensichtlich genügend Gelder vorhanden. Mietzahlungen in Höhe von 1 bis 2 Millionen Euro jährlich soll die beteiligte VW-Stiftung anschließend von der Stadt erhalten, wobei das Grundstück bereits kostenfrei (als Erbpacht) der Konzernstiftung überlassen wurde. Während für glitzernde Fassaden, Repräsentations- und vermeintliche Hochkultur die Gelder „locker sitzen“, ist kein weiteres Geld mehr für die Bildungsgrundversorgung der Bevölkerung vorhanden.

10. Was wir wollen
Die Hannoveraner/innen leben und arbeiten gerne in ihrer Stadt, die in der Vergangenheit mit Attributen wie „hässlich“ und „langweilig“ bedacht wurde. Mehr Selbstvertrauen, mehr Profil und mehr Lokalpatriotismus empfehlen Imageberater, um die Identifikation der Bürger/innen mit ihrer Stadt zu erhöhen.
Gleichzeitig wird die „mangelnde Bürgernähe … der Verwaltung“ zum Beispiel in der Hannover Image Studie 2008 kritisiert.

Die Forderungen der Bürgerinitiative und der 25 000 Bürgerinnen und Bürger an Politik und Verwaltung sind:
Berücksichtigen Sie endlich den Bürgerwillen und tragen Sie nicht noch weiter zum Bildungsabbau bei.
Für ein Hannover der Bildungschancengleichheit – ohne Büchereischließungen! Für den Erhalt der Stadtbibliothek Limmerstraße.